E-Voting: Blinde müssen zum Abstimmen Stimmgeheimnis brechen
Seit Jahren kommt E-Voting nicht voran, gegenwärtig wurden alle Systeme auf Eis gelegt. Blindenverbände fordern endlich Fortschritte.

Das Wichtigste in Kürze
- Blinde fordern vom Bund die gesetzliche Verankerung von barrierefreien Stimmkanälen.
- Heute ist Abstimmen für Blinde und Sehbehinderte mit grossem Aufwand verbunden.
Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen SZBLIND vertritt rund 60 Blinden-, Seh- und Hörsehbehindertenorganisationen. Und damit rund 325'000 Personen.
Mit E-Voting haben diese benachteiligten Personen erstmals die Chance, ihre politischen Rechte selbständig ohne zusätzliche Hilfe durch andere Personen ausüben zu können. Der SZBLIND fordert darum vom Bund klipp und klar: «Unabhängig vom Anbieter der entsprechenden E-Voting-Plattform ist eine Vorschrift auf Gesetzesebene erforderlich».
Dieses Gesetz soll vorschreiben, dass betroffene Menschen selbständig ihre politischen Rechte ausüben können müssen. Dafür sei es unabdingbar, die Plattformen für das E-Voting sowie den Registrierungsprozess absolut barrierefrei zu gestalten.
Blinde müssen das Stimmgeheimnis brechen
Heute ist Abstimmen für Blinde und Sehbehinderte aufwändig. Der SZBLIND unterstützt Blinde dabei, sagt Nina Hug zu Nau.ch: «Der SZBLIND unterstützt die politische Meinungsbildung mit den sogenannten Polittagen, an denen politisch neutrale Informationen zu Abstimmungsvorlagen vermittelt werden.»
Auch der Gang an die Urne ist für Blinde und Sehbehinderte sehr umständlich oder gar unmöglich. Deshalb sei es wichtig, dass die briefliche Stimmabgabe erhalten bleibe, erklärt Hug.

Weiter werden Begleitpersonen vermittelt, die für das Abstimmen eingespannt werden können. Denn Blinde müssen ihren Stimmzettel von einer anderen Person ausfüllen lassen. Damit wird zwangsläufig das Stimmgeheimnis gebrochen.
Der SZBLIND fordert deshalb explizit eine Ausnahme für Betroffene, selbst dann, wenn ein Kanton das E-Voting für die allgemeine Bevölkerung nicht einführen sollte. «Aufgrund der positiven Erfahrungen beispielsweise des Kantons Basel-Stadt mit Auslandschweizern bitten wir auf Bundesebene um die Option, dass sich Bürger mit Blindheit, Sehbehinderung, Taubblindheit und Hörsehbehinderung aktiv bei ihrem Wohnkanton für die elektronische Stimmabgabe anmelden können».
Im Kanton Basel-Stadt können Blinde nicht selbstständig abstimmen
Der Kanton Basel-Stadt bot bis vor kurzem das E-Voting der Post an. Nachdem bei diesem System schwerwiegende Fehler festgestellt wurden, setzte die Post dieses vorerst aus. Menschen, welche zu schlecht sehen, um den Stimmzettel selbst ausfüllen zu können, «lassen sie sich entweder von einer anderen Person oder aber von einer Maschine helfen». Das erklärt Marco Greiner, Regierungssprecher des Kantons Basel-Stadt, gegenüber Nau.ch.

Wie stark eine Person vom E-Voting-Angebot profitieren kann, hänge vom Grad der Sehbehinderung ab, so Greiner. «Grundsätzlich erhalten wir aber gerade von Sehbehinderten das Feedback, dass sie E-Voting gerne und rege nutzen.» Zahlen kann der Kanton jedoch keine liefern.
E-Voting auf Eis gelegt
Nachdem der Kanton Genf sein E-Voting-Projekt abgebrochen hatte, war das Post-E-Voting das letzte Angebot. Nun ist auch dieses ausgesetzt. Greiner dazu: «Ob der Kanton Basel-Stadt für die National- und Ständeratswahlen im Herbst E-Voting anbieten wird, hängt vom Entscheid des Bundesrates im August ab.»
Und weiter: «Die einzige Alternative, die die Staatskanzlei anbieten kann, wäre die herkömmliche Wahl mit den Unterlagen aus Papier.» Das bedeutet für Blinde also weiterhin, das Stimmgeheimnis brechen zu müssen.