Bundesrat

Bundesrat heisst EU-Verträge gut und eröffnet öffentliche Debatte

Keystone-SDA
Keystone-SDA

Bern,

Der Bundesrat legt neues EU-Vertragspaket zur Vernehmlassung vor. Es sichert die bilaterale Zusammenarbeit und bereitet den Weg für eine Volksabstimmung 2027.

Ignazio cassis uno
Aussenminister Ignazio Cassis warb am Freitag in Bern vor den Medien während zwei Stunden für das Vertragspaket. (Archivbild) - keystone

Ein halbes Jahr nach Abschluss der formellen Verhandlungen mit der EU über ein neues Vertragspaket hat der Bundesrat die umfassende Vorlage mit zahlreichen Gesetzesänderungen bis Ende Oktober in die Vernehmlassung geschickt. Die öffentliche Debatte ist damit lanciert.

Parteien, Sozialpartner, Kantone, Gemeinden und weitere interessierte Kreise können bis im Herbst zum Paket Stellung nehmen. Danach – voraussichtlich im ersten Quartal 2026 – wird der Bundesrat die Hunderte Seiten umfassende Vorlage in die Hände des Parlaments geben. Eine Volksabstimmung im Wahljahr 2027 oder auch erst danach gilt angesichts des grundsätzlichen Widerstands der SVP als sicher.

Aussenminister Ignazio Cassis warb am Freitag in Bern vor den Medien während zwei Stunden für das Vertragspaket. Flankiert wurde er von mehreren Staatssekretärinnen, Amtsdirektoren und Verhandlungsführenden. Ihre Botschaft war klar: Die prinzipiellen Ziele der Schweiz sind erreicht. Nun kann die politische Debatte darüber beginnen.

Bilateraler Weg gesichert

Laut Cassis stellt das neue EU-Paket den bilateralen Weg mit einer stabilen Rechtsbasis sicher. «Es stellt keine Wende in der Schweizer Aussenpolitik dar.» Die Unabhängigkeit der Schweiz bleibe gewahrt. Das Paket sichere den Wohlstand und die Sicherheit.

Die Verträge sollen die bestehenden bilateralen Abkommen stabilisieren und aktualisieren sowie eine neue Anbindung in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit schaffen. Im Mai waren sie paraphiert worden.

In den vergangenen Monaten hatte der Bundesrat wichtige Entscheide zum Lohnschutz, zur Forschungszusammenarbeit, zur Referendumsfrage, zum Stromabkommen und zur Schutzklausel bei der Zuwanderung getroffen. Cassis hielt fest, dass der Status quo in den Beziehungen mit der EU keine Option gewesen sei. «Das hätte negative Folgen in vielerlei Hinsicht gehabt», sagte er.

Stärkung der Zusammenarbeit

Das Stabilitätspaket stärke die sicherheitspolitische Zusammenarbeit und damit die Widerstandskraft der Schweiz. Die Teilnahme am Forschungsprogramm Horizon Europe werde wieder möglich, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz stärke. In der letzten Zeit hätten fehlende Aktualisierungen das Verhältnis zur EU getrübt.

Mit den Verträgen sei der Zugang zum EU-Binnenmarkt gesichert, sagte der Aussenminister weiter. Dieser Zugang wird die Schweiz künftig rund eine Milliarde Franken im Jahr kosten. Neben dem fixen Kohäsionsbeitrag von 350 Millionen Franken ab dem Jahr 2030 kommen zusätzlich jährliche Kosten für die EU-Forschungsprogramme (rund 650 Millionen Franken) sowie den Studierendenaustausch Erasmus plus (rund 165 Millionen Franken) hinzu.

Diese Investition lohne sich, sagte Cassis. Wenn Schweizer Unternehmen im EU-Markt verkaufen könnten, schaffe das Wohlstand. Für die Umsetzung von 95 EU-Gesetzen sind laut Alexandre Fasel, dem aussenpolitischen Staatssekretär, drei neue Bundesgesetze nötig sowie 32 Gesetzesanpassungen – 20 davon ohne grosses Gewicht – und vier Verpflichtungskredite.

Erweiterter Handlungsspielraum

Bei der Wahrung der Unabhängigkeit habe die Schweiz ihren Handlungsspielraum erweitern können, so Cassis weiter. Ziel sei es gewesen, EU-Recht nicht automatisch übernehmen zu müssen. Jetzt gebe es klare Verfahren bei Unstimmigkeiten mit definierten Ausgleichsmassnahmen mithilfe eines Schiedsgerichts.

Die früher geltende Guillotineklausel sei entschärft. Im Gegensatz zu anderen Behauptungen habe die Schweiz ihre Handlungsfähigkeit gewahrt und ausgedehnt. Zudem sei es gelungen, die geltenden Ausnahmen für die Schweiz abzusichern und neue auszuhandeln.

«Wir sind stolz darauf, was wir erreicht haben», sagte Helene Budliger Artieda, die Staatssekretärin für Wirtschaft. Beispielsweise beim Lohnschutz habe die Schweiz viel erreicht. Die heutigen Grundsätze sowie die Kontrollmechanismen blieben bestehen.

Personenfreizügigkeit bleibt kontrolliert

Auch punkto Personenfreizügigkeit zogen die Verhandlungsführenden ein positives Fazit. Die Zuwanderung bleibe arbeitsmarktorientiert, ein Aufenthaltsrecht gebe es nur für EU-Bürgerinnen und -Bürger mit einer Arbeitsstelle, EU-Bürger mit Landesverweis könnten auch in Zukunft ausgewiesen werden, bilanzierte Vincenzo Mascioli, Staatssekretär für Migration.

Die konkretisierte Schutzklausel erlaube es der Schweiz zudem, Massnahmen zu ergreifen, wenn die Zuwanderung negative Folgen hat. «Wir können die Personenfreizügigkeit einschränken, ohne dass wir den Binnenmarktzugang verlieren», sagte er.

Cassis konterte zudem die Kritik aus den Reihen der SVP, wonach die Schweiz künftig automatisch EU-Recht übernehmen muss. «Niemand zwingt uns, Recht zu übernehmen. Wir übernehmen nur dort Regulierungen, wo wir eine Marktbeteiligung wollen.»

Übergangsregeln bis Inkrafttreten

Bis zur allfälligen Umsetzung der Verträge vergeht jedoch noch viel Zeit. Die Schweiz und die EU haben deshalb Übergangsregeln zum Umfang ihrer Partnerschaft für die Phase ab Ende 2024 bis zum Inkrafttreten des Pakets festgelegt. Der Bundesrat wird nach eigenen Angaben am 24. Juni in Brüssel eine entsprechende gemeinsame Erklärung mit der EU-Kommission unterzeichnen.

Das Abkommen über die Teilnahme der Schweiz an den EU-Forschungsprogrammen wird vom Bundesrat voraussichtlich im November unterzeichnet, wie er erneut festhielt. Dies ermöglicht eine rückwirkende Assoziierung der Schweiz per 1. Januar 2025 an Horizon Europe, dem Euratom-Programm und dem Digital Europe Programme.

Kommentare

User #3637 (nicht angemeldet)

Bei der Abstimmung dürfte der Bundesrat eine schallende Ohrfeige bekommen. 👍

User #4097 (nicht angemeldet)

Bitte überprüft die Konten der Bundesräte auf ungewöhnliche Zunahmen.

Weiterlesen

Ignazio Cassis
15 Interaktionen
EU-Recht

MEHR BUNDESRAT

Lernende 8 Wochen Ferien
86 Interaktionen
Brief an Bundesrat
Bundeshaus
Bundesrat
Christen Syrien Islam
9 Interaktionen
Nationalrat

MEHR AUS STADT BERN

2 Interaktionen
Bern
Tour de Suisse
Kanton Bern
yb
52 Interaktionen
Ehefrau schlägt Alarm