Nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit für Attac viele NGOs in Sorge

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Deutschland,

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der globalisierungskritischen Organisation Attac durch den Bundesfinanzhof hat zahlreiche Nichtregierungsorganisationen in Deutschland in Aufruhr versetzt.

Bundesfinanzhof in München
Bundesfinanzhof in München - dpa/AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Entscheidung des Bundesfinanzhofs im jahrelangen Rechtsstreit.

Auch Politiker von SPD, Grünen und Linken kritisierten das am Dienstag in München verkündete Urteil. Die SPD will die Forderung nach einer Überarbeitung der Abgabenordnung aufgreifen. Der Bundesfinanzhof begründete sein Urteil damit, dass Attac versuche, politische Meinung zu beeinflussen, was nicht zur politischen Bildung beitrage.

Das höchste deutsche Finanzgericht entschied einen jahrelangen Rechtsstreit und verwarf damit eine Entscheidung des hessischen Finanzgerichts, das Attac als gemeinnützig eingestuft hatte. Allerdings muss sich dieses Gericht nun erneut mit dem Fall befassen. Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt vor allem dazu, dass keine Spendenbescheinigungen mehr ausgestellt werden dürfen und Spender als Folge ihre Spende nicht mehr bei der Steuer absetzen können.

Insbesondere stiess sich der Bundesfinanzhof daran, dass Attac in seinen Kampagnen etwa gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21, gegen Steuerflucht oder für ein bedingungsloses Grundeinkommen die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen beeinflussen wollte. Dies sei nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig, weil politische Bildungsarbeit ein Handeln in geistiger Offenheit voraussetze.

Attac warf dem BFH vor, den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als zuletzt das Finanzgericht Kassel in der vorherigen Entscheidung zu setzen. Insbesondere die Förderung der Bildung und des demokratischen Staatswesens werde deutlich eingeschränkt.

Dirk Friedrichs, Vorstand im Attac-Trägerverein, erklärte, dies sei «ein verheerendes Signal für die gesamte kritische Zivilgesellschaft in Deutschland.» Mit grosser Sorge werde auf Länder wie Ungarn oder Brasilien geblickt, die die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen unterdrückten. Nun werde auch in Deutschland erlebt, «wie Regierung und Parteien immer öfter versuchen, politisch missliebige Organisationen über das Gemeinnützigkeitsrecht mundtot zu machen».

Die als Dachverband von 80 Vereinen und Stiftungen auftretende Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung erklärte, die enge Interpretation des gemeinnützigen Zwecks Volksbildung gefährde «tausende Vereine und Stiftungen». Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand des Bündnisses, forderte vom Bundestag mehr Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen.

Er forderte den Gesetzgeber auf, «schnellstmöglich» in die Abgabenordnung zu schreiben, welche Zwecke er für förderwürdig hält. Auch Attac und das Bündnis Campact forderten eine Änderung der Abgabenordnung, um die Gemeinnützigkeit für Gruppen wie Attac zu erhalten.

Die SPD-Bundestagsfraktion erklärte durch ihren finanzpolitischen Sprecher Lothar Binding, dass die Münchner Entscheidung nicht zu einer Beschneidung der politischen Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen führen dürfe. «Gemeinnützige Organisationen müssen politisch aktiv sein können - anders ist eine Verfolgung ihrer gemeinnützigen Zwecke nicht effektiv möglich.»

Auch Binding erklärte, der Katalog der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenverordnung sei «zu eng». Die SPD-Bundestagsfraktion werde deshalb prüfen, ob das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht angepasst werden muss.

Linken-Chef Bernd Riexinger erklärte, die Entscheidung sei «ein Angriff auf das demokratische Grundverständnis in Deutschland». Forderungen von Attac etwa nach einer Finanztransaktionssteuer oder einer Vermögensabgabe seien im Sinne des Allgemeinwohls. «Folgt man der Argumentation des Bundesfinanzhofes müsste jedem Kaninchenzüchterverein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.»

Der zu den Mitbegründern von Attac gehörende Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold bezeichnete die Entscheidung als «schwarzen Tag für die Demokratie». Das Urteil bedeute für viele gemeinnützige Vereine Unsicherheit und finanzielle Risiken.

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