«Mikro-Management»: Sollte Landwirtschaftspolitik einfacher werden?
Der Bundesrat hat seine Landwirtschaftsverordnungen angepasst. Bauern klagen über Mikro-Management – andere sehen die Schuld auch in der Branche.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Landwirtschaftspolitik und deren Schwerpunktsetzung werden immer komplexer.
- Manche Bäuerinnen und Bauern fühlen sich dadurch zu sehr eingeengt.
- Andere sagen, es sei grundsätzlich gut, werde die Teilnahme an Programmen entschädigt.
Zusätzliche Direktbeiträge für Herdenschutz, Biodiversitätsbeiträge, Solaranlagen, Zielsetzung zum Nährstoffverlust: Am Mittwoch hat der Bundesrat seine Landwirtschaftsverordnungen für dieses Jahr angepasst und verabschiedet. Wie üblich ist die Agrarpolitik des Bundes aber umstritten.
Manche Bauern fühlen sich vom Bund «micro-managed» – was auf gut Deutsch bedeutet, unter strenger Aufsicht zu stehen. Eine von ihnen ist Katja Riem, neu gewählte SVP-Nationalrätin aus Boll BE. Sie arbeitet momentan im Unternehmen ihrer Eltern, einer Weinkellerei, ist aber gelernte Landwirtin, Winzerin und studierte Agronomin.

Dieses Mikro-Management hat laut Riem die Arbeit von insbesondere jungen Landwirtinnen und Landwirten komplizierter gemacht. «Politisch besteht kaum Planungssicherheit, das muss sich ändern», sagt sie auf Anfrage. Kurzfristige und umfassende Änderungen hält die junge Politikerin für nicht zielführend.
Darauf angesprochen, welche Verordnungen genau dieses Mikro-Management verkörpern, antwortet Katja Riem: «Eigentlich fast alle Entscheide.» Ein «gutes Beispiel» findet sie aber jene über die Zielsetzung des Nährstoffverlusts im Boden.
Regelung zu Nährstoffverlusten «zu allgemein»
Die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben hatte 2019 verlangt, Risiken beim Pestizideinsatz für Mensch, Tiere und Umwelt zu verringern. Der Bundesrat musste nach Annahme der Initiative bestimmen, wo Risiken vorhanden seien, und wie gegen diese vorzugehen sei.

Das hat er im April 2022 gemacht: Bis 2030 sollen Verluste von Stickstoff und Phosphor um mindestens 20 Prozent reduziert werden. Das Parlament hat dies als zu hoch erachtet und den Bundesrat aufgefordert, die Zielsetzung nach unten anzupassen. Neu gilt für Stickstoffverlust ein 15-Prozent-Ziel.
Für Katja Riem ist die neue Regelung zu allgemein: «Sie wird den unterschiedlichen Betriebsstrukturen überhaupt nicht gerecht.»
Anders sieht das Kilian Baumann. Der Berner wurde mit glanzvollem Resultat wieder in den Nationalrat gewählt. Als Biobauer vertritt er einen ökologischeren Kurs als die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen im Parlament.
Er sagt zum Verordnungspaket: «Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass die zunehmende Beteiligung an den Programmen weiterhin genügend und fair entschädigt wird.» Bäuerinnen und Bauern, die ein gutes Gleichgewicht zwischen Produktion, Biodiversität und Tierwohl fänden, bräuchten nicht nur Wertschätzung.

Dann müssten «die entsprechenden Töpfe mit den notwendigen Mitteln ausgestattet» werden: Er spricht hier die Beiträge für die Teilnahme an sogenannte «agrarökologische Produktionssysteme» an.
Schweizer Betriebe haben sich gemäss Bund dieses Jahr «wesentlich» stärker an die Produktionssysteme beteiligt, als ursprünglich angenommen. Das gilt insbesondere für Programme für das Tierwohl, die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und den effizienteren Stickstoffeinsatz im Ackerbau.
«Landwirtschaft teilweise selbst Schuld am Mikro-Management»
Um diese grosse Beteiligung in den nächsten Jahren finanzieren zu können, müssen die Beiträge reduziert werden. Diese Kürzungen kommen zu jenen hinzu, die zur Entlastung des Bundesbudgets schon vorgesehen sind.
Zum Mikro-Management sagt Kilian Baumann, es seien sich «eigentlich alle einig»: Die Landwirtschaftspolitik sei immer komplexer geworden, so auch das Direktzahlungssystem. «Hier braucht es ganz klar in Zukunft Vereinfachungen», sagt der Grünen-Nationalrat.
«Die zunehmende Komplexität kann man aber nicht einzig den Ämtern zuschreiben», betont Baumann. «Sie ist teilweise auch hausgemacht, durch die Micro-Schritte seitens Landwirtschaft.» Würde die Branche mutigere Schritte machen und ganzheitliche Ansätze vertreten, sähe die Politik besser aus: «Praxistauglicher und weniger komplex», so Baumann.