Selenskyj & Panzer: Neutralität für Anfänger und Fortgeschrittene
Das Wichtigste in Kürze
- Weder die Rede von Wolodymyr Selenskyj noch der Panzer-Verkauf seien nicht neutral.
- So die offizielle Haltung der Schweizer Institutionen.
- Wer etwas anderes behauptet, will wohl einfach nicht verstehen. Ein Kommentar.
In Anlehnung an Kermit (den Frosch) möchte man ausrufen: Es ist gar nicht so leicht, neutral zu sein. Klar, man hält sich einfach aus allem raus, nichts einfacher als das. Nur steht man dann einerseits mit dem Rücken zur Wand und anderseits ist nichts zu tun auch bereits ein Statement. Also definiert und erklärt man, für alle, die es verstehen wollen: Darum ist die Schweiz neutral.
Man muss nur wollen
Darum spricht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum Parlament. Darum stellt die Schweiz 25 Kampfpanzer Leopard 2 ausser Dienst. Alles im grünen Bereich, um noch einmal obigen Frosch zu bemühen. Denn: Wer es verstehen will, der versteht es auch, mahnt Verteidigungsministerin Viola Amherd.
Trotzdem war nicht allen wohl mit der Video-Schalte zu einem Ex-Komiker, der T-Shirts salonfähig gemacht hat. Für SVP-Nationalrat Erich Hess grenzt nur schon die Ausserdienststellung von Panzern an Landesverrat. SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi hat schon Mühe, wenn die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland mitträgt.
Wenigstens Selenskyj versteht uns
Nach Amherd’scher Lesart wollen die wohl einfach – aus politischen Gründen – nicht verstehen, denn auf den Kopf gefallen sind sie ja nicht. Sanktionen gegen diverse Nationen trägt die Schweiz schon seit Jahrzehnten mit, die Panzer gehen an den deutschen Hersteller und nicht an die ukrainische Front. Sagt der Bundesrat – verstanden?
Sollte die Schweiz ihre Neutralität in Bezug auf den Ukraine-Krieg überdenken?
Verstanden hat auch Wolodymyr Selenskyj. Seine Ansprache ist auf die Schweiz zugeschnitten: keine Forderung nach Kampfjets wie in Deutschland oder Langstreckenraketen wie von den USA. Selenskyj versteht, dass die Schweiz anders ist, oder es zumindest zu sein glaubt. Es ist nicht an ihm, dies zu hinterfragen, denn in seiner Situation hat er gar keine Wahl, als verstehen zu wollen.
Stattdessen streicht er heraus, wie froh die Ukraine um jedes Geschütz, jede Sanktion und jede Verurteilung gemäss Genfer Konventionen ist. Er lobt die Schweiz, dankt für alles, was sie tut und nicht gleichgültig bleibt. Dass die Schweiz das Feld jeweils von hinten aufrollt – Genfer Konventionen sofort und bei Sanktionen wird’s dann schon bald schwierig – sagt er nur zwischen den Zeilen.
Da hat aber jemand nicht gut aufgepasst
Neutralität ist nicht einfach, aber man kann sie verstehen, wenn man den Erläuterungen von Bundesrätin Viola Amherd zuhört. Stimmt das denn auch? Ich bin ziemlich sicher, dass sie es nicht ausschliesslich auf Walliserdeutsch gesagt hat. Trotzdem heisst es heute auf diversen deutschen Online-Portalen: Schweizer Panzer gelangen via Deutschland in die Ukraine.
Die 25 Leopard-2-Panzer seien vom Nationalrat schon mal freigegeben worden, schreiben unter anderem FAZ, Merkur, Focus, RTL und Handelsblatt. Und weiter: «Berlin will sie aufrüsten und an die Ukraine weiterleiten.» «Das ist falsch», bestätigt das VBS auf Hinweis von Nau.ch, man werde dem nachgehen.
Was nicht viel nützen wird, denn ganz offensichtlich will man uns – aus politischen Gründen? – einfach nicht verstehen. So blöd können die doch gar nicht sein?