Obwohl man den Bundesrat für dessen Politik im Umgang mit dem Coronavirus kritisiert hatte, will man im Ständerat weiter den Bundesrat als Leader.
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Die zuständige Kommission des Ständerates will die sistierte Agrarpolitik 2022+ (AP22+) nun beraten. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Trotz der geäusserten Kritik soll der Bundesrat weiter im Lead sein.
  • Der Ständerat will zudem grössere Unternehmen grosszügiger unterstützen.
  • Auch Sportklubs sollen einfacher an Corona-Gelder kommen.

Die bürgerliche Mehrheit im Ständerat hat am Donnerstag ihren Unmut über die Strategie bezüglich Coronavirus des Bundesrats geäussert. Die kleine Kammer verzichtet aber auf Machtspiele und schlägt stattdessen neue Leitplanken für die Entscheide des Bundesrats vor.

SVP-, FDP- und CVP-Vertreterinnen und -Vertreter nahmen die Eintretensdebatte zum überarbeiteten Covid-19-Gesetz zum Anlass für eine «Chropfleerete». Es wurde nicht gespart mit Kritik, Vorwürfen und Vorschlägen an die Adresse des Gesamtbundesrats.

Bürgerliche üben Kritik am Bundesrat aus

Hannes Germann (SVP/SH) sprach von einem «Versagen auf verschiedenen staatlichen Ebenen». Geradezu «lächerlich» sei der Streit um die Aussenterrassen in Restaurants. Es brauche nun «sinnvolle Korrekturen».

Der Bund sei längst weit nicht so gut unterwegs, wie von den Behörden regelmässig behauptet werde, monierte Ruedi Noser (FDP/ZH). Es fehle an einer kohärenten Impf- und Teststrategie. Peter Hegglin (CVP/ZG) plädierte für eine «pragmatische Öffnungsstrategie».

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Ruedi Noser plädierte für eine bessere Impf- und Teststrategie im Umgang mit dem Coronavirus. (Archivbild) - Nau.ch

Auch Pirmin Bischof (CVP/SO) sah bei der Krisenbewältigung gegen das Coronavirus Luft nach oben. So habe die Regierung etwa nicht immer treffend begründen können, weshalb welche Massnahmen ergriffen wurden. Es sei aber wichtig - betonte er wie viele seiner Vorredner -, dass dem Bundesrat die Handlungskompetenz nicht entzogen werde.

«In einer Krise ist es wichtig, die verfassungsmässigen Instrumente einzuhalten», sagte Bischof mit Blick auf die Anträge. Egal, was der Schwesterrat entscheide: «Vom Ständerat wird kein Öffnungsdatum ins Gesetz geschrieben.»

Damit sollte er in der Detailberatung Recht behalten. Keine Chance hatte etwa ein Antrag von Thomas Minder (parteilos/SH), dem Parlament ein Vetorecht einzuräumen. Er verlangte, dass im Falle eines Lockdown wegen des Coronavirus die zuständigen Kommissionen das letzte Wort haben sollen.

Vorbildliche Kantone sollen Massnahmen lockern dürfen

Der Ständerat präzisierte stattdessen die Leitlinien, innerhalb derer der Bundesrat in Zukunft seine Entscheide zum Coronavirus treffen soll. Er hat einen Absatz ins Covid-19-Gesetz aufgenommen, wonach der Bundesrat seine Strategie auf mildest- und kürzestmögliche Einschränkungen ausrichten soll. Zudem soll der Bundesrat die Kantonsregierungen vermehrt in seine Entscheide miteinbeziehen.

Weiter will der Ständerat regionalen Entwicklungen der epidemiologischen Lage vermehrt Rechnung tragen. Der Bundesrat soll «vorbildlichen» Kantonen Erleichterungen der Massnahmen gegen das Coronavirus gewähren. Die bürgerliche Mehrheit sieht darin die Chance, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Finanzminister Ueli Maurer warnte vergeblich vor diesem Schritt: «Wir wecken damit sofort wieder Erwartungen, dass die Kantone wieder sehr viele Freiheiten haben.»

Coronavirus: Maurer betont die strategische Gratwanderung

Von linker Seite war während der über fünfstündigen Debatte kaum Kritik am Kurs des Bundesrats zu vernehmen. Paul Rechsteiner (SP/SG), der Präsident der Gesundheitskommission, lobte das Krisenmanagement ausdrücklich. Die Eingriffe in die Freiheit der Menschen seien in der Schweiz weit weniger stark gewesen als im umliegenden Ausland.

Maurer sprach von einer Gratwanderung, auf der sich der Bundesrat seit langem befinde. Das Ziel sei immer eine rasche Rückkehr zum normalen Betrieb. «Der Weg muss breiter werden, damit uns die Bevölkerung noch folgen kann.» Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte sollten nun einen höheren Stellenwert erhalten.

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Bundesrat Ueli Maurer hat die Abstimmung über die Verrechnungssteuer verloren. - Keystone

Bei der Ausweitung des Härtefallprogramms entschied der Ständerat wenig überraschend im Sinne der Kantone. So soll sich der Bund bei mittelgrossen Unternehmen mit 80 Prozent an den Kosten der kantonalen Härtefallmassnahmen beteiligen. Der Bundesrat sah einen Finanzierungsanteil von 70 Prozent vor.

Mehr Unterstützung sollen Grossfirmen erhalten. Für grosse Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von über 70 Prozent sollen auch mehr als 10 Millionen Franken ausgezahlt werden.

Sportklubs kommen leichter an Corona-Gelder

Abgelehnt hat der Ständerat den Antrag seiner Kommissionsmehrheit, dem Detailhandel in den nächsten zwei Jahren jährlich zwölf Verkaufssonntage zu ermöglichen. Es handle sich hier um ein unerwartetes Geschenk aus Bern, das niemand gefordert und erwartet habe, argumentierte Mitte-Links erfolgreich.

Dafür sollen Sportklubs nach Meinung des Ständerats künftig einfacher an À-fonds-perdu-Beiträge gelangen. Stimmt auch der Nationalrat dem Passus zu, sollen die Klubs nicht mehr zu Lohnsenkungen gezwungen werden, wenn sie Corona-Gelder beantragen.

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Sportklubs sollen einfacher an à-fonds-perdu-Beiträge vom Bund gelangen. (Symbolbild) - KEYSTONE

Weiter beschloss die kleine Kammer, die Obergrenze für Beiträge an Kultur und Kulturschaffende zu streichen. So vergrössert sich der Spielraum, sollten Nachtragskredite nötig werden. Schliesslich soll der Bund auch private Radio- und Fernsehunternehmen mit Mitteln aus der Abgabe für Radio und Fernsehen unterstützen können.

Die Vorlage geht nun an den Nationalrat, der sich am kommenden Montag mit der Corona-Politik des Bundes befassen wird. Erwartet wird dort eine nicht minder emotionale Debatte, die sich bis in den späten Abend hineinziehen dürfte.

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