Unionspolitiker begegnen neuer SPD-Spitze mit Misstrauen
Nach dem Führungswechsel bei der SPD begegnet die Union der neuen Parteispitze mit greifbarem Misstrauen.

Das Wichtigste in Kürze
- Dobrindt vermutet Hinarbeiten auf Koalitionsbruch - SPD-Spitze gesprächsbereit.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äusserte am Montag den Verdacht, dass die neuen SPD-Chefs durch Maximalforderungen bewusst auf einen Bruch der grossen Koalition hinarbeiten. CSU-Chef Markus Söder äusserte sich besorgt über die Perspektiven in der Koalition und warnte vor einem «Siechtum». CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak attestierte der SPD einen «Linksruck», der die Zusammenarbeit in der Koalition «nicht einfacher» mache.
Einig sind sich die Spitzen von Union und SPD, dass es noch vor Weihnachten ein Treffen auf höchster Ebene geben soll - zum gegenseitigen Kennenlernen, aber auch zum Ausloten konkreter Regierungsvorhaben.
Dobrindt warnte die neue SPD-Führung um Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans vor einer Eskalationsstrategie: «Man kann den Verdacht bekommen, dass von der SPD-Spitze jetzt bewusst inhaltliche Hürden aufgebaut werden, um später einen Bruch der Koalition zu begründen», sagte er laut Parteikreisen in einer Sitzung des CSU-Vorstands in München.
CSU-Chef Söder sagte, der SPD-Parteitag habe «natürlich die Lage der Republik verändert». Die SPD müsse sich jetzt klar zu Koalition bekennen: «Stabilität ja, aber Siechtum nein». Sorge bereite ihm der Einfluss des GroKo-kritischen Juso-Chefs Kevin Kühnert auf die neue SPD-Führung: «Ich hoffe sehr, dass nicht nur ein Stellvertreter am Ende dominiert.»
Der CDU-Vorstand bekräftigte am Montag in Berlin, dass es keine Neuverhandlungen des Koalitionsvertrags geben werde. Die Gespräche mit der SPD könnten nur auf Grundlage des Koalitionsvertrags stattfinden, sagte CDU-Generalsekretär Ziemiak: «Was muss umgesetzt werden, was ist noch offen?»
Die neuen SPD-Chefs betonten ihre Gesprächsbereitschaft. Ko-Chefin Saskia Esken zeigte sich offen für den Wunsch der Union nach einer Senkung der Unternehmenssteuer. «Über Steuerreformen kann man immer reden. Aber die Frage ist, wie schafft man einen guten Ausgleich», sagte sie «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten». Steuersenkungen für Unternehmen «im grossen Stil» seien «nicht denkbar ohne einen Ausgleich an anderer Stelle».
Auch der neue SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hob Spielraum in den bevorstehenden Gesprächen mit der Union hervor. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe kürzlich in ihrer Haushaltsrede im Bundestag Punkte angeführt, die ihn «optimistisch stimmen», sagte er der «Rheinischen Post» vom Montag. Er verwies auf Merkels Bekenntnis zum Klimaschutz und zum Eintreten gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft.
Auf die Forderung der SPD-Führung nach einer expansiven Haushalts- und Investitionspolitik reagierten die Unionsspitzen mit einer klaren Absage. Es werde «kein Rütteln an der schwarzen Null oder gar an der Schuldenbremse geben», sagte Ziemiak.
Dobrindt sagte im CDU-Vorstand: «Die Schuldenbremse bleibt, wie sie ist - denn genau wegen Politikern wie Esken und Walter-Borjans und gegen den ständigen Griff in die Schuldenkasse haben wir sie reingeschrieben in unser Grundgesetz.»
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warnte die SPD vor zu weit reichenden Forderungen. «Wir haben in den letzten Monaten als Union einige Kompromisse gemacht, um es auch der SPD leichter zu machen, aber da ist der Kredit jetzt auch aufgebraucht», sagte er im RBB. Die Beschlüsse des SPD-Parteitags zur Wiedereinführung der Vermögensteuer und zur Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro seien mit der Union nicht zu machen.