Verhindert Tempo 60 auf der Autobahn Staus? Bereits bei der Ankündigung des Pilotversuchs wird klar: Das geht den Bürgerlichen zu weit. Viel zu weit.
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Thomas Hurter spricht während der Debatte um die Volksinitiative für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten im März 2020. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bund will Tempo 60 auf den Autobahnen prüfen, um Staus zu verhindern.
  • Die Bürgerlichen wollen nichts davon wissen, das gehe klar zu weit.
  • Der Verkehrs-Club der Schweiz hingegen begrüsst den Versuch und sieht nur Vorteile.

Stau nervt nicht nur, sondern kostet die Schweiz weit über 2 Milliarden Franken pro Jahr. Das Bundesamt für Strassen (Astra) prüft deshalb laufend neue Massnahmen, um die Staustunden zu reduzieren. Der neuste Plan: Bei hohem Verkehrsaufkommen die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h drosseln.

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Variable Tempolimits gibt es in der Schweiz bereits, wie auf der Autobahn beim Gotthard-Tunnel zu sehen.
Rund um Zürich staut sich der Verkehr.
Rund um Zürich staut sich der Verkehr.
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Tempo 60 in der Nähe der Baustelle des Chillon-Viadukts der Autobahn A9 bei Pertuis-Montagne VS.

«Ich halte wenig von solch tiefen Geschwindigkeiten auf Autobahnen», sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen auf Anfrage. Es bestehe die Gefahr, dass am Ort, wo die Geschwindigkeitsreduktion gilt, sich ein Rückstau bilde. «Sowieso gilt rund um die Städte und in den Agglomerationen meist 100 oder 80 – das reicht.»

SVP-Hurter: «60 km/h auf der Autobahn geht zu weit»

Auch der SVP reicht es – aber mit der Zuwanderung. Diese sei nämlich schuld an verstopften Strassen, deswegen müsse Bundesrätin Sommaruga dort ansetzen, um die Stauprobleme zu lösen.

Thomas Hurter, SVP-Nationalrat und Mitglied der Verkehrskommission KVF, schaut differenzierter auf die Problematik. «Grundsätzlich bin ich nicht gegen ein Geschwindigkeitsmanagement, um den Verkehrsfluss zu optimieren», sagt Hurter auf Anfrage. «Allerdings geht 60 km/h auf der Autobahn zu weit.»

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Thomas Hurter, Präsident des Automobilclubs der Schweiz (ACS), übt bereits den Aufstand wegen der geplanten Tempo-30-Zonen. - Keystone

Autobahnen seien konzipiert, um einerseits den Orts- und Überlandverkehr zu entlasten und andererseits die Zentren besser zu verbinden. Hurter befürchtet, dass die Massnahme zu Ausweichverkehr führe. «Und zwar genau dort, wo man den Verkehr eigentlich eher weniger möchte.»

«Lieferketten könnten länger und teurer werden»

Lastwagen wären von der Änderung in besonderem Masse betroffen. Diese könnten dadurch länger unterwegs sein oder Autobahnen vermehrt meiden. Dies könnte Lieferketten verlängern und verteuern. Die sehe man bereits bei Tempo 30 in den Städten, wo die öffentlichen Verkehrsbetriebe genau dies monierten.

LKW Chaffeure Ruhezeit
LKW-Chauffeure warten darauf, dass ihre Ware abgefertigt wird, beim Grenzübergang Thayngen in Schaffhausen, am Freitag, 5. August 2011. (Symbolbild) - Keystone

Thomas Hurter hat einen anderen Vorschlag bereit: «Eigentlich wäre es viel gescheiter, wenn auf den Autobahnen vermehrt Abstandskontrollen durchgeführt werden. Leider entstehen dadurch viele Auffahrunfälle, was mittlerweile ebenfalls sehr viele Staustunden verursacht.»

VCS sieht bei Temporeduktion nur Vorteile

«Also ich verstehe überhaupt nicht, wie man gegen so einen Pilotversuch sein kann», sagt Ruedi Blumer auf Anfrage. Der St. Galler SP-Kantonsrat präsidiert den Verkehrs-Club der Schweiz VCS.

Studien zeigten klar, dass die Temporeduktion auf 80 km/h zu weniger Stau führte. Deshalb sei es nun wichtig, die Auswirkungen von Tempo 60 ebenfalls zu untersuchen.

Tatsächlich sind in der Schweiz bereits intelligente Temporegulierungen im Einsatz, etwa auf der Autobahn A6 zwischen Bern und Thun. Eine Untersuchung des Astra zeigte dort, dass Staus massiv zurückgingen und die Fahrzeuge rascher am Ziel waren.

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VCS-Präsident Ruedi Blumer präsentiert die Bierdeckel des Verkehrs-Clubs der Schweiz im Januar 2019. - Keystone

Blumer sieht in einer weiteren Temporeduktion nur Vorteile – falls sich der positive Effekt auf die Staubildung bestätigen sollte. «Bei niedrigerer Geschwindigkeit verbrauchen die Fahrzeuge weniger Energie und die Unfallgefahr sinkt.»

Temporeduktion um Stau zu verhindern, eine sinnvolle Massnahme?

Dass die Massnahme zu mehr Verkehr in den Städten führen soll, lässt Blumer nicht gelten. «Das mit dem Ausweichverkehr ist ein Argument aus dem letzten Jahrhundert.» Auf der Autobahn mit 60 zu fahren sei immer noch schneller als Städte und Dörfer zu durchqueren. Dort gelte sowieso vermehrt Tempo 30, was der VCS sehr begrüsse.

«Niederschwellige und günstige Massnahme gegen Stau»

Rückendeckung erhält Blumer von Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter: «Ich halte es für sinnvoll, Tempo 60 auf der Autobahn zu prüfen bei Stausituationen. Mit einer intelligent gesteuerten Temporeduktion kann der Verkehrsfluss länger aufrecht gehalten werden. Es ist eine niederschwellige und günstige Massnahme gegen den Stau

Marionna Schlatter-Schmid
Nationalrätin Marionna Schlatter-Schmid (GPS). - keystone

Schlatter ergänzt: «Natürlich bringt eine Temporeduktion auch mehr Verkehrssicherheit, vor allem bei hohem Verkehrsaufkommen.» Andere Auswirkungen einer solchen Massnahme müssten in Pilotprojekten genau überprüft werden.

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