Longchamp: 2026 wird kontroverser, heftiger und interessanter
Politologe Claude Longchamp mit dem Ausblick auf das kommende Jahr: Themen, Parteien und emotionale Kampagnen.
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Das Wichtigste in Kürze
- Radikal anders: 2026 wird ein Jahr wichtiger Volksentscheide, sagt Claude Longchamp.
- Welche Partei startet aus der Pole Position – und welche aus der hintersten Reihe?
- Der Politologe mit einem Ausblick auf das kommende Jahr.
Während das Jahr 2025 von grossen Weichenstellungen geprägt war, hatte dazu das Stimmvolk nicht viel Gelegenheit, mitzubestimmen. Nicht so 2026: «Das wird sich radikal ändern gegenüber 2025», sagt Politologe Claude Longchamp.
Im Nau.ch-Talk blickt er voraus auf die anstehenden Themen und wie die Parteien aufgestellt sind. Aber auch, wie sich der Kampagnenstil mit der (erneut) zunehmenden Digitalisierung ändert, und nicht unbedingt zum Guten.
Die wohl grösste Entscheidung macht (noch) nicht das Volk
2026 gebe es sicher eine Beschleunigung in Sachen Volksentscheide, sagt Longchamp. «Das merkt man bereits bei den Themen, die im März zur Abstimmung gelangen, insbesondere die SRG-Initiative.» Und selbst die möglicherweise im Juni traktandierte Abstimmung zur 10-Millionen-Initiative der SVP werfe bereits ihre Schatten voraus.

Viele verschiedene Themen und wohl schon im Januar die volle Kampagnendynamik: «Insofern wird die Innenpolitik sicher kontroverser, heftiger, auch interessanter gegenüber dem 2025.»
Hinzu komme auch noch ein Punkt, zu dem es 2026 noch keine Volksabstimmung gebe: «Das Parlament wird einen Entscheid fällen zur Europapolitik.»
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Vorgespurt vom Bundesrat und auch in den meisten Fraktionen: SVP dagegen, SP und Grüne dafür, Mitte und FDP unter Bedingungen ebenfalls. «Aber das ist wohl die grösste politische Entscheidung, die ansteht.»
Parteien haben «ihre» Themen gesetzt
Was für 2026 aber auch eine Rolle spielen wird: Die grosse Konsensbildung sei vorbei, so Longchamp, aber: «Aber wir haben den kleinen Konsens.» Das heisst SVP, FDP und Mitte, oder, weniger häufig, Mitte-Links.
Denn, so zeigen Auswertungen: Die Parteien überlappen in ihrer Ausrichtung nicht mehr.
In den Worten des Politologen: «Das Parteiensystem hat sich aussortiert. Es hat seine Zielgruppen gefunden, seine Position gefunden. Und die Geschichten gefunden, mit denen man in die nächsten Wahlen steigen will im 2027.»

Man wisse genau, wer in die Zielgruppe gehöre und mit wem und für wen man Politik machen wolle. Das habe aber auch zur Folge, dass sich die ganz grossen Veränderungen auf eine Frage reduziert hätten: «Gewinnt die SVP noch dazu und welche der Anderen können sich halten oder müssen an die SVP Wähler abgeben?»
SVP in der Pole Position
Denn die SVP habe sich verstärkt: Sie habe einen neuen Auftritt, ein neues Präsidium und Influencer auf Social Media eingesetzt. Als kommunikativ führende Partei habe sie sich mehrfach profiliert.
Dass SVP so gut positioniert ist, hat sie in den vergangenen Monaten bewiesen: «Sie hat die kantonalen Wahlen weitestgehend gewonnen», betont Politologe Longchamp.
Die SP sei solide aufgestellt, mit Abstrichen vielleicht die Grünen: «Die Grünen haben in den Kantonen immer noch etwas Nachholmühe aus dem 2019», so Claude Longchamp weiter: Doch eigentlich seien sie inhaltlich besser aufgestellt als auch schon.
Schlusslicht FDP?
Den Druck des Erfolgs der SVP spüre die FDP, welche ihre Position deshalb noch nicht gefunden habe. Das gelte auch für die Mitte, die nach der Fusion von CVP und BDP profitierte. Nach einer Fusion die nächsten Wahlen zu gewinnen, das beobachte man fast überall, sagt Longchamp dazu. «Aber man gewinnt die zweite nicht automatisch auch» – weshalb sich das neue Präsidium jetzt bewähren müsse.

Für Claude Longchamp ist die FDP am schlechtesten aufgestellt. «Sie zeigt zwar unglaubliche Aktivität, unglaublichen Willen, aber gleichzeitig auch unglaubliche Zerstrittenheit.»
Richtungskämpfe bei fast jedem Thema, inklusive der Europafrage. Und beim eigentlichen FDP-Thema Individualbesteuerung: «Neuerdings kündigt sich sogar an, dass sogar FDP-Kantone nicht mitmachen werden.»
Kampagnen 2026: Emotionen statt Inhalte
Mit Sorge verfolgt der Politologe die Entwicklung bei den Kampagnen. Seit der Pandemie habe die digitale Kommunikation jedes Jahr an Bedeutung gewonnen. Sie hat einen grossen Vorteil: Man kann die Zielgruppen viel besser angehen, kann für die Zielgruppen viel besser kommunizieren, als das möglich wäre via Massenmedien.»
Der Nachteil: Das Inhaltliche leide und das Emotionale werde gestärkt. «Man spricht von ‹affektiver Polarisierung›: Man greift in erster Linie den Gegner an, aber nicht inhaltlich, man sagt nicht, was man anders machen würde.»
Stattdessen unterstelle man, der Gegner machte alles schlecht und konstruiere möglichst schnell einen Skandal um die prominenteste Person herum. «Das ist eine Negativ-Erscheinung, die sich mit der Digitalisierung sehr verbreitet hat. Und eigentlich das Kampagnengeschehen heute sehr stark prägt», gibt Claude Longchamp zu bedenken.








