Eine Arte-Dokumentation gibt Einblicke ins heutige Leben von Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Er ist alt und gebrechlich geworden.
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Der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow am Pariser Platz, im Hintergrund das Brandenburger Tor. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Michail Gorbatschow war einst der mächtigste Mann der Sowjetunion.
  • Um den 90 Jahre alten Gorbatschow ist es einsam geworden.
  • Eine Doku zeigt Einblicke sein Leben heute.

Ein Dokumentarfilmer spricht mit Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Die beiden kennen sich seit mehr als 30 Jahren. Wie lebt der einst mächtigste Mann der Sowjetunion heute? Arte-Zuschauer erfahren es.

In einem vom russischen Staat bereitgestellten Haus lebt er mit Katze und Haushälterinnen. Er läuft mit einer Gehhilfe. Und besucht seine Stiftung in Moskau, die längst auch untervermieten muss, um sich den Unterhalt zu leisten.

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Michail Sergejewitsch Gorbatschow mit seiner Gehhilfe. - Youtube/@ARTEde

So zeigt der prominente russische Dokumentarfilmer Vitaly Mansky den einst mächtigsten Mann des früheren kommunistischen Imperiums. Und zwar in seinem Porträt «Gorbatschow. Paradies».

Er solle seinen Film «Gespräch mit einem Narren» nennen, sagt der Friedensnobelpreisträger zu Beginn des Streifens in Spielfilmlänge. Seit dem Tod seiner Frau Raissa 1999 sei das Leben für ihn die Hölle.

«Meine Kraft lässt nach»

Mansky kennt Michail Sergejewitsch Gorbatschow seit Jahrzehnten. Er hat ihn schon als einen der Väter der deutschen Wiedervereinigung gezeigt. Und als Weltenveränderer mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung).

Als Totengräber, der vor 30 Jahren aufgelösten Sowjetunion ist Gorbatschow in seiner Heimat unbeliebt; im Ausland hingegen schätzen ihn Millionen Menschen, weil er vielen die Freiheit brachte. Gorbi, wie ihn die Deutschen herzlich nennen, hat nicht nur den Mauerfall mit ermöglicht. Sein Name steht auch für grosse atomare Abrüstungsinitiativen mit den USA.

Doch zeigt Mansky hier einen Gorbatschow auf sehr intime Weise als gebrechlichen Greis. Als historische Persönlichkeit in einem von Krankheiten gezeichneten Körper. «Meine Kraft lässt nach», sagt er.

Darstellung von Michail Sergejewitsch Gorbatschow ist untypisch

Der erste und letzte Präsident der Sowjetunion bricht hier auch mit kulturellen Traditionen seiner Heimat. Autoritäten werden stets im strahlenden Licht gezeigt, Gorbatschow ist aber auf Hilfe angewiesen. Zu sehen ist er beim Essen - und Wodka trinken. Er nickt ein, rezitiert Gedichte, singt Lieder.

Deutlich arbeitet Mansky den Kontrast zur sonstigen Darstellung von Staatenlenkern in autoritären Systemen heraus: Im Hintergrund ist Präsident Wladimir Putin im Fernsehen zu sehen. Der Kremlchef ist für viele Russen der Inbegriff eines starken Anführers. Er hält sich seit mehr als 20 Jahren an der Macht. Ende nicht in Sicht.

Michail Sergejewitsch Gorbatschow hingegen lässt sich schonungslos mit seinen Schwächen filmen; er trat vor 30 Jahren freiwillig ab. Nun wird klar, dass er sich auf das Sterben vorbereitet. In einer Filmszene steht der einstige Generalsekretär der Kommunistischen Partei an Raissas Grab auf dem Prominentenfriedhof des Moskauer Neujungfrauenklosters. Schon vor Jahren liess er sich hier neben ihr einen Platz sichern.

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Michail Sergejewitsch Gorbatschow (R) mit Ronald Reagan beim Gipfeltreffen in Genf (1985). - Keystone

Mansky hat auch über Putin einen Film («Putins Zeugen») gedreht. Wenn er die beiden vergleicht, sagt er, dass Gorbatschow sich vor allem durch seine «menschliche Wärme» von Putin unterscheide. An der Macht sei heute «kein Mensch», sondern eine von der Gesellschaft entrückte «Figur aus Plastik». Gorbatschow werde mit dem Film ein Denkmal gesetzt - als jemand, der an die Demokratie in Russland glaubt.

Die Dokumentation auf Arte.
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