Shantel bekam nirgendwo mit seiner Musik so viel Zuspruch wie in Istanbul. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann er auch dem Sound vom Bosporus seine Referenz erweisen würde: So ist zusammen mit der türkischen Band Cümbüş Cemaat das Album «Istanbul» entstanden.
New Folk: Shantel reist nach Istanbul. Foto: Starkult
New Folk: Shantel reist nach Istanbul. Foto: Starkult - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Shantel ist mit dem Bucovina Club Orkestar ein Garant für berauschenden Polka-Brass-Beat.

Bei der Erkundung fremder Soundwelten hat sich Stefan Hantel nun mit Cümbüş Cemaat zusammengetan um die eine euro-asiatische Metropole zu feiern: «Istanbul» heisst das Album.

Die Stadt am Bosporus hatte Shantel einst adoptiert und eingebürgert: «Ich hatte zwei Platin-Alben in der Türkei, dort kennt jeder meine Songs. Das ist echt ein Phänomen.» Sein Chart-Burner «Disko Partizani» wurde als Jingle für Übertragungen von Fussballballspielen jahrelang gespielt und auf der asiatischen Seite in Kadiköy hatte er einen Zweitwohnsitz.

Shantel hatte schon lange überlegt, wie er seine Hommage an die lokale Musikkultur gestalten könnte. In der 2006 am Bosporus gegründeten Band Cümbüş Cemaat und ihrem charismatischen Sänger Cem Köklükaya (mit einem markanten osmanischen Monster-Schnauzer) fand Shantel dann den richtigen Partner für seine Idee. Satte fünfhundert Lieder hat die Gruppe im Repertoire, und nie ein Album aufgenommen.

Für «Istanbul» wurden dann die Stücke ausgewählt, die Cümbüş Cemaat und Shantel am Herzen liegen und zu einem gemeinsamen, auch gut tanzbaren Sound umgesetzen: Eine Verschmelzung mediterranen 70er-Jahre-Sounds, der gerade ein Revival erlebt, mit anatolischen psychedelischen Skalen und Discobeats, Arabesk und Rembetiko.

Die Lieder geleiten in eine unbefangen feiernde Gesellschaft und nur grob, eher intuitv, sind Inhalte zu verstehen, Kritisches nur zu erahnen: Die Single-Auskopplung «Suda Balik» (Fisch im Wasser) und «Atim Arap» (Mein Araber - ein Pferd dürfte gemeint sein) sind in ihren Bildern noch klar.

Bei «Adimiz Miskindir Bizim» im Sound des Ost-Rocks der 70er scheitert die Übersetzung; gefeiert werden mit sanfter Ironie die türkischen «Hippies», die so gar nicht in die Republik Erdogans passen. Auch Emanzipation wird thematisiert («Karakolda Ayna Var»).

Eine wunderbar elegische Art-Rock-Oper ist bei «Basindaki Yazmanyi Sariya Mi Boyadin» zu entdecken. Und wer bei «Ceylan» an Bülent denkt, dem sei gesagt, dass es um eine «Gazelle» geht. Ist mit Helvaci» ein Halwa-Macher gemeint? Was besingt «Bahcelerde Zerdali» mit seinen psychedelischen Klängen, Aprikosen im Garten? Egal. Zum Abschluss überrascht «Cümbüs Dub» mit Reggae. Der Mix ist gelungen.

Es ist ein faszinierendes Gemenge aus exotischem Gesang, fremden und doch ungemein vertrauten Klängen, eher heimisch als rebellisch, anziehend lyrisch. Hier wird Musik noch gelebt. Die tanzenden Derwische hätten ihre Freude am wogenden Sound.

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