Ein Album voller makelloser Lieder - nur wenige schaffen das so wie Carole King mit «Tapestry». Die Königin der US-Songwriter-Szene hat vor und nach diesem Triumph viele weitere Hits geschrieben. Nun wird sie 80.
Die US-Musikerin Carole King wird 80. Foto: Peter Foley/EPA/dpa
Die US-Musikerin Carole King wird 80. Foto: Peter Foley/EPA/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Es sind zwölf Songs, ein Dutzend perfekte Pop-Perlen, die Carole King 1971 in die höchsten Höhen der Musikwelt katapultieren.

Von «I Feel The Earth Move» und «It's Too Late» über «You've Got A Friend» bis zum Abschlussstück «(You Make Me Feel Like) A Natural Woman»: Mit einer enormen Dichte an qualitativ hochwertigen Softrock- und Soulhits ist «Tapestry» bis heute ein phänomenales Ohrwurm-Album, für viele Kritiker eines der besten aller Zeiten.

Der damals knapp 30-jährigen US-Musikerin sichert es 313 Wochen hintereinander einen Platz in den Charts, davon 15 auf Rang eins. Mindestens 25 Millionen Mal soll die Platte mit dem liebenswert-biederen Covermotiv - King barfuss und mit Strickzeug am Fenster, vor ihr eine Miezekatze - verkauft worden sein.

Eine Frau mit Lebensfreude

Millionen Fans dürften «Tapestry» wohl auch am Mittwoch (9. Februar) zu Ehren dieser herausragenden Sängerin, Songwriterin und Pianistin wieder gern hören - dann wird sie 80 Jahre alt. «Das ist eine Zahl, die ich mir für mich überhaupt nicht vorstellen kann», sagte die vor Lebensfreude sprühende King kürzlich in einem «Variety»-Interview. Gross geehrt worden war sie zuletzt im Oktober von der «Rock and Roll Hall of Fame», in die sie (schon zum zweiten Mal, diesmal als Performerin) von US-Superstar Taylor Swift eingeführt wurde. 

Aber zurück zu «Tapestry»: Kings zweites Album als Solokünstlerin nach dem Debüt-Flop «Writer» hat schon eine lange Vorgeschichte, als es mit zunächst moderaten Erwartungen im Februar 1971 erscheint. Denn King ist zum Zeitpunkt ihres weltweiten Durchbruchs bereits seit gut zehn Jahren eine feste Grösse in der «Brill-Building»-Szene - als Fliessband-Autorin eingängiger Lieder für andere Sänger.

Geboren als Carole Klein in New York, lernt sie bereits als kleines Mädchen Klavier, sammelt erste Erfahrungen in lokalen Bands - und trifft mit 17 einen ebenfalls noch sehr jungen Mann, der ihren künstlerischen Weg eine wichtige Zeitlang begleitet. Aus Gerry Goffin und ihr wird ein Ehe- und bald auch ein Elternpaar - und aus Goffin/King ein herausragendes Songschreiber-Gespann, mit Gütesiegel für raffinierten, sofort mitsingbaren Pop.

Hits für Kollegen

Die Ballade «Will You Still Love Me Tomorrow» - später von King selbst für «Tapestry» eingespielt - wird 1960 ein Hit der Shirelles. Mit «Cryin' In The Rain» haben die Everly Brothers Erfolg, mit «The Loco-Motion» die Sängerin Little Eva. «Take Good Care Of My Baby» wird von Bobby Vee veredelt. Kings High-School-Freund Neil Sedaka trauert der Ex 1961 mit «Oh! Carol» hinterher, die Beatles-Genies John Lennon und Paul McCartney geben später zu: «Unser Ziel war es, Kompositionen im Stil von Carole King und Gerry Goffin zu schreiben.»

Die Songschreiber-Partnerschaft mit Goffin (1939-2014) funktioniert, die Ehe nicht. Mit zwei Töchtern zieht Carole King 1967 von der Ostküste nach Los Angeles - und hat als Komponistin nichts verlernt: «(You Make Me Feel Like) A Natural Woman», das sie mit ihrem neuen Partner Charles Larkey geschrieben hat, wird in der Interpretation der «Queen of Soul» Aretha Franklin ein Erfolg. Doch auch dieser nächste Hit (mit ihrem Namen zunächst noch im Kleingedruckten) kann King kaum vorbereiten auf den «Tapestry»-Triumphzug, der ihr vier Grammys einbringt, darunter für Album und Song des Jahres.

Ihr Leben als Musical

Im Verlauf der 1970er Jahre knüpft die so bodenständig und natürlich wirkende Sängerin mit der Lockenmähne auf Nummer-eins-Alben wie «Music» und «Wrap Around Joy» zeitweise an ihre Hitphase an, aber die Mutter dreier Kinder sucht auch nicht krampfhaft das Rampenlicht. «Alle Alben nach "Tapestry" besassen grossartige Songs», so Kings Schlagzeuger Russ Kunkel kürzlich im Musikmagazin «Uncut». «Carole hat mit "Tapestry" gleich mehrere Glasdecken durchstossen - als Singer-Songwriterin, mit den Themen ihrer Lieder -, aber sie hat dann nicht aufgehört, sondern einfach weitergemacht.»

Als Familienmensch verzichtet King zu dieser Zeit auch mal freiwillig auf Albumpromotion-Tourneen. In den 80ern und 90ern ergeht es ihr wie vielen Künstlern der Nach-Woodstock-Ära: Sie gerät hinter Post-Punk, «New Romantics»-Sound, Synthiepop und Grunge-Rock mit ihrer bewährten Songwriter-Musik ins Abseits, neue Alben kommen nur noch sporadisch.

Das Comeback «Love Makes The World» (2001), eine Autobiografie und Nostalgie-Konzerte mit dem alten Weggefährten James Taylor werden gesäumt von Ehrungen für Kings Lebenswerk. 2013 - da ist sie knapp über 70 - wird ihr Leben als Broadway-Show «Beautiful: The Carole King Musical» erzählt.

Zu den bisher letzten wichtigen Veröffentlichungen zählt der Mitschnitt eines fabelhaften Auftritts 2016 im Londoner Hyde Park vor über 60.000 Fans, bei dem sie «Tapestry» in Gänze präsentiert. Mit dem alles überragenden, auch vieles überschattenden Grosswerk hat sich die Musikerin längst arrangiert. «Es ist für mich aussergewöhnlich, dass dieses Album so lang überdauert hat und so viele Menschen erreicht hat», sagte King im «Variety»-Interview.

Ob es noch ein Spätwerk mit neuen Stücken geben wird? Immerhin hat Carole King zuletzt das Lied «Here I Am (Singing My Way Home)» für das Aretha-Franklin-Biopic «Respect» mitgeschrieben. Allerdings, so räumte sie ein, sei sie womöglich «ein bisschen eingerostet» als Songwriterin. «Ich führe seit 30 Jahren ein ganz anderes Leben», sagte King - beispielsweise als Umweltschützerin in ihrer Wahlheimat Idaho. «Das war mir wichtiger als Songs zu schreiben.»

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