Nächste Woche gehen die Bundeshausfraktionen der Parteien auf ihren jährlichen Ausflug. Wer Klischees sucht, findet sie hier. Ein Kommentar.
fraktionsausflug
Die SP auf ihrem Fraktionsausflug nach Cheyres FR in Jahre 2021. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundesparlamentarier gehen nächste Woche auf den Fraktionsausflug.
  • Die Programme lassen keine Wünsche offen, sind aber voller Klischees.
  • Absicht oder gefangen in der Bubble? Ein Kommentar.
Grünliberale Fraktionsausflug Vigier
Die Fraktion der Grünliberalen besichtigten 2019 die Vigier-Betonfabrik mit dazugehörigem Steinbruch und grösstem Elektrofahrzeug der Schweiz. - Nau.ch

Nein, hier soll nicht darüber gelästert werden, dass gewählte Volksvertretende das süsse Nichtstun nur dann unterbrechen, wenn ein Apéro ansteht. Denn so ist das ja nicht. Sie tun schliesslich auch noch anderes, sonst gäbe es aussen an der Wandelhalle ja nicht noch einen Raucherbalkon.

Fraktionsausflüge: Völlig im Rahmen

Aber im Ernst: Mitte nächste Woche dürfen sich die Parlamentarier eine Pause gönnen und gehen auf den Fraktionsausflug. Ja, sie dürfen, wirklich, denn die meisten arbeiten wahrscheinlich ähnlich hart wie Sie und ich, auch wenn man das ihnen nicht immer ansieht. Ha, eine weitere Gemeinsamkeit mit mir!

Fraktionsausflug, das heisst: Ab Mittag verreisen alle National- und Ständeräte einer Partei, plus allfällige Bundesräte, Fraktionsmitarbeiter und Gäste gemeinsam. Man macht einen sowohl geselligen wie lehrreichen Ausflug – per Car, Zug, Schiff – und natürlich gibt es ab und zu einen Apéro. Manchmal noch einen mehr, je nachdem wie man zählt, und je nachdem wie gut man noch zählen kann. Und ein Nachtessen.

Fraktionsausflug Simonetta Sommaruga
Simonetta Sommaruga auf dem SP-Fraktionsausflug 2019 hoch über dem Genfersee. - Nau.ch

Eingeladen sind jeweils auch Bundeshausjournalisten und der Schreibende kann Ihnen bestätigen: Man lernt wirklich dazu, auf mehreren Ebenen. Es ist immer interessant, denn von alleine wäre man ja nicht auf die Idee gekommen, eine Betonfabrik oder einen Handcrème-Hersteller zu besuchen.

Man lernt Leute und Themen mal etwas anders kennen. Insofern ist die Institution Fraktionsausflug also eine sinnvolle Tradition, wie andere Team-Events auch. Das ist nicht das Problem.

Das Problem

Das Problem ist, dass die Parteien beziehungsweise die Fraktionen sich sehr wenig Mühe geben, nicht in Klischees zu verfallen. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt: Es ist schon eine beachtliche Leistung, wie zielsicher die Fraktionsausflug-OKs immer neue Varianten finden, wie sie Klischees bestätigen könnten.

Die Programme in der Übersicht: «Die Mitte» geht ins Walliser Weindorf Salgesch, absolviert eine Führung im Weinmuseum und ein «sensorischen Weinerlebnis». Das «C» nicht mehr im Parteinamen, aber ohne das Blut Christi geht es halt doch nicht – es wär zum Heulen, wenn es nicht zum Weinen wäre.

Grüne Fraktionsausflug FiBL
Einladung der Grünen zum Fraktionsausflug. - zvg / Nau.ch

Die Grünen besichtigen im Fricktal das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Weil gerade die Grünen ja noch nicht so wissen wie das mit diesem Bio geht, gell. Obstbau-Anlage, FiBL-Hof, Weingut und zum Apéro gibt es gemäss Einladung Rüebli- und Gurken-Sticks.

U(h)ralte Traditionen

Die FDP lauscht zwar untypischerweise einem Orgelkonzert, besucht zuvor aber «verschiedene Traditionsfirmen in Grenchen und Umgebung». Weil die FDP die Partei des Unternehmertums ist, und das seit 1894.

Läderach Schokolade Fabrik
Das «House of Läderach» in Bilten GL. - glarnerland.ch

Die SVP reist ins Glarnerland und besichtigt eine Schoggifabrik und einen Schieferabbaustollen. Nicht irgendeine Schoggifabrik, sondern die von Läderach, was natürlich reiner Zufall ist, dass die auch wegen ihrer prononcierten politischen Haltung in den Schlagzeilen war. Zu Schiefer fällt mir jetzt spontan auch grad nichts ein, aber irgendwas war doch mit «SVP» und «Urgestein»… na, egal.

Keine Cüpli-Sozis, aber die GLP in höheren Sphären

Die SP reist ins Val de Travers und will sich wirklich nicht festlegen. Man hat die freie Wahl aus drei Optionen. Entweder die Asphaltminen von La Presta, das tönt spannend, das ist Arbeiterklasse pur. Oder das «Musée Jean-Jacques Rousseau» für den geneigten Bildungsbürger. Verschwiegen habe ich die erste Option, weil, die interessiert wohl eh niemanden und SPler trinken ja lieber Cüpli als Schnaps: Das «Maison de l’Absinthe». Wie, was sagen Sie, Absinth gehört zu den Wermutspirituosen? Und jetzt?

Einladung Grünliberale Fraktionsausflug
Einladung der Grünliberalen zum Fraktionsausflug an die ETH (Ausriss). - zvg

Die Grünliberalen, originell wie sie sind, besuchen die ETH Zürich am Hönggerberg und lassen sich dortselbst über «nachhaltige Energieversorgung sowie den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz» informieren. Die haben das gerade nötig, die! Doch für Abwechslung ist gesorgt: Man freue sich auf den Austausch mit Astronom und Nobelpreisträger Didier Queloz. So simpel ist das.

Fraktionsausflüge: Völlig übertrieben?

Also wirklich. Man hat den Eindruck, das Programm der Fraktionen werde nur für die Gäste zusammengestellt, insbesondere die Journalisten. Um denen mal zu zeigen, was die wirklich wichtigen Themen sind, wo der Schuh drückt, inklusive der besten Lösung aller Zeiten dazu.

Oder dann wollen sich die Parlamentarier einen entspannenden Ausflug gönnen, bei dem sie nicht auch noch mitdenken müssen. Kuschelig in der immergleichen Bubble. Man kann es also wirklich auch übertreiben.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Alle Ausflüge tönen wirklich sehr reizvoll und vielen Dank für die Einladung. Aber vielleicht sollten die Fraktionen auch mal andere einladen. Zum Beispiel die anderen Fraktionen.

SVPler werden auf dem Biohof mit Rüebli gefüttert, die GLP ertränkt ihre Ideen in Wermut. Wermuth muss Läderach-Schoggi probieren und Didier Queloz entdeckt für die Grünen einen zweiten Planet Erde. Schaden kann’s nicht.

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