Leichter Besucherzuwachs nach erster Festivalwoche in Locarno
Das 78. Locarno Film Festival hat in den ersten Tagen einen Besucherzuwachs von fünf Prozent verzeichnet.

Höhepunkt der ersten Festivalwoche war der Auftritt des Hongkonger Schauspielers Jackie Chan, der auf der Piazza Grande den Pardo alla Carriera entgegennahm.
Zwar haben bis und mit Sonntagabend im Vergleich zum Vorjahr mehr Besucherinnen und Besucher das Locarno Film Festival insgesamt besucht. Aber auf der Piazza Grande waren es weniger, wie der kaufmännische Direktor des Festivals, Raphaël Brunschwig, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte. Dafür stiegen die Besucherzahlen in den Sälen, und zwar um elf Prozent.
Höhepunkt der ersten Festivalwoche war der witzige und energiegeladene Auftritt des Hongkonger Schauspielers und Regisseurs Jackie Chan am Samstagabend auf der Piazza Grande. Der 71-Jährige nahm den Pardo alla Carriera für sein Lebenswerk entgegen.
Für Unmut bei Filmfans dürfte der Freitagabend gesorgt haben. Mehreren hundert Besucherinnen und Besuchern blieb der Eintritt auf die Piazza Grande verwehrt. Sie mussten den Film «Dead Winter» mit Emma Thompson sowie den Live-Auftritt der Britin auf der Piazza Grande von der Fevi-Halle aus am Stadtrand verfolgen.
Am Freitag sei die Piazza Grande vollständig ausgelastet gewesen, hiess es seitens der Festivalleitung auf Anfrage von Keystone-SDA. Die Sicherheit des Publikums habe oberste Priorität, und in den vergangenen Jahren sei die offizielle Sitzplatzkapazität der Piazza Grande schrittweise von 8000 auf 6500 reduziert worden, um «höchste Standards bezüglich Sicherheit und Komfort» zu gewährleisten.
«Sentimental Value» war Filmischer Piazza-Höhepunkt der ersten Woche
Neben dem regulären Ticketverkauf gebe es über 5000 Akkreditierte, was die Besucherzahlen schwer kalkulierbar macht, hiess es weiter. Bei Erreichen der Kapazitätsgrenze auf der Piazza Grande werde das Publikum in den Palazzetto Fevi umgeleitet, der zusätzliche 2400 Sitzplätze bietet. Am Freitag schauten 750 Personen den Film im Fevi.
Die Bilanz des filmischen Piazza-Programms der ersten Festivalhälfte fällt durchzogen aus. Für Schulterzucken sorgte der französisch-armenische Film «Le Pays d'Arto» zum Auftakt des Festivals. Am Donnerstag überzeugte «The Birthday Party» und Willem Dafoe dann schon eher. Der Film, der sich um einen machtgierigen, überdominanten Vater mit Privatinsel in Griechenland und dessen Tochter dreht, entwickelte einen sommerlich-flirrenden Sog aus Musik und prall-farbigen Bildern unter dem Tessiner Nachthimmel.
Der jüngste Film von Emma Thompson, die sich am Freitag auf der Bühne selber fragte, warum sie im Alter von 66 Jahren noch mit Actionfilmen beginne, schied die Geister. Unglaubwürdige Erzählstränge prägen «Dead of Winter», der im winterlichen Minnesota spielt und deshalb auch atmosphärisch nicht so recht ins sommerliche Tessin zu passen schien.
Filmischer Piazza-Höhepunkt der ersten Woche war der mit dem Grossen Preis der Jury in Cannes ausgezeichnete Film «Sentimental Value» von Joachim Trier. Die Auseinandersetzung eines narzisstischen Künstler-Vaters mit seinen beiden unterschiedlichen Töchtern wirft zahlreiche grundsätzlichen Lebensfragen auf und geht unter die Haut. Damit passte er perfekt zu einer Vollmondnacht im vielleicht schönsten Freiluftkino Europas.
Das Locarno Film Festival dauert noch bis zum 16. August.