Juncker sieht Schweigen vor Brexit-Referendum als grössten politischen Fehler
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es als grössten politischen Fehler seiner Amtszeit bezeichnet, dass er sich vor dem Brexit-Referendum in Grossbritannien nicht in die Austrittsdebatte eingemischt habe.

Das Wichtigste in Kürze
- Kommissionschef bedauert auch anfängliches Schweigen in LuxLeaks-Affäre.
Der damalige britische Premierminister David Cameron habe ihn gebeten, nicht einzugreifen, sagte Juncker am Dienstag in Brüssel. «Das war ein Fehler.» Denn nur Brüssel habe die Möglichkeit gehabt, «die Lügen zu zerstören», die vor der Volksabstimmung in Grossbritannien verbreitet worden seien.
Die Briten hatten sich im Juni 2016 mit einer knappen Mehrheit von 51,9 Prozent für den Brexit ausgesprochen. Eigentlich hätte das Vereinigte Königreich schon Ende März dieses Jahres austreten sollen. Die heutige Premierministerin Theresa May hat im Unterhaus bisher aber keine Mehrheit für die Ratifizierung des mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommens erhalten. Neuer Austrittstermin ist nun der 31. Oktober.
Als grössten «persönlichen» Fehler während seiner Amtszeit bezeichnete Juncker eine zu zögerliche Reaktion auf Vorwürfe in der Affäre um massive Steuervorteile für Grosskonzerne in Luxemburg. Er habe eine Woche gewartet, darauf zu reagieren, sagte Juncker, der jahrelang Luxemburgs Regierungschef und Finanzminister war. «Ich hätte sofort antworten sollen. Das war ein grosser Fehler.»
Die Luxleaks-Affäre hatte Ende 2014 europaweit für Empörung gesorgt, als klar wurde, das multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermieden. Juncker musste sich darauf im ersten Amtsmonat einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen, das von europafeindlichen und rechten Parteien organisiert worden war. Es wurde mit grosser Mehrheit zurückgewiesen.
Juncker hat immer bestritten, als luxemburgischer Regierungschef und Finanzminister in dem Grossherzogtum ein System zur Steuervermeidung aufgebaut oder gar selbst mit Grossunternehmen entsprechende Absprachen getroffen zu haben. 2017 räumte er aber ein, die Notwendigkeit eines fairen Steuerwettbewerbs in Europa «vernachlässigt» zu haben. Er verwies damals gleichzeitig darauf, dass die von ihm geführte EU-Kommission nun entschlossen gegen Steuervermeidung und -hinterziehung vorgehe.