Nannen-Preisverleihung «mit weniger Lametta»

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Deutschland,

Ein prominenter Fälschungsfall hat die Medien vor der Jahreswende erschüttert. In Veranstaltungen der Branche ist er seitdem Gesprächsstoff - so auch bei der Nannen-Preisverleihung in Hamburg.

Die Preisträger nach der Verleihung der Nannen-Preise. Foto: Georg Wendt
Die Preisträger nach der Verleihung der Nannen-Preise. Foto: Georg Wendt - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Nannen-Preisverleihung hat abgespeckt: «Früher war mehr Lametta», sagte die Moderatorin der Veranstaltung, Marietta Slomka (ZDF-«heute journal»), am Samstagabend in Hamburg.

Doch es gebe gute Gründe dafür, das Lametta sein zu lassen. Die Medienbranche ist durch den Fälschungsfall Relotius erschüttert worden, sie steckt in einer Vertrauenskrise. «In Relotius steckt auch etwas Gutes: dass wir unser Handwerk reflektieren. Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit verlieren, können wir einpacken», sagte der «Stern»-Chefredakteur Florian Gless.

War die Verleihung der Nannen-Preise für hervorragende journalistische Leistungen seit 2005 eine glamouröse Veranstaltung mit rotem Teppich für prominente, geladene Gäste in gediegener Kulisse wie dem Deutschen Schauspielhaus oder der Experimentierbühne Kampnagel in Hamburg, ist sie in diesem Jahr zu ihren Wurzeln zurückgekehrt: ins Gruner + Jahr-Verlagshaus am Baumwall, zu dem das von Henri Nannen (1913-1996) 1948 gegründete Magazin «Stern» gehört.

«Wir müssen zeigen, mit wie viel Aufwand wir Journalismus betreiben», sagte die Verlagschefin Julia Jäkel. Rund 1000 Teilnehmer hatten sich tagsüber im Verlag in Vorträgen, Diskussionen und auf Touren durch die «Stern»-Redaktion über die Arbeit von Journalisten informiert. «Zurück zum Kern», forderte Jäkel. «Zurück zu Wort, Text, Bild - und das Entstehen dahinter.»

Veröffentlichte Reportagen, Dokumentationen, Web-Projekte, Fotografien und investigative Leistungen konkurrierten auch 2019 um die Nannen-Auszeichnungen. Bei der Reportage, die als journalistische Gattung in der Kritik steht, aber bislang als Königsdisziplin gilt, war Bastian Berbner mit seinem Beitrag «Ich und der ganz andere» für das Magazin der «Süddeutschen Zeitung» erfolgreich. Darin geht es um eine Bürgerversammlung und die Freundschaft zwischen einem Schwulen und einem Homophoben in Irland.

Weitere Auszeichnungen gingen an Autoren von «NWZ Online» (Dokumentation), «Süddeutsche.de» (Web-Projekt), «Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten» (lokale investigative Leistung) und an Journalisten von buzzfeed.com/Correctiv (investigative Leistung). Der Fotograf James Nachtwey hat seine siegreichen Reportage-Bilder im «Stern» veröffentlicht, Stephan Vanfleteren seine erfolgreiche inszenierte Fotografie in der Zeitschrift «mare».

Für ihre Berichterstattung über den NSU-Prozess wurde ein Autoren-Team der «Süddeutschen Zeitung» mit einer Sonderauszeichnung bedacht. Die vier Berichterstatter hätten den von 2013 bis 2018 dauernden Prozess vom ersten bis zum letzten Tag begleitet und vorbildlich aufbereitet, lobte «Stern»-Chefredakteur Gless.

Für Gesprächsstoff sorgte der Fälschungsfall Relotius, den der «Spiegel» im eigenen Haus im Dezember 2018 aufgedeckt und öffentlich gemacht hatte. Dazu liegt der Untersuchungsbericht einer Kommission vor, der auch Versäumnisse im «Spiegel»-Gesellschaftsressort im Umgang mit dem Reporter darlegt. Relotius hatte in seinen Beiträgen unter anderem Protagonisten und Szenen erfunden.

Wie die Sicherungsmechanismen an einigen, wenigen Stellen im Haus versagt hätten, «das ist schon ganz schön hart», sagte «Spiegel»-Chefredakteur Steffen Klusmann bei einer Podiumsdiskussion. «Die Vorgesetzten von Relotius haben, als der erste Verdacht aufkam, zu langsam reagiert», kritisierte er. Klusmann hatte die «Spiegel»-Chefredaktion erst Anfang 2019 offiziell übernommen.

Als eine Konsequenz aus dem Betrugsfall hat der «Spiegel» eine Ombudsstelle eingerichtet, die auch künftig möglichen Hinweisen auf Ungereimtheiten in Beiträgen nachgehen soll. Über eine solche Ombudsstelle bei Gruner + Jahr nachzudenken, könne sie sich ebenfalls vorstellen, sagte Verlagschefin Jäkel. Beim «Stern» wurde bereits reagiert: Auslandsreporter müssten der Dokumentation Kontaktdaten der Protagonisten nennen, die in den zu veröffentlichenden Beiträgen eine Rolle spielen, erläuterte «Stern»-Chefredakteur Florian Gless. Die Wochenzeitung «Die Zeit» und ihr Online-Portal haben ebenfalls ihre Arbeitsstandards überarbeitet, sie sind verbindlich für alle Autoren.

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