Der Ständerat will die Konzernverantwortungsinitiative verhindern. Er stellt sich daher hinter den Gegenvorschlag von Justizministerin Karin Keller-Sutter.
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Umweltverschmutzung durch Tochterfirmen soll bei der Mutterfirma einklagbar sein. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Ständerat ist für den verwässerten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative.
  • Dieser will statt einer Haftbarkeit eine Berichterstattungspflicht für Unternehmen.

Der Ständerat will nicht, dass Schweizer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland haften müssen. Er hat sich am Mittwoch für einen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative ohne Haftung ausgesprochen.

Kinderarbeit oder Umweltverschmutzung

Die Haftung ist allerdings der Kern der Volksinitiative: Konzerne sollen zur Rechenschaft gezogen werden können für beispielsweise Kinderarbeit auf Kakakoplantagen in Burkina Faso, verschmutzte Flüsse im Kongo oder vergiftete Bäuerinnen und Bauern auf Baumwollfeldern in Indien.

Im Ständerat standen zwei Varianten für einen indirekten Gegenvorschlag zur Diskussion: Eine mit eingeschränkten und eine ohne Haftungsregeln. Die erste hatte der Nationalrat beschlossen, die zweite brachte Bundesrätin Karin Keller-Sutter als Reaktion darauf ins Spiel.

Initianten ziehen ihre Initiative nicht zurück

Die Initianten sprechen von einem «Alibi-Gegenvorschlag». «Diese Vorlage wird selbstverständlich nicht zu einem Rückzug der Initiative führen, da sie keinerlei verbindliche Regeln bringt, welche Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne verhindern», schreiben sie in einer Mitteilung.

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Dick Marty, Ex-FDP-Nationalrat. - Keystone

Dick Marty, Co-Präsident des Initiativkomitees, ist überzeugt, dass die Bevölkerung dieser «Trickserei nicht auf den Leim gehen wird» und ist überzeugt, dass der Gegenvorschlag die Stimmberechtigten nicht verunsichern werde. «Konzerne wie Glencore werden erst anständig wirtschaften, wenn Menschenrechtsverletzungen auch Konsequenzen haben und sie dafür geradestehen müssen.»

In der Gesamtabstimmung hiess der Ständerat Keller-Sutters Vorlage mit 39 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Nun ist wieder der Nationalrat am Zug. Zur Abstimmung kommt die Initiative voraussichtlich im Herbst 2020 oder Winter 2021.

Debatte zwischen Wirtschafts- und Umweltschaden

Die Mehrheit des Ständerats befand, der nationalrätliche Gegenvorschlag mit Haftungsregeln würden dem Wirtschaftsstandort Schweiz schaden.

Die Schweizer Gerichte würden zur «Weltjustizbehörde», kritisierte Beat Rieder (CVP/VS). Es würde sich um eine international einmalige Regelung handeln. Schweizer Unternehmen dürften in der Folge abwandern oder bestimmte Geschäftsfelder anderen überlassen, etwa chinesischen Unternehmen, die weniger Hemmungen hätten.

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Der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder. - Keystone

Ruedi Noser (FDP/ZH) warnte davor, aus Angst vor der Volksabstimmung Haftungsregeln zu beschliessen. Wenn solche beschlossen würden, könnten Schweizer Unternehmen nur noch in Ländern tätig sein, in denen sie eine Haftpflichtversicherung abschliessen könnten.

Thomas Hefti (FDP/GL) stellte fest, der schärfere Gegenvorschlag sei beinahe identisch mit der Volksinitiative. Es drohten missbräuchliche und erpresserische Klagen aus dem Umfeld von Konkurrenzunternehmen und negative Schlagzeilen.

Kommissionssprecher Stefan Engler (CVP/GR) bezeichnete die bundesrätliche Version als «zahnlos». Für Haftungsregeln machten sich indes primär Redner von SP und Grünen stark. Es gehe auch um den Ruf der Schweiz, sagte Christian Levrat (SP/FR). Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Initiative an der Urne gute Chancen hat.

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Christian Levrat, Parteipräsdient der SP und Ständerat für den Kanton Freiburg. - Keystone

Auch ein Teil der Wirtschaft sei dafür, sagte Levrat, und sprach das «Komitee für verantwortungsvolle Unternehmen», welchem bereits über 150 Unterstützende angehören. Mit dem Gegenvorschlag ohne Haftungsregeln würde die Schweiz nicht zu den fortschrittlichen Ländern gehören.

Daniel Jositsch (SP/ZH) stellte fest, der bundesrätliche Vorschlag führe bloss zu etwas mehr Transparenz und bringe letztlich nicht viel. In der schärferen Variante sei die Haftung gegenüber der Initiative stark eingeschränkt, es handle sich bereits um einen Kompromiss. Damit könne die Wirtschaft leben.

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Daniel Jositsch (SP), Ständerat Kanton Zürich. (Archivbild) - keystone

Thomas Minder (parteilos/SH) zog den Vergleich zu seiner Abzockerinitiative. Auch damals sei die Politik nicht im Stande gewesen, einen griffigen Gegenvorschlag zu beschliessen. In der Folge sei die Initiative angenommen worden.

Dem Gegenvorschlag des Nationalrats die Zähne gezogen

In der Bundesratsversion, die der Rat am Ende annahm, ist keine Haftungsregelung vorgesehen. Die Sorgfaltsprüfungspflicht beschränkt sich auf bestimmte Konfliktmineralien und Kinderarbeit. Zur Berichterstattung wären nur Gesellschaften des öffentlichen Interesses verpflichtet, eine Abstufung nach Risiken gäbe es nicht.

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