Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat von der angedrohten Ausweisung westlicher Diplomaten Abstand genommen.
Kabinettssitzung der türkischen Regierung
Kabinettssitzung der türkischen Regierung - TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/AFP
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Reaktion auf Erklärung betroffener Staaten zur Einhaltung der Wiener Konvention.

Die Botschafter hätten «einen Rückzieher gemacht» und «werden in Zukunft vorsichtiger sein», sagte Erdogan am Montagabend nach einer Kabinettssitzung. Zuvor hatten die US-Botschaft und andere betroffene Botschaften auf Twitter eine Erklärung veröffentlicht, wonach sie sich an Artikel 41 der Wiener Konvention halten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes einzumischen.

«Wir glauben, dass der beste Weg nach vorne die Zusammenarbeit in Fragen von gegenseitigem Interesse ist», sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Ned Price. «Und wir wissen, dass wir viele Fragen von gegenseitigem Interesse mit der Türkei haben.» Er erklärte jedoch auch, die USA würden sich «weiterhin für die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte weltweit» einsetzen.

Der türkische Präsident hatte am Wochenende angekündigt, zehn westliche Botschafter zu «unerwünschten Personen» erklären zu lassen - aus Protest gegen deren Solidaritätsbekundung mit dem inhaftierten türkischen Kulturförderer Osman Kavala. Auf die auch als «persona non grata» bekannte Einstufung folgt in der Regel die Ausweisung. Der Eklat drohte zur schwersten diplomatischen Krise der 19-jährigen Regierungszeit Erdogans zu werden.

«Unsere Absicht war nicht, eine Krise zu verursachen», sagte Erdogan am Abend in einer Fernsehansprache. Es sei nur darum gegangen, «unsere Ehre, unseren Stolz und unsere souveränen Rechte zu schützen».

Auf die Frage, ob Washington die Unterstützung für Kavala zurückziehe, sagte Ministeriumssprecher Price: «Die Erklärung, die wir am 18. Oktober abgegeben haben, stand im Einklang mit Artikel 41 des Wiener Übereinkommens.»

Die US-Vertretung in der Türkei hatte ihre Stellungnahme zur Wiener Konvention am Montagnachmittag auf Twitter veröffentlicht. Die deutsche Botschaft teilte die Erklärung in dem Onlinedienst.

Die Bundesregierung hatte sich zuvor verstimmt über die Drohungen aus Ankara gezeigt. Die Aussagen Erdogans nehme die Regierung «mit Sorge zur Kenntnis und auch mit Unverständnis», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Mit den anderen betroffenen Staaten habe sich Berlin am Wochenende «intensiv» beraten; diese Gespräche dauerten weiter an, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.

Die Sprecherin hatte zudem erklärt, sollte die Einstufung der Diplomaten als unerwünschte Personen tatsächlich erfolgen, würde dies im Widerspruch zur Tiefe und zur Bedeutung der deutsch-türkischen Beziehungen stehen. Es würde auch nicht dem «Umgang unter Nato-Verbündeten» entsprechen.

Die türkische Lira erholte sich nach der Abwendung der Krise von ihrem historischen Rekordtief. Am Morgen wurden 9,80 Lira für einen Dollar verlangt, später noch 9,60 Lira. Die türkische Währung ist seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar bereits um 24 Prozent gefallen. Auch gegenüber dem Euro gab sie stark nach.

Die Botschafter aus Deutschland, Frankreich, den USA und sieben weiteren Ländern hatten in einem gemeinsamen Appell zur Freilassung des seit vier Jahren ohne Verurteilung im Gefängnis einsitzenden Kulturförderers Kavala aufgerufen. Ankara bezeichnete den für diplomatische Gepflogenheiten ungewöhnlichen Aufruf als «inakzeptabel» und lud die Botschafter vor.

Der in Paris geborene Kavala betreibt einen der grössten Verlage der Türkei und setzt sich mit seiner Organisation Anadolu Kültür für den Dialog der Volksgruppen etwa im Kurden-Konflikt oder mit den Armeniern ein. Er gehörte zudem zu den Gründern des türkischen Zweigs der Open Society Foundation des US-Philanthropen George Soros, dem Feindbild vieler Populisten.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

MenschenrechteGeorge SorosBotschafterRegierungTwitterProtestDollarLiraEuroNATORecep Tayyip Erdogan