Eigentlich soll Carl Mørck mit seinem Sonderdezernat Q alte, kalte Fälle lösen. Sein achter Fall aber ist so aktuell wie nie und führt den Ermittler und seinen Assistenten Assad nach Deutschland.
Der achte Fall für Carl Mørck: «Opfer 2117» von Jussi Adler-Olsen. Foto: -/dtv Verlag/dpa
Der achte Fall für Carl Mørck: «Opfer 2117» von Jussi Adler-Olsen. Foto: -/dtv Verlag/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jussi Adler-Olsen ist politisch, keine Frage.

Die Bücher des Dänen über den kauzigen Ermittler Carl Mørck und das Sonderdezernat Q greifen immer wieder gesellschaftspolitische Phänomene und Missverhältnisse auf.

So politisch wie in seinem neuen Buch aber war das Sonderdezernat Q noch nie: In «Opfer 2117», das es - wie für Adler-Olsen (69) üblich - wieder aus dem Stand an die Spitze der Bestseller-Liste schaffte, geht es um Flüchtlinge, die im Mittelmeer sterben, um Terror in Berlin und einen jungen Mann, der sich in der Abgeschiedenheit seines Zimmers und in der virtuellen Welt eines Ballerspiels in blutigen Rachefantasien verliert.

Vor allem aber geht es um Assad, den geheimnisvollen Assistenten von Carl, der inzwischen nach einem Jahrzehnt der Zusammenarbeit zum Freund geworden ist - aber darum nicht weniger mysteriös. Carl muss feststellen, dass vieles, was er über Assad zu wissen glaubte, falsch war. Er kommt nicht etwa aus Syrien, sondern wurde im Irak geboren, wuchs in Dänemark auf und war nicht weniger als ein Top-Elite-Soldat der dänischen Armee.

Bei einem UN-Einsatz im Irak vor vielen Jahren aber ging so Einiges schief: Schliesslich musste Assad (gemeinsam mit Carls verhasstem Vorgesetzten Lars Bjørn) dessen Bruder aus einem Gefängnis Saddam Husseins befreien und geriet selbst in die Fänge der saddamschen Gefolgsleute - ebenso wie seine geliebte, damals schwangere Frau und die beiden kleinen, gemeinsamen Töchter.

Seit 16 Jahren hatte Assad sie nicht mehr gesehen. Doch dann tauchen sie plötzlich auf einem Foto in der Flüchtlings-Reportage einer spanischen Zeitung wieder auf. Sie sind über das Mittelmeer nach Zypern gekommen; und zwar in Begleitung des Mannes, der Assads Leben und das seiner Familie zerstört hat: Ghaalib.

In der Reportage, die Assads alte Wunden wieder aufreisst, geht es um das titelgebende «Opfer 2117», eine tote Frau aus dem Nahen Osten, die an Zyperns Küste angespült und auf der «Tafel der Schande» in Barcelona, wo die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge angezeigt wird, als «Opfer 2117» vermerkt ist. Allerdings stellt sich raus, dass sie nicht - wie Hunderte andere - ertrunken ist, sondern ermordet wurde.

Schnell wird klar: Ghaalib steckt dahinter. Und er ist nicht nur auf einem persönlichen Rache-Feldzug gegen Assad, er plant auch einen Terroranschlag mitten in Berlin. Ein brutaler, menschenverachtender Terrorist, als Flüchtling nach Europa gekommen: Adler-Olsen thematisiert ein grosse Angst, mit der in Europa seit nunmehr Jahren Stimmung gemacht wird. Ganz nebenbei meldet sich auch noch der arme Irre Alexander beim Sonderdezernat Q, der «Opfer 2117» huldigen will, indem er erst seine Eltern und dann wahllos andere Menschen umbringen will. Rose und Gordon versuchen alles, das zu verhindern.

Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, um den Terroranschlag in Berlin zu vereiteln und den Amoklauf in Dänemark - und ganz nebenbei auch noch Assads so lange verloren geglaubte Familie zu retten. Adler-Olsen erzählt diese vielen Geschichten, die doch alle zusammenhängen, aus unterschiedlichen Perspektiven: Aus Assads und Carls, Ghaalibs und Alexanders, Roses und Gordons und aus der von Joan, eines erfolglosen, spanischen Reporters, der mit der Geschichte über «Opfer 2117» Kasse machen will und sich dafür sogar von Terroristen einspannen lässt. Auch die Medien kriegen ihr Fett weg bei Adler-Olsen.

Das alles wird stellenweise etwas überladen. So, als wolle der Star-Autor zuviel. Allerdings gelingt es ihm vor allem, eins zu zeigen: Hinter jedem Flüchtling, der an einem europäischen Strand ankommt, verbirgt sich eine Geschichte, die oft fürchterlich tragisch und traurig ist.

- Jussi Adler-Olsen: Opfer 2117, dtv München, 585 Seiten, ISBN 978 3423282109.

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