Unter dem Druck der wochenlangen Proteste mit mehr als 400 Toten hat Iraks Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi seinen Rücktritt angekündigt.
Jubel nach Rücktritt von Ministerpräsident im Irak
Jubel nach Rücktritt von Ministerpräsident im Irak - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • USA fordern Reformen - Frankreich verurteilt «exzessive» Gewaltanwendung.

Er werde das Parlament in einem Brief um seinen Rücktritt bitten, erklärte der 77-jährige Regierungschef am Freitag. Zuvor hatte der einflussreiche schiitische Geistliche Ali al-Sistani das Parlament zur Absetzung der Regierung aufgerufen. Die USA mahnten nun Reformen an, während im Südirak die Gewalt weiter andauerte.

Der Rücktritt Abdel Mahdis erfolgt nach einer Eskalation der Gewalt. Mit landesweit 46 Toten war Donnerstag der blutigste Tag seit Beginn der Proteste im Oktober. Es ist die grösste Protestbewegung seit dem Sturz von Machthaber Saddam Hussein 2003. In der Nacht zu Donnerstag spitzte sich die Lage weiter zu, als Demonstranten aus Wut über die Unterstützung Teherans für Abdel Mahdi das iranische Konsulat in Nadschaf anzündeten.

Angesichts der massiven Gewalt forderte al-Sistani in seiner Freitagspredigt, die Abgeordneten sollten «im Interesse des Irak handeln, um das Blut seiner Kinder zu bewahren und zu verhindern, dass er in Gewalt, Chaos und Zerstörung abgleitet». Der 89-jährige schiitische Grossayatollah al-Sistani geniesst grosses Ansehen unter den Gläubigen im Irak und verfügt über erheblichen Einfluss auf die politischen Parteien des Landes.

Die Opposition aus den Anhängern von Ex-Regierungschef Haidar al-Abadi und des schiitischen Predigers Moktada al-Sadr erklärten sich umgehend bereit, der Regierung das Vertrauen zu entziehen. Al-Abadi beantragte für Samstag eine Sondersitzung des Parlaments. Auch der Fatah-Block, welcher der politische Arm der proiranischen Hasched-al-Schaabi-Milizen ist, äusserte seine Unterstützung für «notwendige Veränderungen».

Die Rücktrittsankündigung Abdel Mahdis wurde auf dem zentralen Tahrir-Platz in Bagdad mit Jubel und patriotischer Musik begrüsst. «Dies ist unser erster Sieg und wir werden noch viele weitere haben», sagte ein Demonstrant. Auch in Nassirija, wo am Donnerstag 28 Demonstranten getötet worden war, wurde die Ankündigung gefeiert.

Auch am Freitag dauerte die Gewalt im Südirak an. 15 Demonstranten wurden in Nassirija von der Polizei getötet, wie Augenzeugen und Ärzte sagten. Männer in Zivil erschossen fünf Protestierende in der Pilgerstadt Nadschaf. Tausende Menschen trugen dort die Särge der 16 Demonstranten zu Grabe, die nach der Erstürmung des iranischen Konsulats getötet worden waren. Ein weiterer Demonstrant wurde in Bagdad getötet.

Die USA forderten derweil Reformen im Kampf gegen Korruption und Arbeitslosigkeit sowie eine Reform des Wahlrechts im Irak. Eine Sprecherin des US-Aussenministeriums erklärte, die USA würden die «legitimen Anliegen» der protestierenden Menschen im Irak teilen.

Die französische Regierung verurteilte die «exzessive und unverhältnismässige Anwendung» von Gewalt gegen Demonstranten. Alle Parteien sollten auf Gewalt verzichten, hiess es in einer Erklärung des Aussenministeriums in Paris.

Bei den seit Oktober andauernden Protesten gegen Korruption, Klientelismus und Misswirtschaft wurden in Bagdad und dem Süden des Landes inzwischen mehr als 400 Menschen getötet und über 15.000 verletzt. Die Demonstranten fordern eine neue Regierung ohne Vertreter etablierter Parteien. Der Rücktritt des parteilosen Politikers Abdel Mahdi, der erst vor einem Jahr an die Macht gelangt war, dürfte sie kaum zufrieden stellen.

Nach den wochenlangen Protesten hatte die Regierung am Donnerstag offenbar beschlossen, ihnen mit Gewalt ein Ende zu setzen. Abdel Mahdi entsandte mehrere Militärkommandeure in den Süden des Irak, um die «Ordnung wiederherzustellen». Polizisten im Südirak sagten, sie hätten nach der Erstürmung des iranischen Konsulats in Nadschaf die Anweisung erhalten, die Proteste endgültig niederzuschlagen.

Nach der Gewalt in Nassirija wurde der zuständige General aber wieder abgezogen. Auch der örtliche Gouverneur trat zurück. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem «Blutbad» in Nassirija.

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