Politologe Claude Longchamp analysiert eine neue Auswertung der kantonalen Wahlen im Hinblick auf die Wahlen 2023: deutliche Trends bei SVP, GLP und Grünen.
Im Interview mit Nau.ch analysiert Politologe Claude Longchamp die Ausgangslage vor den Wahlen 2023 anhand der kantonalen Wahlen. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Claude Longchamp kommentiert eine neuartige Auswertung der Sitzgewinne in den Kantonen.
  • Es zeigten sich drei Phasen des politischen Klimas seit 2019, so der Politologe.
  • Der Ukraine-Krieg markiere eine Zäsur, die das Klima zugunsten der SVP verändert habe.
  • Die Longchamp-Prognose für die Wahlen 2023: Grüne verlieren, SVP gewinnt, SP noch unklar.

Im Oktober finden die eidgenössischen Wahlen 2023 statt: Die Schweizer Stimmbevölkerung wählt den National- und den Ständerat neu. Im Interview mit Nau.ch analysiert Politologe Claude Longchamp den aktuellen Formstand der unterschiedlichen Parteien. Eine neuartige Betrachtungsweise von Sandro Lüscher (IPZ Universität Zürich), der Sitzgewinne bei kantonalen Wahlen zählte, zeige Veränderungen während der Legislatur.

Wahlen 2023 Analyse Longchamp
Wahlen 2023: Die Sitzverschiebungen nach kantonalen Parlamentswahlen im zeitlichen Verlauf bei der SP, GLP und den Grünen.
Wahlen 2023 Analyse Longchamp
Wahlen 2023: Die Sitzverschiebungen nach kantonalen Parlamentswahlen im zeitlichen Verlauf bei der FDP, Mitte und der SVP.

Prinzipiell gebe es lediglich eine einzige Partei, die quasi in allen kantonalen Wahlen seit 2019 Sitzgewinne verzeichnen konnte: Die GLP befinde sich in einem regelrechten Höhenflug, erklärt Longchamp. «Die Kurve zeigt hier von Wahl zu Wahl nach oben», so der Politologe.

Zwei «höchst interessante Trendwenden» vor den Wahlen 2023

Zwei weitere Parteien hätten ihrerseits mitten in der Legislatur eine «höchst interessante Trendwende» erlebt, analysiert Longchamp. «Zunächst einmal sind das die Grünen, die analog zu den Grünliberalen stark gestartet sind.» Doch danach habe die Partei von Balthasar Glättli einen Höhepunkt erreicht, sodass sie insbesondere 2023 einige Wahlniederlagen einstecken musste.

Im Interview mit Nau.ch erklärt Politologe Claude Longchamp, weshalb der Ukraine-Krieg eine Trendwende markierte. - Nau.ch

An zweiter Stelle nennt der Experte die SVP – hier sei eine umgekehrte Entwicklung zu beobachten: Die Volkspartei habe zu Beginn der Legislatur mit Wahlniederlagen zu kämpfen gehabt. Doch dann habe sich das Momentum verschoben, sodass sich ihre Chancen für die Wahlen 2023 wieder deutlich verbessert hätten. Für die übrigen Parteien beobachtet der Politologe grosso modo einen anhaltenden Abwärtstrend, vornehmlich bei der Mitte und der FDP.

Trendwende Ukraine-Krieg

Longchamp ist überzeugt, dass die vergangene Legislaturperiode in vielerlei Hinsicht einzigartig sei. Dabei verweist der Experte primär auf die ersten zwei Jahre, die ganz im Zeichen der Corona-Pandemie standen. Deshalb hätten die Parteien wenig Möglichkeiten gehabt, sich politisch zu profilieren, was zu einer Fortsetzung der «Klimawahl 2019» geführt habe.

Paradeplatz menschenleer Pandemie
Der verkehrs- und menschenleere Paradeplatz, fotografiert während der Corona-Pandemie am 22. März 2020 in Zürich. - Keystone

Doch mit dem russischen Überfall auf die Ukraine habe sich das politische Klima in der Schweiz nachhaltig verändert: von «grün und progressiv» zu «konservativ und skeptisch», so die Expertenanalyse. Diese Entwicklung habe einerseits die Grünen ausgebremst, biete andererseits aber auch der SVP die Chance, sich zu profilieren.

«Grüne verlieren, SVP gewinnt, SP kann sich vielleicht halten»

Der Politologe gibt allerdings zu bedenken, dass sich die kantonalen Wahlen auch grundsätzlich von denjenigen auf nationaler Ebene unterscheiden: «Auf kantonaler Ebene sind das allgemeine politische Klima und die Kandidaten für den Regierungsrat die zwei entscheidenden Faktoren.» Die spezifischen, politischen Auseinandersetzungen spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Wahlen 2023 Longchamp Trendwende
Der russische Überfall auf die Ukraine habe das politische Klima in der Schweiz und in der ganzen Welt schlagartig verändert, erklärt Politologe Claude Longchamp. (Symbolbild) - keystone

Ferner bliebe auch die Wahlbeteiligung bei kantonalen Wahlen prinzipiell hinter derjenigen bei nationalen Wahlen zurück. Aus diesen Gründen seien die beiden Verwaltungsstufen nicht eins zu eins vergleichbar.

Stand heute, wie würden Sie im Vergleich zu 2019 bei den Wahlen 2023 wählen?

Dennoch liessen sich einige Prognosen für die Wahlen 2023 aus der Analyse ableiten: Einerseits sei für die Grünen der Zenit wohl erreicht. Andererseits erlebe die SVP eindeutig eine Trendwende. «Bei den anderen Parteien wäre ich allerdings immer noch ein bisschen vorsichtig», so die Einschätzung von Longchamp.

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