Zahnbehandlungen sollen in die obligatorische Krankenversicherung aufgenommen werden. Damit will eine Nationalrätin zwei Phänomenen entgegenwirken.
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Zahnärztliche Behandlung sollen Teil der obligatorischen Krankenversicherung sein, findet Katharina Prelicz-Huber (Grüne/ZH). - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Schweizer Patienten lassen ihre Zähne im Ausland behandeln – es kostet weniger.
  • Das müsste aber nicht sein, sagt Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber.
  • Sie will, dass Zahnbehandlungen in der obligatorischen Versicherung aufgenommen werden.
  • Das würde auch viele andere gesundheitliche Probleme verhindern, sagt die Politikerin.
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Die deutsche Privatklinik Dorow hat Standorte unweit von der Schweizer Grenze. Sie bietet Schönheitsoperationen und Zahnbehandlungen an: Patientinnen und Patienten aus Basel, Volketswil ZH und Bottmingen BL zeigen sich in Rezensionen höchst zufrieden mit dem Service.

Zahnärzte Deutschland Schweizer Grenze
Zahnärzte im grenznahen Deutschland werben explizit auch bei Schweizer Patientinnen und Patienten für ihre zahnärztlichen Behandlungen. - Screenshots

Viele Schweizerinnen und Schweizer gingen nach Deutschland, Ungarn oder in die Türkei für eine Zahnbehandlung, sagt Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (Grüne/ZH). Das nehme die Zürcherin ihnen nicht übel, sagt sie, schliesslich sei es billiger und gut beworben. Aber sie hat vor, ausländische Behandlungen weniger attraktiv zu machen.

«Im schlimmsten Fall endet es mit einem Herzstillstand»

Wie Prelicz-Huber gegenüber Nau.ch schildert, soll die obligatorische Krankenversicherung zahnärztliche Behandlungen in ihren Katalog aufnehmen. Dafür hat die Grüne vor über einem Jahr eine parlamentarische Initiative eingereicht: Präventive Behandlungen wie Dentalhygiene, Behandlung einer Erkrankung des Kausystems sollen übernommen werden – nicht aber Schönheitseingriffe.

Primär würde damit ärmeren Menschen Zugang zu zahnmedizinischen Leistungen verschafft, sagt die Nationalrätin: «Das BAG sagt ja, man soll alle Prävention machen, die man kann. Aber die Dentalhygiene ist nicht gratis und eine Kontrolle beim Zahnarzt auch nicht.»

Ungefähr 400 Franken pro Jahr für vorsorgliche Pflege sei oft einfach zu teuer. «Das ist für viele Leute streichbar, weil sie es sich nicht leisten können und weil es nicht so schlimm erscheint.» Dabei könnten Zahnprobleme schnell ein grosses gesundheitliches Problem werden, erklärt Prelicz-Huber.

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Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (ZH) an einer Medienkonferenz.
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Alle Menschen sollen Zugang zu präventiver Zahnpflege haben, findet Prelicz-Huber. Viele Menschen verzichteten aus finanziellen Gründen derzeit darauf.
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Viele Menschen wüssten aber noch nicht, wie sehr Zahnprobleme die Gesundheit des gesamten Körpers beeinflussen, sagt Prelicz-Huber.
Parodontitis Herzstillstand Zahnbehandlung
Beispielsweise könne Parodontitis im schlimmsten Fall zu einem Herzstillstand führen. Daher müssten Zahnbehandlungen Teil der obligatorischen Krankenversicherung sein, sagt Prelicz-Huber.
Bundesverfassung Zahnpflege
Gemäss Bundesverfassung habe jeder Mensch das Recht auf eine Pflege, die für seine Gesundheit notwendig ist. Für Katharina Prelicz-Huber gehört auch die Zahnpflege dazu.

Zähne seien häufig Auslöser von gesundheitlichen Problemen im Körper, aber fatalerweise wüssten das viele nicht. Die Erkenntnis sei noch neu, was aber die Folgen nicht dramatischer mache. «Im schlimmsten Fall endet es mit einem Herzstillstand wegen Parodontitis», so die Politikerin. «Dann ist es doch absurd zu sagen, Zahnbehandlungen gehören nicht in die Grundversorgung.»

Sekundär soll Prelicz-Hubers Initiative den «intensiven Zahnarzttourismus ins nahe Ausland» bremsen. Denn, obwohl die Behandlungen dort billiger seien, könnten die Patientinnen und Patienten schlechte Erfahrungen machen: «Gibt es Komplikationen nach einer Behandlung im Ausland, ist es sehr schwierig zu klagen.»

Vielleicht finde man dann einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin in der Schweiz, die das korrigieren, «aber das kostet dann wieder». Und sowieso wäre es nicht die Idee, die gesundheitliche Grundversorgung ins Ausland zu verlagern, sagt die Zürcherin. «Das geht gegen die Verfassung.» In der vorberatenden Kommission stimmte allerdings eine Mehrheit gegen diesen Vorstoss.

Schweizer Zahnärzte wollen keinen Systemwechsel

Auch die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) lehnt die Initiative ab, wie sie auf Anfrage mitteilt. Zwar müssten die meisten Patientinnen und Patienten ihre Behandlung bezahlen, dafür könnten sie aber mitreden. «Würde der Staat für die Kosten aufkommen, müssten die Patienten mit einer ‹wirtschaftlich zweckmässigen› Behandlungen vorliebnehmen».

SSO Zahnarzt obligatorische Krankenversicherung
Die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO will nicht, dass Zahnbehandlungen in der obligatorischen Krankenversicherung inbegriffen sind. - keystone

Denjenigen Menschen, die sich keine zahnärztliche Pflege leisten können, müsse geholfen werden, heisst es weiter. Aber ein solcher Systemwechsel wäre nicht zielführend, warnt die SSO. Besser wäre es, aufzuklären: «Viele der Betroffenen wissen nämlich nicht, dass sie in einer schwierigen finanziellen Situation Unterstützung durch die Sozialdienste beantragen können.»

Ausserdem würde die obligatorische Krankenversicherung bereits heute Zahnbehandlungen bezahlen. Etwa im Falle einer schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems.

Allerdings ist die SSO mit Prelicz-Huber in einem Punkt einverstanden: Beim «Dentaltourismus» fehle die Rechtssicherheit für Patientinnen und Patienten.

Sollten Zahnbehandlungen in der obligatorischen Krankenversicherung einbegriffen sein?

Wie viele Schweizerinnen und Schweizer in ausländische Zahnkliniken gehen, wisse die SSO auch nicht. 2017 hätten 22 Prozent der durch die SSO befragten Personen angegeben, schon einmal im Ausland beim Zahnarzt gewesen zu sein. «Dazu gehören aber auch Notfallbehandlungen während der Ferien», präzisiert die Sprecherin. Jeder Dritte sagte jedoch auch, nicht wieder im Ausland auf einem Zahnarztstuhl sitzen zu wollen.

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