Die Provinienzforschung bei manchen Gurlitt-Werken bleibt ungeklärt. Doch das Kunstmuseum Bern gibt einige nun an die Erben der ursprünglichen Besitzer zurück.
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Das Aquarell von Otto Dix, Dompteuse, 1922, wird restituiert. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Kunstmuseum Bern verzichtet auf das Eigentum bei Gurlitt-Werken.
  • Der komplette Nachlass wird online zugänglich sein, eine Ausstellung ist geplant.
  • Mehrere Werke, unter anderem von Otto Dix, werden an die rechtmässigen Erben restituiert.

Der Fund der Staatsanwaltschaft in einer Schwabinger Wohnung war eine Sensation: Hunderte Kunstwerke wurden dort gefunden, teils wertvoll, teils von dubioser Herkunft. Die Sache ist noch nicht ausgestanden. Die Entdeckung ist fast zehn Jahre her. Ein Jahr später machte die Sammlung von Cornelius Gurlitt weltweit Schlagzeilen.

Kurz vor dem Jahrestag dieser spektakulären Entdeckung gibt das Kunstmuseum Bern nun weitere Werke aus der umstrittenen Sammlung zurück. Und es stellt den kompletten Nachlass online. «Das Kunstmuseum Bern gibt das Eigentum an Werken mit ungeklärter Provenienz auf», teilte das Museum am Freitag mit.

Zwei Werke von Otto Dix sollen an die Erben der ursprünglichen Besitzer restituiert werden. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge um die Aquarelle «Dame in der Loge» und «Dompteuse»; beide aus dem Jahr 1922.

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Das Werk von Otto Dix wird an die Erben der ursprünglicher Besitzer zurückgegeben. - Keystone

Die «Taskforce Schwabinger Kunstfund», die eingerichtet wurde, um die Gurlitt-Werke zu untersuchen, habe zwar «zu keinem abschliessenden Ergebnis» geführt. Dennoch solle nun die Rückgabe an die Erben der früheren Besitzer erfolgen.

Fünf weitere Bilder will das Museum der Bundesrepublik Deutschland übergeben. Bei ihnen fehlen nach Museumsangaben zwar «Beweise für NS-Raubkunst», sie zeigten aber Hinweise darauf oder «auffällige Begleitumstände». 22 weitere Werke, auf die das ebenfalls zutreffe, sollen zunächst in Bern bleiben und dort weiter erforscht werden.

Hitzige Debatte

Anfang 2012 hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg Hunderte Werke in Gurlitts Schwabinger Wohnung beschlagnahmt. Ein Jahr danach wurde der Fund öffentlich und sorgte für Aufsehen. Eine hitzige Debatte über den Umgang mit von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerken in Deutschland begann. Denn Gurlitts Vater Hildebrand war einer der Kunsthändler Adolf Hitlers.

Nachdem der Fund bekannt geworden war, wurde sogar noch weitere Kunst in Gurlitts Salzburger Haus gefunden. Das Konvolut umfasst insgesamt rund 1600 Werke. 14 Werke aus der Sammlung konnten bislang eindeutig als NS-Raubkunst identifiziert werden; es sind Werke von Künstlern wie Henri Matisse, Max Liebermann, Thomas Couture oder Adolph von Menzel.

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In diesem Schrank bewahrte Gurlitt viele Werke auf. - Keystone

Gurlitt starb 2014 im Alter von 81 Jahren – ohne seine geliebten Bilder noch einmal gesehen zu haben. Er vermachte seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern, das nun jahrelang daran geforscht hat.

2017 wurde am Kunstmuseum Bern dann eine Abteilung für Provenienzforschung eingerichtet. Seit 2017 erforscht sie die Werke des Konvoluts, die von den Nationalsozialisten als sogenannte «Entartete Kunst» diffamiert wurde. Seit 2019 arbeitet das Museum mit der Forschungsstelle «Entartete Kunst» an der Universität Hamburg zusammen.

«Rote» Kunstwerke

Mit der Bundesrepublik einigte sich das Museum nach Bekanntwerden des Testamentes auf eine sogenannte Provenienzampel. Diese ordnet die Werke je nach Raubkunst-Verdacht per Farbcode ein. An «roten» Kunstwerken, die als NS-Raubkunst identifiziert werden konnten, hat das Kunstmuseum Bern das Eigentum schon aufgegeben.

Jetzt folgen die aus der vom Museum neu formulierten Kategorie «Gelb-Rot». Für diese gilt nach Museumsangaben: «Die Provenienz zwischen 1933 und 1945 ist nicht abschliessend geklärt, sie weist Lücken auf.»

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Es wird an der Provinienz der Werke geforscht und sie werden restauriert. - Keystone

Das Museum hat den gesamten Nachlass Gurlitt neu dokumentiert und in eine Online-Datenbank gestellt. Darin sollen auch alle neuen Forschungsergebnisse veröffentlicht werden. Für Herbst 2022 ist eine umfangreiche Ausstellung zum Nachlass Gurlitt geplant, wie das Museum mitteilte.

«Der Umgang mit dem Erbe von Cornelius Gurlitt war und ist für das Kunstmuseum Bern eine riesige Herausforderung». Das sagte Museumsdirektorin Nina Zimmer. «Wir haben noch viele weitere Aufgaben vor uns.»

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Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern. - Keystone
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