Insbesondere in Gemeinden, die bereits Klimamassnahmen in der Schublade haben, haken lokale Grünen-Politikerinnen jetzt nach. Die Klimaseniorinnen freut's.
EGMR-Urteil Klimaseniorinnen Klimaschutz Menschenrechte
Die Klimaseniorinnen jubeln nach dem Gerichtsurteil aus Strassburg. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Klimaseniorinnen-Urteil beflügelt Grünen-Politikerinnen auf lokaler Ebene.
  • Mit Vorstössen haken sie nach, was mit versprochenen Klimamassnahmen der Gemeinden gehe.
  • Genau das brauche es jetzt, heisst es bei den Klimaseniorinnen.
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Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, zugunsten der Klimaseniorinnen, war die Aufregung zunächst gross. Weder Befürworter noch Gegner hatten wirklich mit einem Erfolg auf ganzer Linie für ein paar nette ältere Damen gerechnet.

Schon wenige Tage später reagiert die Politik aber ganz konkret. Allerdings nicht auf nationaler Ebene durch Bundesrat und Parlament, sondern in Kantonen und Gemeinden. Vor allem Politikerinnen und Politiker der Grünen lancieren Vorstösse im Stil von «wir fragen ja nur». Sehr zur Freude der Klimaseniorinnen.

«Dank unserem Mega-Riesen-Sieg»

So im Kanton Bern. Dort wollen die Grünen von der Kantonsregierung einfach mal wissen, wie das Urteil aus Strassburg die bernische Klimapolitik beeinflusse. Schliesslich hat sich der Kanton Bern Klimaziele gegeben und will alle Geschäfte prioritär behandeln, die den Klimawandel abschwächen können.

Meret Grob Pia Hollenstein
Pia Hollenstein (rechts) vom Vorstand der Klimaseniorinnen freut sich über den Vorstoss der Grünen Wiler Stadtparlamentarierin Meret Grob (links). - Instagram/@meretgrob / klimaseniorinnen.ch

Die Gemeinde Wil SG hat, zusammen mit einem knappen Dutzend anderer Gemeinden und einigen Kantonen, schon 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Fragen kostet nichts, hat sich wohl Stadtparlamentarierin Meret Grob von den Grünen gedacht und eine Interpellation eingereicht. Unterschrieben hat die gesamte Grüne Fraktion: «Was bedeutet das Urteil des EGMR zur Klage der Klimaseniorinnen für die Stadt Wil?» Zum Beispiel bei der Hitzeminderung in der Stadt, die man schon vorgespurt, aber noch nicht umgesetzt hat.

Für Pia Hollenstein vom Vorstand der Klimaseniorinnen ist nicht überraschend, dass nun auch auf lokaler und regionaler Ebene nachgehakt wird: «Dank unserem Mega-Riesen-Sieg ist das Bewusstsein für Klimaschutzmassnahmen wieder in den Köpfen», sagt sie zu Nau.ch. «Deshalb erinnern sich viele, dass man auch auf lokaler Ebene schon Massnahmen angedacht hat.»

Projekte aus Schubladen holen statt auf den Bundesrat warten

Das historische Urteil habe die Grünen in der ganzen Schweiz bewegt, bestätigt auch die neue Parteipräsidentin Lisa Mazzone. Die Rahmenbedingungen müssten national festgelegt, aber auch auf lokaler Ebene umgesetzt werden. «Dort kann man schnell handeln», zum Beispiel in Bereichen wie Verkehr, Solarenergie oder Gebäudesanierungen.

wil st. gallen
Wil SG. (Symbolbild) - Google

«Es ist ja auch elegant», findet Klimaseniorin Hollenstein: «Gemeinden wissen ja, dass sie sehr viel Handlungsbedarf haben. Da brauchen sie nicht zuerst auf den Bundesrat zu warten.» Gerade in Gemeinden wie Wil SG, wo der Klimanotstand schon deklariert ist: «Die haben das alles schon in den Schubladen. Darum macht der Vorstoss Sinn: Er eröffnet die Chance, dies jetzt anzupacken.»

Druck national erhöhen: «Es muss!»

Hollenstein rechnet denn auch damit, dass der Druck «von unten» auf die nationale Politik noch zunimmt. Lies: dass da auf lokaler Ebene noch mehr kommt. «Es muss!», sagt sie dezidiert, «Vorstösse fördern die dringliche Umsetzung.»

Grüne Klimasenriorinnen LIsa Mazzone
Freude bei den Grünen über das Urteil zugunsten der Klimaseniorinnen: Präsidentin Lisa Mazzone (Mitte), Nationalrätin und Fraktionschefin Aline Trede (l.) und Nationalrat Christophe Clivaz. - keystone

Davon geht auch Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone aus. In der eigenen Gemeinde merke man auch unmittelbar, dass Klima und Umweltschutz für ein besseres Leben wirkten: «Es beginnt vor der Haustüre.» Ganz unabhängig vom Urteil müsse man Klimamassnahmen auf lokaler Ebene konkretisieren.

Sowohl Mazzone wie Hollenstein betonen aber, dass in allen Fällen demokratisch entschieden werde. «Die Schweiz muss und darf die spezifischen Klimaschutzmassnahmen autonom umsetzen», heisst das in den Worten von Pia Hollenstein.

Es geht auch ohne Klimaseniorinnen

Dass diesbezüglich so oder so einiges im Gang ist, zeigt ein Vorstoss im Grossen Rat von Basel-Stadt. Basel hat als erste Schweizer Region den Klimanotstand ausgerufen und hat ebenfalls diverse Projekte in der Schublade. Zum Beispiel Hitzebekämpfung mittels Baumtöpfen und Sonnenschirmen.

Also hat auch die Grüne-Grossrätin Raffaela Hanauer Mitte April nachgefragt, wie es denn nun damit weitergehe. Dass sich Städte mit Hitzebekämpfung auseinandersetzen müssten, sei schon vor dem Strassburger Urteil klar gewesen, sagt Hanauer: «Es gibt auch bereits diverse Städte, von Zürich bis Yverdon, die sich mit Baumpflanzungen beschäftigen.»

Raffaela Hanauer
Raffaela Hanauer sitzt für die Grünen im Grossen Rat von Basel-Stadt. - Grosser Rat Basel-Stadt

Anders als in Bern oder Wil SG werden in ihrer Motion die Klimaseniorinnen denn auch mit keinem Wort erwähnt. Auslöser sei in ihrem Fall nicht per se das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gewesen, sagt Hanauer. «Aber es gibt ihm natürlich Rückenwind.»

Obwohl eigentlich «die Debatte in der gesamten Gesellschaft angekommen ist», wie Raffaela Hanauer festhält. Denn ihren Vorstoss haben Mitglieder sämtlicher Grossratsfraktionen mitunterzeichnet, von Grünen über Grün- und andere Liberale bis hin zu SVPlern.

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