Fast 40 Jahre nach «Hurra, hurra, die Schule brennt» will die Deutschrock-Truppe Extrabreit es nochmal wissen. «Auf Ex!» heisst das Album der einstigen Neue-Deutsche-Welle-Band. Trotzig und laut sind sie noch immer, ihre Themen aber «altersgemäss».
extrabreit
Nach zwölf Jahren legen Extrabreit ein neues Album vor. Foto: David Young/dpa - dpa-infocom GmbH
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Von rotzigen Jungs, die die Schule anzünden, zu entspannten Vertretern älterer Semester, die im Oldtimer-Cabrio durchs Ruhrgebiet cruisen: Extrabreit, Urgesteine der Neuen Deutschen Welle ab Ende der 1970er Jahre, haben nochmal Gas gegeben.

«Auf Ex!» heisst das neue Album - rockig, punkig, laut und schnell ist es wieder geworden. Aber die Themen haben sich mit dem Alter «der Breiten» - wie sie sich gerne nennen - ziemlich gewandelt.

«Wir sind ja nun fast alle in unseren Sechzigern», sagt Sänger Kai Havaii (63) der Deutschen Presse-Agentur. Da drängten sich auch andere Themen auf als noch etwa beim bisher letzten Album von 2008 («Neues von Hiob»). Also: «Der Verlust von Menschen, die einem nahestanden, auch Gedanken über das eigene Ende. Durch manche Songs zieht sich eine gewisse Melancholie, aber eine der trotzigen, nicht der depressiven Art.»

In einem kräftigen Anlauf sind es 13 Songs und drei Bonusstücke geworden. Eine Verbindung zu gefeierten frühen Stücken wie «Polizisten», dem Klassiker «Hurra, hurra, die Schule brennt» oder auch dem Duett-Experiment mit Hildegard Knef («Für mich soll's rote Rosen regnen») lässt sich 42 Jahre nach der Bandgründung kaum erkennen. Havaii betont aber, es sei ein klassisches Extrabreit-Album mit schnellen Punknummern bis zu Balladen geworden. Man habe sich nicht neu erfunden: «Der Vorwärtsdrang und die Lust am Leben stecken nach wie vor drin.»

Und warum hat es zwölf Jahre gedauert? Die Band habe keinen besonderen Antrieb gehabt, nachdem man mit der Resonanz auf die letzte Platte nicht wirklich glücklich war, räumt Gitarrist Stefan Kleinkrieg (64) ein. Die fünf Musiker - dazu gehören Drummer Rolf Möller (64), Gitarrist Bubi Hönig (65) und Bassist Lars Lasson (46) - konzentrierten sich seitdem auf Konzerte und Tourneen.

Aber natürlich hat Corona für 2020 alle Planungen über den Haufen geworfen, die Tour ist auf 2021 verschoben. «Es ist, wie es ist, und wir jammern nicht», stellt Bandgründer Kleinkrieg klar.

Die einstige Garagenband aus der linken Szene ihrer Heimatstadt Hagen verzichtet auf Klare-Kante-Botschaften gegen Rechts. «In Zeiten wie diesen, wo jeder in unbeschränktem Ausmass auf allen Kanälen Meinungen absondert, fanden wir es überflüssig, uns in diesen Chor einzureihen», sagt Kleinkrieg. Wo man politisch stehe, habe man immer wieder bei verschiedenen Initiativen und Rock-gegen-Rechts-Konzerten deutlich gemacht, ergänzt Havaii.

Etwas überraschend kommen Titel wie «Meine kleine Glock» oder «Robotermädchen» daher. Die Schusswaffe als «meine letzte Freiheit»? Es gehe darum, selbstbestimmt aus dem Leben scheiden zu dürfen - und er hoffe, dass es dafür in Deutschland bald «legale und sanfte Wege» geben werde, erläutert Havaii. Und «Robotermädchen» sei der satirische Blick in die «nicht allzu ferne Zukunft, in der es extrem menschenähnliche Haus-Androiden gibt, die auch als Liebespartner fungieren können».

Bei «Auf Ex!» steht am Anfang aber erst mal die Frage, warum es Extrabreit überhaupt noch gibt. Antwort: «Das liegt einfach daran, dass wir noch leben.» Zu hören im ersten Song «Die Fressen aus dem Pott». Er war zuvor ausgekoppelt worden. Im dazu seit Wochen kursierenden Video sausen die Musiker an Wahrzeichen des Ruhrgebiets vorbei, singen, feiern, mampfen Currywurst/Pommes.

Kann man annehmen, dass es auch nach dem neuen Album noch keine Rentenpläne gibt? «Solange es geht und Spass macht und ein Publikum da ist, warum aufhören?», findet Kleinkrieg. Und schiebt ironisch hinterher: «Mit grimmigem Humor warten wir auf das biologische Ende der Band.» Für Kai Havaii steht fest: «Ich werde bestimmt nicht als Mumie auf die Bühne gehen.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Musiker