Mietrecht: Bürgerliche machen Linken ein Wahlkampf-Geschenk
Die Bürgerlichen haben sich beim Mietrecht im Parlament letzte Woche durchgesetzt. Doch dies könnte der Linken sogar nützen.

Das Wichtigste in Kürze
- Links-Grün ist verärgert über Mietrechts-Entscheide der bürgerlichen Mehrheit.
- Doch die Niederlage könnte zum Wahlkampf-Geschenk werden.
- SP und Grüne glauben, das Stimmvolk bei diesem Thema auf ihrer Seite zu haben.
Selbst einen Tag später löste das Stichwort «Mietrecht» bei Mietervertreterin und SP-Nationalrätin noch verächtliches Schnauben aus. Auf dem Balkon des Bundeshauses war ihre Laune am Mittwoch ähnlich trüb wie die wolkenverhangene Aussicht auf Gurten und Alpen. Die bürgerliche Mehrheit hatte am Dienstag bei den Bestimmungen für Untermiete und Miet-Kündigungen entscheidende Pflöcke eingeschlagen. Nota bene sogar gegen den Willen des Bundesrats.
Ein Steilpass zum Eigengoal?
Für Ratskollegin Katharina Prelicz-Huber ist die Verärgerung nachvollziehbar: «Die bürgerliche Mehrheit hat aktuell das Gefühl, mit sämtlichen Eigeninteressen durchzukommen. Auch wenn es an den Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung vorbeigeht.» Das zeige sich beispielsweise auch bei der Diskussion um die Altersvorsorge.

Anders als bei den komplexen Abwägungen um Rentenalter und Mindestumwandlungssätze könnte es eine kurze Freude auf bürgerlicher Seite werden. «Wenn es um das Recht auf Wohnen geht, könnte es zum Eigengoal werden und Grün-Rot helfen», glaubt Katharina Prelicz-Huber. «Schliesslich kämpfen wir für erschwinglichen Wohnraum für alle.»

Die Hoffnung ist bei SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann gar zur Gewissheit geworden. «Inhaltlich ist der Entscheid natürlich schlecht. Aber die Bürgerlichen haben uns damit ein Geschenk für den Wahlkampf gemacht», sagt er zu Nau.ch.
Die Linke bedankt sich für ein Wahlkampf-Thema mit Zugkraft. Und dies gerade jetzt, wo Politologen eher nicht mehr mit einer Klima-Wahl rechnen, die 2019 ausschlaggebend war.
Mietrecht: Thema mit Potenzial
Mieter-Anliegen sind aktuell, mit Schlagworten wie Wohnungsmangel und den Wohnungskündigungen zugunsten von Flüchtlingen. Die Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden, die auch im Vorstand des bernischen Mieterverbands sitzt, skizziert das Szenario. Die Immobilienwirtschaft im Bundeshaus wolle den Mieterschutz schwächen, aber: «Das Referendum dagegen droht.»

Ein Referendum, oder gar mehrere, bei denen sich die Linken siegessicher geben, schliesslich sei Wohnen ein Grundbedürfnis, betont Prelicz-Huber. «Viele haben aber heute Mühe, eine Wohnung zu finden – selbst Personen aus dem Mittelstand.» Zwar könnten die Referenden wohl erst nach den Wahlen zur Abstimmung kommen. Aber über die eigene Basis hinaus Wähler abholen könnten SP und Grüne allemal.
Die Anliegen der Bürgerlichen: Die Untermiete selbst nach dem Urteil von Juristen mit nicht nachvollziehbaren Bestimmungen zu erschweren, oder Kündigungen wegen «Eigenbedarf» zu erleichtern. Das spiele der Gegenseite in die Hand, findet Prelicz-Huber: «Noch weniger Möglichkeiten zu haben, sich gegen Mieterhöhungen oder gar Rauswurf wehren zu können, goutiert die Bevölkerung nicht.»
Ball liegt bei SVP-Bundesrat
Was es stattdessen brauche, liest sich wie eine Antithese: gemeinnützigen Wohnungsbau, Mietzinskontrollen, Begrenzung der Renditen, Transparenzvorschriften, zählt Natalie Imboden auf. Doch sind dies weitgehend auch die Rezepte, die auch Experten dem Bund in einem Bericht von 2013 empfehlen.

«Die Vorschläge liegen auf dem Tisch», betont deshalb Imboden. «Wohnbau-Minister Guy Parmelin ist gefragt, jetzt rasch ein Massnahmenpaket zu bringen.» Ob das noch vor den Wahlen reicht? Selbst wenn, müssten Mitte, FDP und SVP dann Farbe bekennen und das «linke» Thema Mietrecht wäre erst recht lanciert.