Brüssel statt Kochtopf: Sarah Wiener zieht ins EU-Parlament ein. Sie hat vom Boom der Grünen profitiert. Wie will sie Fernsehen, Kochen und Politik unter einen Hut bringen?
Sarah Wiener zieht für die österreichischen Grünen ins EU-Parlament ein. Foto: Hans Klaus Techt
Sarah Wiener zieht für die österreichischen Grünen ins EU-Parlament ein. Foto: Hans Klaus Techt - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Sarah Wiener sagt, sie habe «wilde Wochen» hinter sich.
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Die Fernsehköchin hat Wahlkampf für die österreichischen Grünen gemacht - für die hatte es in den letzten Jahren nicht gut ausgesehen. 2017 flogen die Grünen aus dem Parlament.

Die Partei hatte sich «zerspragelt», wie es Wiener vor der Wahl formulierte. Das ist österreichisch und heisst so viel wie «zerlegt». Aber wie in Deutschland sind die Grünen auch in Wieners Heimatland enorm erstarkt. Sie kamen bei der Europawahl auf 14 Prozent.

Damit steht seit Sonntagabend fest: Sarah Wiener geht als Quereinsteigerin in die Politik - und nach Brüssel. Die 56-Jährige hatte hinter dem Chef der österreichischen Grünen, Werner Kogler, als Listenzweite um den Einzug gekämpft. Vom guten Ergebnis der Partei ist sie überrascht: «Damit hat keiner gerechnet», sagt sie am Wahlabend der Deutschen Presse-Agentur. Sie selbst sehe das Votum als «Vertrauensvorschuss» ihrer Wähler. Das klingt schon ganz nach Berufspolitikerin.

Als Expertin für Ernährung und Landwirtschaft will sie sich mit diesen Themen im Parlament befassen. «Es geht um Alternativ-Modelle zur Agro-Industrie.» Momentan werde eine innovative, neue und nachhaltige Landwirtschaft durch Lobbyisten und ungenügende Transparenz verhindert.

«Die Anstrengung und die Lernkurve eines dreimonatigen Wahlkampfs liegen jetzt hinter mir. Jetzt muss ich die nächste Lernkurve nehmen und die heisst: Sarah goes to Brüssel», sagt Wiener. Der neue bevorstehende Lebensabschnitt nötige ihr Respekt ab. «Der Wahlkampf war die Kür, jetzt kommt die Pflicht.»

Sarah Wiener war unter den Promi-Köchen schon immer ziemlich politisch. Ihr Name ist zur Marke geworden. Sie hat sich mit viel Charme in der Welt der Herdmachos behauptet. Wiener steht für eine Meinung, ein bisschen wie bei Jamie Oliver in England. «Ich möchte keine Chemie im Essen»: Das ist ein typischer Wiener-Satz. Man kann sie auch etwas nervig finden; für Anfeindungen hat sie sich einen eigenen Ordner angelegt.

Die Österreicherin hat sich ohne Schul- oder Berufsabschluss zur bekanntesten TV-Köchin Deutschlands hochgearbeitet. In den 80er Jahren zog es sie nach West-Berlin, wo ihr Vater, der Schriftsteller und Jazzmusiker Oswald Wiener, das Szenerestaurant «Exil» führte.

Dort kultivierte sie in der Küche ihre Leidenschaft für Mehlspeisen. 1990 kaufte sie einen Wagen der DDR-Armee und bekochte Filmteams. Ihr erster Auftrag: ein Dreh mit Tilda Swinton. Der erste Kredit von 10 000 Mark war ein Schlüsselmoment, der Verpflichtungen brachte. Es war «vorbei mit dem Lotterleben», wie sie einmal sagte.

Es folgten: Kochbücher, Fernsehen, Restaurants, eine Bäckerei, gerade ein Buch über Bienen. Ausserdem betreibt sie in Brandenburg den Biobauernhof Gut Kerkow. Der Wille, etwas Neues zu machen, ist bei der Unternehmerin also keine Überraschung.

Was aus all dem wird, wenn Sarah Wiener nach Brüssel zieht? Vor der Wahl sagte sie dazu, sie wolle noch ein paar Sachen nebenbei machen können. Sie sei nicht im Tagesgeschäft, weder in ihrem Unternehmen noch auf ihrem Bauernhof, sie habe ein Spitzenteam. Aber: «Meine Kolumnen, Bücher, Dreharbeiten, alles, was ich selber gemacht habe: Das werde ich zurückfahren müssen.» Bei Facebook klingt Wiener am Sonntag euphorisch: «Politik wird für uns gemacht! Nehmen wir sie uns. Ändern wir die Welt.»

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