Die Eintretensdebatte zeigt, dass sich der Nationalrat bei der Revision des Sexualstrafrechts wohl für die Zustimmungslösung aussprechen dürfte.
ja heisst ja
Eine Aktivistin von Amnesty International Schweiz hängt Damenunterwäsche an eine Wäscheleine, in einer Aktion zur Petition «Nur Ja heisst Ja». Im Ständerat hatte die Forderung keinen Erfolg. Er beschloss die Widerspruchslösung, also «Nein heisst Nein.» Nun ist der Nationalrat am Zug. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Nationalrat ist oppositionslos auf die Revision des Sexualstrafrechts eingetreten.
  • In der Detailberatung geht es um die «Modellwahl»: «Ja heisst Ja» oder «Nein heisst Nein».

Nach einer rund zweistündigen Grundsatzdebatte ist der Nationalrat am Montag oppositionslos auf die Revision des Sexualstrafrechts eingetreten. In der Detailberatung geht es insbesondere um die «Modellwahl» bei der Verschärfung der Vergewaltigungsbestimmungen.

Die Eintretensdebatte zeigte, dass die grosse Kammer in dieser Frage vermutlich ihrer vorberatenden Kommission folgen und sich für die Zustimmungslösung aussprechen dürfte.

Einen sexuellen Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung beginge demnach, wer «ohne die Einwilligung» einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt. Es würde also «Nur ein Ja ist ein Ja» gelten.

Frauenstreik 2022 Bern
«Nur Ja heisst Ja»: Das Sexualstrafrecht mobilisierte auch am Frauenstreik 2022. - Keystone

Für die Zustimmungslösung sprachen sich in der Eintretensdebatte im Nationalrat die Fraktionssprecherinnen und Sprecher der SP, GLP und der Grünen aus. «Ein unangebrachtes Weltbild» steckt für Judith Bellaiche (GLP/ZH) hinter der Modellwahl des Ständerates für die Widerspruchslösung. «Konsens ist nicht fehlender Dissens, sondern ein fundamentaler Aspekt von Freiheit und Selbstbestimmung.»

FDP und Mitte gespalten

Gespalten sind die FDP und die Mitte, jeweils eine Mehrheit will sich wie der Ständerat der Widerspruchslösung, also «Nein heisst Nein», anschliessen, eine Minderheit ist für die Zustimmungslösung.

Aber egal, welches Modell der Rat letztlich wähle, das revidierte Gesetz sei ohnehin ein «Quantensprung», weil die Nötigung als Tatbestandsmerkmal für eine Vergewaltigung wegfällt, wie Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) erinnerte. «Ein Opfer muss sich also nicht mehr wehren, das ist das wirklich Wichtige an dieser Vorlage.»

Philipp Matthias Bregy Mitte
Philipp Matthias Bregy (VS), Fraktionspräsident der Mitte. (Archivbild) - Keystone

Die SVP trat zwar ebenfalls auf die Vorlage ein und sprach sich für die Widerspruchslösung aus. Sie behält sich aber vor, die Vorlage am Schluss abzulehnen, falls die Strafen nicht hoch genug festgelegt werden sollten.

Der Ständerat hatte sich in der Sommersession 2022 mit 25 zu 18 Stimmen für die Ablehnungslösung respektive Widerspruchslösung entschieden, wonach sich strafbar macht, wer solche Handlungen «gegen den Willen» einer Person vornimmt. Es soll also «Nein heisst Nein» gelten.

Ständerat will Vergewaltiger zwingend im Gefängnis

Zweiter Knackpunkt: Der Ständerat will etwa, dass Vergewaltiger künftig zwingend ins Gefängnis müssen. Die Mindeststrafe soll deshalb bei mindestens zwei Jahren Freiheitsentzug liegen, damit ein Täter nicht mehr mit einer bedingten Gefängnisstrafe davonkommt.

Die vorberatende Nationalratskommission dagegen schlägt eine minimale Freiheitsstrafe von einem Jahr vor, will den bedingten Vollzug also nicht ausschliessen, um den Gerichten im Einzelfall mehr Spielraum zu geben.

Ständerat
Der Ständeratssaal im Bundeshaus in Bern. - Keystone

Mit der Revision will der Bundesrat das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre anpassen. Er will, dass Gewalt- und Sexualdelikte, die oftmals an Frauen und Kindern begangen werden, künftig härter bestraft werden. Mit der Vorlage soll auch das Verhältnis der Strafrahmen der Strafgesetzgebung besser aufeinander abgestimmt werden.

Justizministerin Karin Keller-Sutter warnte aber vor zu hohen Erwartungen, man mache zwar einen wichtigen Schritt, aber Beweisschwierigkeiten würden damit nicht beseitigt. Auch in Zukunft werde es mehrfache Befragungen von Tätern und Opfern brauchen. Und der Paradigmenwechsel müsse auch bei allen Behörden ankommen.

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