Ralph Siegel wird 80 und träumt von einer weiteren ESC-Teilnahme
Ralph Siegel wird 80 – der «Mister Grand Prix» blickt auf ein bewegtes Leben zurück und träumt weiter vom ESC.

Ralph Siegel ist der «Mister Grand Prix». Den Wettbewerb hat er geprägt wie kein anderer. Er feierte grosse Erfolge und musste auch Spott einstecken. Jetzt wird er 80 Jahre alt – und der Eurovision Song Contest lässt ihn nicht los.
Ralph Siegel bezeichnet sich selbst als den alten ESC-Hasen. Und der alte ESC-Hase hat einen Traum: Er will noch einmal dabei sein beim Eurovision Song Contest (ESC). «Es reizt mich einfach, nochmals mit Deutschland zu starten», sagte er der deutschen Nachrichtenagentur DPA kurz vor seinem 80. Geburtstag am 30. September. Den Runden will er im Freundeskreis gross feiern.
Der Komponist kann auf eine lange, erfolgreiche und schlagzeilenträchtige Karriere zurückblicken, mit Höhen und Tiefen, mit Goldenen Schallplatten und finanziellen Rückschlägen. Seine Leidenschaft für die Musik ist stets geblieben.
Tausende Hits im Repertoire
Mehr als 2000 Lieder hat Siegel geschrieben, nicht nur «Fiesta Mexicana». Die Liste der Hits, die er komponiert und/oder produziert hat, scheint endlos: «Du kannst nicht immer 17 sein», «Griechischer Wein», «Ein bisschen Spass muss sein», «Moskau» und, und, und.
Und dann ist da natürlich noch der ESC, der früher Grand Prix Eurovision de la Chanson hiess. 1982 schaffte er es auf Platz 1, als die erst 17-jährige Sängerin Nicole mit Siegels Lied «Ein bisschen Frieden», getextet von Bernd Meinunger, antrat. Insgesamt schaffte er zwischen 1974 und 1999 noch dreimal den zweiten, zweimal den dritten und zweimal den vierten Platz. Später, als die Top-Platzierungen ausblieben, kassierte er viel Häme.
Schwamm drüber. Ralph Siegel ist ein Musik-Enthusiast, den man sich im Ruhestand nur schwer vorstellen kann. Trotz gesundheitlicher Probleme steckt er voller Energie, das ist auch im Telefoninterview spürbar.
Siegel reflektiert über 60 Jahre Berufserfahrung
«Das Leben verlangt einem schon sehr viel ab, muss ich sagen. Ich bin mehr als 60 Jahre lang in diesem Beruf aktiv, da habe ich natürlich auch ein bisschen Raubbau getrieben», bekennt er. «Wenn es früher spät wurde – und bei uns wurde es meistens sehr spät – habe ich auch gern mal zu tief ins Glas geguckt. Ich habe mich da nicht so zurückgehalten und fühle mich insofern mit 80 eigentlich ziemlich fit.»
Krebs und Herz-OP hat er überstanden. Nun macht ihm die Polyneuropathie zu schaffen. «Aber ich danke dem lieben Gott für jedes Jahr, das er mir schenkt.» Auch, weil er mit seiner vierten Ehefrau Laura glücklich ist, wie er sagt. Der 80. Geburtstag bedeute aber auch «etwas Vergangenheitsbewältigung, weil es viele Menschen gibt, mit denen ich einen Teil meines Lebens verbracht habe, und die ich gar nicht mehr einladen kann».
Auch sonst werde er immer mal mit Erinnerungen konfrontiert: «Gerade habe ich ein ZDF-Interview von vor 40 Jahren gesehen. Da habe ich viele Dinge über die Zukunft der Musik in Deutschland vorhergesagt, nämlich dass es eines Tages 20 und mehr TV-Sender geben wird. Ich habe damals schon gesagt, dass im Rundfunk mehr deutschsprachige Künstler gespielt werden sollen.»
Digitale Verkäufe verringern Einnahmen für Künstler
Siegel findet, 50 Prozent des Programms, sollten deutschsprachig sein. «Jetzt sind 40 Jahre vergangen und es ist traurig zu sehen, wie wenige Künstler es geschafft haben, diese Zeit zu überstehen.» Natürlich seien da Udo Lindenberg und Otto, Herbert Grönemeyer und Pur. Und auch seinen Künstler sei zum Glück viel Aufmerksamkeit geschenkt worden.
Wie wenig deutsche Musik aus seiner Sicht hierzulande im Radio und Fernsehen gespielt wird, findet er «einfach unerträglich». In Frankreich oder Italien sei das ganz anders. Er selbst könne von seiner Musik noch leben, andere könnten das nicht mehr. «Die CDs sind verschwunden. Es ist alles nur noch digital. Da sind natürlich die Anteile der sogenannten Urheber und Macher unfassbar gering und man traut sich kaum mehr, etwas zu produzieren, weil man das, was es kostet, gar nicht mehr einspielt.»
Licht am Ende des Tunnels sieht er da nicht wirklich. Fernsehshows wie einst die «Hitparade», in der sich Künstler präsentieren konnten, gebe es nicht mehr. Chancen hätten Neueinsteiger in den Beruf heute bestenfalls noch als Singer-Songwriter, weil sie dann über Auftritte Geld verdienen könnten, meint Siegel. «Das ist natürlich toll, wenn du es schaffst, wie Howard Carpendale, Peter Maffay oder Roland Kaiser, sich so lange zu halten.»
Dankbarkeit trotz weltweiter Krisen
Eine Herzensangelegenheit ist Ralph Siegel seine zweite Karriere: «Ich habe eine grosse Freude daran, dass mir Herbst meines Lebens noch gelungen ist, was ich mir ein Leben lang gewünscht habe: Musicals auf die Bühne zu bringen.» Das Stück «Zeppelin» sei ab 16. Oktober wieder im Festspielhaus im süddeutschen Füssen zu sehen. «Im Übrigen arbeite ich an zwei weiteren Musicals, die so gut wie fertig sind, aber das auf die Bühne zu bringen, dauert eben Jahre.»
Insgesamt sei er dem Leben sehr dankbar, sagt der Komponist. «Ich bin ein glücklicher Mensch und ich hoffe, dass ich noch ein paar Jahre auf dieser eigentlich doch sehr schönen Erde leben darf – und dass diese unglaublich schrecklichen Zeiten, die wir gerade erleben, vorbeigehen.» Angesichts der schlimmen Geschehnisse in der Welt – ob Ukraine oder Gaza – sei er froh, «dass wir dieses kleine Liedchen geschrieben haben: »Ein bisschen Frieden«».