Nach der Inhaftierung ihres Parteichefs Liviu Dragnea und der Schlappe bei der Europawahl suchen Rumäniens Sozialdemokraten (PSD) einen Ausweg aus der Krise.
Liviu Dragnea
Liviu Dragnea - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Ministerpräsidentin Dancila deutet Abmilderung der umstrittenen Justizreform an.
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Bei einem Treffen in Bukarest berieten die Führungsgremien der Partie am Dienstag über den künftigen Kurs. Ministerpräsidentin Viorica Dancila deutete sogar eine mögliche Abschwächung der umstrittenen Justizreform an.

Dragnea, der wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre für dreieinhalb Jahren ins Gefängnis muss, hatte am Montag seine Haftstrafe angetreten, nachdem ein Berufungsgericht das Urteil bestätigt hatte. Dragnea galt bislang als mächtigster Politiker Rumäniens und Schlüsselfigur hinter den umstrittenen Justizreformen in dem südosteuropäischen EU-Land. Die Haftstrafe dürfte seine politische Ambitionen nun langfristig zunichte machen.

«Für die PSD dürfte es schwer werden, einen charismatischen Anführer zu finden, der von den Wählern akzeptiert wird und glaubwürdig ist», sagte der Politologe Andrei Taranu der Nachrichtenagentur AFP. Tatsächlich stand die sozialdemokratische Parteispitze bei ihrem Treffen am Dienstag vor einer schwierigen Aufgabe: Dragnea hatte, solange er noch an der Macht war, alle Rivalen und damit auch möglichen Nachfolger verdrängt.

Nicht nur Oppositionspolitiker werfen Dragnea vor, Seilschaften gebildet und Schlüsselpositionen mit Verbündeten besetzt zu haben. Viktor Bostinaru, sozialdemokratischer Europaabgeordneter, bestätigte die Vorwürfe. «Die meisten Menschen, denen öffentliche Ämter übertragen wurden, waren nur zu einem einzigen Menschen loyal und sind bestenfalls Mittelmass», kritisierte er.

Die 2018 eingesetzte Ministerpräsidentin Dancila galt lange als Dragneas «perfekte Marionette». Zuletzt gab es allerdings Anzeichen dafür, dass sie versucht, sich von ihrem Parteichef zu distanzieren: Am Dienstag deutete sie an, die umstrittene Justizreform könne abgeschwächt werden. Die Partei habe unter den Plänen «sehr gelitten», sagte Dancila.

Bei der Europawahl hatten die rumänischen Sozialdemokraten am Sonntag deutliche Verlust erlitten. Die PSD kam vorläufigen Ergebnissen zufolge auf 23,4 Prozent der Stimmen, die liberal-konservative Partei PNL und das Bündnis USR-PLUS holten zusammen gut 48 Prozent. Beobachtern zufolge wurde die PSD auch wegen des Vorgehens Dragneas gegen die Anti-Korruptionsbehörde des Landes abgestraft.

Im Wahlkampf hatte die Debatte über die umstrittenen Justizreformen der Regierung eine grosse Rolle gespielt. Angesichts der Kritik aus Brüssel an den Gesetzesvorhaben hatten führende Politiker der PSD vermehrt auf eine nationalistische und europaskeptische Rhetorik gesetzt. Staatschef Klaus Iohannis feierte das Wahlergebnis als Votum gegen die Regierung und für ein «europäisches Rumänien».

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