Während im Parlament noch über Nutzen und Gefahren einer dritten Geschlechtsoption diskutiert wurde, hatten gewisse Bundesbehörden dieselbe längst eingeführt.
Drittes Geschlecht
Braucht es eine dritte Geschlechtsoption in amtlichen Dokumenten? Diese Frage wird in Bundesbern derzeit heftig diskutiert. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Politik debattiert seit geraumer Zeit über die Einführung eines dritten Geschlechts.
  • Doch während im Parlament noch diskutiert wird, preschen Bundesbehörden eigenmächtig vor.
  • Im «CH-Login» wurde die dritte Option schon 2021 eingeführt – aber jüngst wieder gelöscht.

«Es» ist längst in aller Munde – das dritte Geschlecht geistert durch Bundesbern: Links der Mitte pochen Politiker und Politikerinnen lauthals darauf, die dritte Geschlechtsoption in amtlichen Dokumenten «endlich» einzuführen. Rechts der Mitte vertreten ihre Kontrahenten und Kontrahentinnen die gegenteilige Ansicht und fordern stimmgewaltig ein Ende des «Gender-Wahnsinns».

Der Bundesrat ist seinerseits überzeugt, dass der Handlungsbedarf zur Einführung einer dritten Geschlechtsoption derzeit nicht gegeben sei. Doch während die «Classe politique» noch darüber streitet, ob eine dritte Geschlechtsoption eingeführt werden sollte, preschen gewisse Staatsorgane eigenmächtig vor: Staatskanzlei und Bundesamt für Informatik (BIT) hatten die dritte Geschlechtsoption beim Zugang zu den Webanwendungen der Bundesverwaltung (eIAM) längst eingeführt.

Dritte Geschlechtsoption schon im März 2021

Wie «Blick» vermeldet hatte, handelte es sich dabei um ein Versehen: Die Bundeskanzlei habe das dritte Geschlecht unbeabsichtigterweise bei einem Update «Anfang des Jahres» eingeführt. Weiter hiess es, man wolle den Fehler «so rasch wie möglich» korrigieren.

Drittes Geschlecht eIAM CH-Login
In den «eIAM Release Notes» vom 21. März 2021 ist die dritte Geschlechtsoption bereits enthalten. - Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT)

Doch die dritte Geschlechtsoption wurde bereits deutlich früher eingeführt, als jüngst berichtet wurde. Dies geht aus den Release-Notes zur eIAM zweifelsfrei hervor: Im Dokument zu den Änderungen am eIAM-Service unter dem Titel «Sauvignon Blanc» vom März 2021 ist dieselbe bereits enthalten.

Die eIAM ist ein Standarddienst der Bundesverwaltung, der über das «CH-Login» für mehr als 800 Behördendienstleistungen zur Anwendung kommt. Über den Dienst können beispielsweise Drohnenpiloten ihr Fluggerät oder Landwirte ihre Viehbestände online registrieren.

Nur «kleiner Personenkreis» im Bild

Auf Anfrage von Nau.ch bestätigen Bundeskanzlei und BIT diesen Verdacht: Vertiefte Abklärungen hätten ergeben, dass die Option schon «vor rund eineinhalb Jahren» bei einer Überarbeitung des Anwendungsbereichs «Benutzerprofil» eingeführt wurde. Dabei handle es sich um eine Übernahme aus der Standardsoftware, die für den eIAM-Service verwendet wird.

Drittes Geschlecht
Die Option sei vor rund eineinhalb Jahren eingeführt worden, weil sie aus der Standardsoftware hinter dem eIAM-Service übernommen wurde. 1050 Personen haben die dritte Geschlechtsoption im «CH-Login» gewählt. (Symbolbild) - Keystone

Deshalb sei nur einem «kleinen Personenkreis» bewusst gewesen, dass die Wahl der dritten Geschlechtsoption aktiviert war. Zwischenzeitlich stand sie den Benutzenden allerdings für rund eineinhalb Jahre zur Verfügung – mittlerweile ist die Option entfernt.

1050 Personen wählten drittes Geschlecht

Gegenüber Nau.ch erklären die Bundesbehörden, dass sich von insgesamt 1,7 Millionen registrierten Personen 1050 für die dritte Geschlechtsoption entschieden hatten. An dieser Stelle sei anzumerken, dass Hunderttausende gänzlich auf den Geschlechtseintrag verzichten, da es sich um eine freiwillige Angabe handle.

Würden Sie die Einführung einer dritten Geschelchtsoption begrüssen?

«Die Angabe eines Geschlechts ist in ‹CH-Login› freiwillig und hat keinerlei Einfluss auf die Nutzung der Dienstleistungen.» Entsprechend bedeute die nun erfolgte Entfernung der Option auch lediglich, dass für die Betroffenen keine spezifische Anrede mehr hinterlegt sei.

Ferner habe der Fehler keine wesentlichen Unkosten ausgelöst: Die Anpassung sei – inklusive Test und Qualitätskontrolle – binnen acht Arbeitsstunden vorgenommen worden.

Elisabeth Baume-Schneider
Die neue Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) wäre für eine allfällige Einführung der dritten Geschlechtsoption verantwortlich. (Archivbild) - Keystone

Die politische Diskussion um das binäre Geschlechtermodell – Mann oder Frau – und eine Aufhebung desselben hat aber erst begonnen: Die Grünen möchten entgegen der bundesrätlichen Empfehlung prüfen lassen, ob eine dritte Geschlechtsoption auf parlamentarischem Weg eingeführt werden könnte. Dabei hoffen sie, dass die neue SP-Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider dem Anliegen gegenüber offener eingestellt ist, als ihre Vorgängerin.

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