Barbara Steinemann (SVP) erklärt in einem Gastbeitrag, wieso man die Volksinitiative zum Tierversuchsverbot am 13. Februar ablehnen soll.
Tierversuchsverbot, Menschenversuch
Barbara Steinemann (45) aus Regensdorf ZH ist seit 2015 im Nationalrat und hat an der Universität Zürich Rechtswissenschaften studiert. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz stimmt am 13. Februar über das Tier und Menschenversuchsverbot ab.
  • Die Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP) argumentiert in ihrem Gastbeitrag für ein Nein.

Schmerzmittel, Impfstoffe, Antibiotika und vieles mehr: 2020 wurden in der Schweiz rund 556'000 Tierversuche durchgeführt. Rund jeder Dritte kam der Krebsforschung und der Verbesserung von neurologischen Krankheiten wie Schlaganfälle oder Parkinson zugute.

Bei den heute geltenden Anforderungen dürfte es sich um die strengsten der Welt handeln. Eine Bewilligung erhält nur, wer als Forschender speziell geschult wird. Für kosmetische Produkte ist ein Antrag aussichtslos. Mäuse sind die beliebtesten Versuchstiere, gefolgt von Vögeln, Ratten und Fischen.

Tierversuche
Schweizer Tierschützer wollen Tierversuchsverbot einführen. - keystone

Die Versuche am lebenden Wesen sind in Schweregrade von 0 bis 3 eingeteilt. Ein landwirtschaftlicher Lehrgang mit Tastgriffen am lebenden Tier oder eine Verhaltensbeobachtung gilt hierzulande mit Schweregrad 0 bereits als Tierversuch. Er unterliegt ebenso der Bewilligungspflicht.

Nur 3,5 Prozent der Tiere sind schwer belastet

Die Initiative macht hier keinerlei Differenzen und unterwirft alle Vorgänge pauschal einem neuen Verbot. Gut ist, dass nur 3,5 Prozent der Tiere einer schweren Belastung ausgesetzt werden, etwa durch die Verpflanzung eines Tumors. Die allermeisten Prozesse sind weit weg von der Tierquälerei.

Von der radikalen Verbotsideologie betroffen wäre zudem die Forschung zu Krankheiten am Menschen. Sie unterliegt dem Humanforschungsgesetz und umfasst alle Tätigkeiten, die mit Lebenden oder Verstorbenen durchgeführt werden. Manchmal werden auch nichturteilsfähigen Personen, wie beispielsweise Demenzkranke, mit biologischem Material und mit gesundheitsbezogenen Personendaten gebraucht.

Verhindert würden wichtige, aber völlig harmlose Studien mit Blut oder Beobachtungen von Verhaltensweisen bei Personen mit Schlafstörungen sowie die blosse Reaktion auf Medikamente, aber auch neue Wissenschaften im Bereich der Psychologie, Pflege und Pädagogik.

Tierische Sturheit führt zu Medikamenten- und Therapie-Einkauftourismus

Nichts hat uns deutlicher vor Augen geführt, wie entscheidend ein schneller Fortschritt für uns alle ist, als die Corona-Pandemie. Mit dieser sturen Verbotsideologie wären wir keinen Schritt weitergekommen. Denn es dürfte wohl kein Impfstoff existieren, der gänzlich ohne Menschen- und ohne Tierversuche entwickelt wurde.

Vollendet würde die Therapie-Autarkie Schweiz durch den zweiten Aspekt der Initiative mit noch viel verheerenderen Folgen: nämlich einem Einfuhr- und Handelsverbot für sämtliche Produkte, die unter Anwendung von Tier- und Menschenversuchen entwickelt wurden. Wer es sich leisten kann, wird dann für die Corona-Impfung, die Krebsbehandlung oder die Medikamentenbeschaffung ins Ausland reisen. Somit würde die Zweiklassenmedizin zur Realität.

Nordkoreanische Verhältnisse für das Schweizer Gesundheitswesen

Die Initianten gehen von der Annahme aus, dass kein Tier und kein Mensch verlässliche Vorhersagen für andere Lebewesen liefern könne – eine Behauptung, die der Realität nicht standhält. Der Denkart der Initianten zufolge wären beispielsweise niemals Therapien und Medikamente gegen Aids-, Alzheimer oder Krebserkrankungen gefunden worden.

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Anhand von Forschungsergebnissen an Mäusen haben Forscher wichtige Erkenntnisse gemacht (Archivbild). - Keystone

Ebenso würde die Tierarznei abgewürgt, wodurch Tiere indirekt selbst die Leidtragenden wären. Erwähnenswert ist, dass auch der Schweizer Tierschutz dieser Volksinitiative die Unterstützung versagt, obwohl dieser Verband Tierversuche an sich ablehnt. Im Übrigen empfehlen sie auch alle Parteien und alle Parlamentarier zur Ablehnung.

Eine Annahme der Volksinitiative würde uns von der Versorgung von lebenswichtigen Medikamenten ausschliessen. Ebenfalls würde es die Innovationskraft der Schweizer Forschung und Entwicklung ausbremsen und sie ins Ausland verjagen. Sie ist ein typischer Vorstoss aus der Kategorie «politisches Sektierertum»: Wer aus rein ideologischen Gründen und zu seinem eigenen Nachteil auf medizinische Behandlungen verzichten will, soll dies tun, jedoch die Allgemeinheit von den persönlichen Folgen dieser Radikalpositionen verschonen.

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