Die Junge SVP ist gegen den «Woke-Wahnsinn», die alten SVPler gegen Gemeinderätinnen im FC-Vorstand. Ein Widerspruch? Ein Kommentar.
Junge SVP Trachsel Woke
David Trachsel, Präsident der Jungen SVP, will gegen die «Woke-Kultur» vorgehen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die JSVP rebelliert, weil blondierte Haare kulturelle Aneignung sein sollen.
  • Im Rheintal wollen SVPler eine Gemeinderätin mit zu vielen Hobbys verhindern.
  • Als alter, weisser Mann kommt man da kaum noch mit.
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Ein Kulturstreit tobt in der Schweiz, und die wenigsten gehen hin. Es geht ja auch nur um die Kultur blond gefärbter Haare oder das Vorstandsamt im lokalen FC. Beides wird wohl kaum als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt. Höchstens die Streitkultur.

Was halten Sie von der «Woke»-Debatte?

Um was geht’s (wie ein bekannter Streitkulturschaffender zu sagen pflegt)? Die Junge SVP sieht sich erneut in ihrem Kulturkampf gegen den «Woke-Wahnsinn» bestätigt. Denn nun soll es «laut Woke-Professoren sogar ‹kulturelle Aneignung› sein, wenn sich Frauen und Männer die Haare blond färben», warnt die Jungpartei. Okay, es ist mehr oder weniger eine Professorin im fernen Amerika, aber das JSVP-Kampagnenbudget will schliesslich ausgegeben werden.

Alles gratis bei der Jungen SVP

Deshalb tut die JSVP das, was sie in solchen Fällen immer tut: Sie zahlt drauf. Nach gratis Ballermann-Ferien fürs Einsenden eines «Layla»-Videos, gratis Fleisch gegen die Massentierhaltungsinitiative und gratis Anwälten gegen «Gender-Gaga» nun gratis Coiffeur-Besuch. 20 Personen sollen sich auf Kosten der Jungen SVP die Haare blond färben lassen – grad extra.

JSVP woke blond Coiffeur
JSVP-Präsident David Trachsel wirbt auf Twitter für blondierte Haare, während die Partei auf YouTube eine Betroffene zu Wort kommen lässt, die gleich auch noch ihr Mami und ihre Kolleginnen als fake Blondinen outet. - Screenshot Twitter/YouTube

Für alte weisse Männer wie mich ist solcherlei natürlich schwer zu verstehen. Kaum haben wir akzeptiert, dass Blondinen nicht strohdumm sind, werden sie von kultureller Aneignung vereinnahmt und wir müssen uns die Haare färben. Das wird uns langsam zu bunt, wobei «langsam» noch milde ausgedrückt ist.

Bitte keine Vorurteile

Ähnlich geht es wohl den alten weissen Männern im Rheintal, insbesondere in St. Margrethen. Dort findet am 12. März die Gemeinderats-Ersatzwahl statt. Das ginge ja noch.

Zwei Kandidierende interessieren sich für den frei werdenden Sitz. Einerseits Hansruedi Köppel von der SVP, aber das ginge ja auch noch. Denn der Hansruedi hat ausser dem Nachnamen und der Parteizugehörigkeit nur wenig gemeinsam mit dem obenerwähnten Streitkulturschaffenden. So gilt er auch ausserhalb der SVP als wählbar und ist aus der Nachbargemeinde Au zugezogen, halt also Migrationshintergrund.

Majlinda Sulejmani Gerhard Pfister
Mitte-Präsident Gerhard Pfister wirbt auf Twitter für «seine» Gemeinderatskandidatin Majlinda Sulejmani aus St. Margrethen SG - Screenshot Twitter

Gleiches gilt für die Kandidatin der Mitte, Majlinda Sulejmani. Doch mit ihr haben alte, weisse Männer aus SVP-nahen Kreisen ein Problem. Nein, es ist nicht das, was Sie denken, und Sie sollten sich schämen, wenn Sie solch stereotype Vorurteile haben. Auch wenn der eine alte, weisse Mann, Marcel Toeltl, wegen Rassismus aus der SVP ausgeschlossen wurde und man ihn gemäss Bundesgericht einen «bekennenden Rassisten» und «Nazi-Sympathisanten» nennen darf.

Weiss, woke und wahnsinnig

Es liegt auch nicht daran, dass sich Majlinda Sulejmani nicht die Haare blond färbt. Sondern an der mangelnden selbstauferlegten Zurückhaltung, wie der 80-jährige Kampf-Leserbriefschreiber Albertino Pierino Steiner an sich selbst exemplifiziert. Er, als ebenfalls Zugezogener, weiss: «Es ist wie an allen Orten auf dieser Welt, dass es Zugezogene sehr schwer haben, mittelfristig akzeptiert zu werden.»

Marcel Toeltl
Marcel Toeltl wurde von der SVP ausgeschlossen. (Archivbild) - SVP St. Gallen

Doch nicht deshalb rät er Majlinda Sulejmani von der Kandidatur für den Gemeinderat ab. Sondern weil sie Leiterin eines Ambulatoriums, Ortspräsidentin der «Mitte» und Vizepräsidentin des FC St. Margrethen ist. Und ausserdem noch Juniorinnentrainerin und Mutter und sich gerne ablichten lasse.

Eine «Politprinzessin», findet Toeltl, Sulejmani hätte gar keine Zeit für den Gemeinderat, findet Steiner. Damit ist klar: Männer werden grundsätzlich gegen ihren Willen abgelichtet und werden sie trotzdem gewählt, handelt es sich bestimmt um Rabenväter.

FC St. Margrethen Sulejmani
Der FC St. Margrethen stellt sich demonstrativ hinter Majlinda Sulejmani.
Majlinda Sulejmani
Majlinda Sulejmani sei eine "Politprinzessin", die sich "gerne ablichten" lasse, lautet die Kritik.

Auch klar ist, dass – selbstverständlich – Vorbehalte gegenüber Zugewanderten, Zugezogenen oder Zugeknöpften hier keine Rolle spielen. Sondern die Vereinsmeierei von Majlinda Sulejmani, was – selbstverständlich – alte weisse Männer stört, denn das ist kulturelle Aneignung. Darum gilt: Alte weisse Männer sind die wahren Woke-Wahnsinnigen – oder haben sie schon mal einen mit blondierten Haaren gesehen?

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