Litauen: Ex-Kommunisten siegen – schlechtes Zeichen für die Ukraine?

Nicola Aerschmann
Nicola Aerschmann

Litauen,

Bei der Wahl in Litauen am vergangenen Wochenende haben die Sozialdemokraten gewonnen. Ein Experte ordnet das Ergebnis ein – auch bezüglich des Ukraine-Kriegs.

Wolodymyr Selenskyj Litauen
Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen mit Litauens Präsident Gitanas Nauseda in Vilnius im Januar 2024. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Litauen haben ehemalige Kommunisten die erste Parlamentswahlrunde gewonnen.
  • Die Sozialdemokraten haben sich bisher nicht gänzlich von ihrer Vergangenheit gelöst.
  • Das Ergebnis ist aber nicht zwingend schlecht für die Ukraine – im Gegenteil.

Spätestens seit der Eskalation im Ukraine-Krieg sind die baltischen Staaten in den Fokus gerückt. Aufgrund der Lage neben Russland und der sowjetischen Geschichte gibt es immer wieder Befürchtungen, dass auch sie angegriffen werden könnten.

Estland, Lettland und Litauen sind zudem wichtige Unterstützer der Ukraine. Die Solidarität ist gross – möglicherweise geht es eben auch um die eigene Zukunft.

Verfolgst du die politischen Geschehnisse in Osteuropa?

In diesem Kontext haben es sozialdemokratische Parteien nicht ganz leicht. Denn in Mittel- und Osteuropa gingen viele von ihnen aus den Kommunisten hervor. Sie haben also zumindest indirekt eine Verbindung zur unbeliebten Sowjetunion.

Die Partei Saskana in Lettland, die als russlandfreundlich gilt, wurde beispielsweise bei den Wahlen 2022 abgestraft. Sie flog sogar aus dem Parlament.

Kommunistisches Erbe bei litauischen Sozialdemokraten noch vorhanden

Etwas überraschend scheint auf den ersten Blick deshalb das aktuelle Wahlresultat in Litauen. Dort setzten sich die Sozialdemokraten, in Form der Partei LSDP, in der ersten Runde der Parlamentswahl nämlich durch.

Ein schlechtes Zeichen für die Solidarität mit der Ukraine? Baltikum-Experte Oliver Morwinsky von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ordnet gegenüber Nau.ch ein.

Der Leiter des Auslandsbüros für die Baltischen Staaten sagt zunächst, dass es in der LSDP verschiedene Flügel gebe. Einer dieser Flügel habe noch Sympathien für das kommunistische Erbe, sagt Morwinsky. «Es ist derzeit etwas schwierig einzuordnen, wie stark dieser Flügel ist, er ist aber definitiv existent.»

Man könne sagen, dass sich die Partei nicht vollständig von dieser Vergangenheit gelöst habe. Gleichzeitig stimme man aber auch nicht vollständig damit überein. Das zeigt sich an der aktuellen Spitzenkandidatin Vilija Blinkeviciute. Diese sei «langjährige Europaparlamentarierin und nicht mit Aussagen in dieser Richtung aufgefallen».

In Litauen haben es die Sozialdemokraten anders als in Lettland geschafft, sich im Ukraine-Krieg klar zu positionieren. «Sie tragen die bisherige Regierungslinie in der Aussen- und Verteidigungspolitik mit. Das ist politischer Konsens. Damit waren sie auch nicht von einer grossen ‹Abstrafung› durch die Wähler konfrontiert», erklärt Morwinsky.

«Friedensparteien» bleiben wegen Ukraine-Krieg unbeliebt

Aus ukrainischer Sicht muss man sich jetzt entsprechend nicht allzu grosse Sorgen machen. Die Solidarität mit der Ukraine sei ungebrochen, sagt Morwinsky. «Ein klares Zeichen ist die ‹Ab- oder Nicht-Wahl› von vielen Parteien, die für ‹Frieden› angetreten sind.»

Parteien, die eine bessere Beziehung zu Russland wollen, haben es grösstenteils nicht ins Parlament geschafft. «Einzige Ausnahme ist die Partei auf dritter Stelle, ‹Die Morgenröte von Nemunas› von Remigijus Zemaitaitis.»

Zemaitaitis ist verurteilter Antisemit und äussert sich immer wieder kontrovers. Beispielsweise fordert er eine Besserung der Beziehungen zu Belarus. Mit der aktuellen litauischen Aussenpolitik sei die Partei nicht zufrieden, so Morwinsky. «Die Morgenröte von Nemunas» kommt auf etwas über 15 Prozent.

Lukaschenko Putin
Parteien, die eine bessere Beziehung zu Belarus mit Präsident Alexander Lukaschenko oder zu Russland mit Präsident Wladimir Putin wollen, haben es in Litauen schwer. - keystone

Unklar ist, wer dann letzten Endes in Litauen regieren wird. Die LSDP habe zwar gewonnen, die gewünschte Koalition mit den «Demokraten für Litauen» sei aber nicht möglich. Morwinsky sagt: «Den Sozialdemokraten bleiben nicht viele mögliche Koalitionsmöglichkeiten mit diesem Ergebnis.»

Für eine Mehrheit braucht es einen weiteren Koalitionspartner. Und das wiederum schwäche die Position der Sozialdemokraten, sagt der Baltikum-Experte.

In einer Woche, am 27. Oktober, findet noch die zweite Wahlrunde statt. Dort wird der insgesamt 141 Sitze umfassende Seima, das litauische Parlament, vervollständigt.

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Kommentare

User #6488 (nicht angemeldet)

Auch bei uns haben sich die Sozialdemokraten nie vor ihrer Vergangenheit gelöst. Darum singen sie auch immer nich die Internationale.

User #1237 (nicht angemeldet)

Wir sind umgeben von schlechten Zeichen für die Ukraine, nur wir sehen wollen Die nicht

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