Noch ein Jubiläum mit dem Ausgangspunkt 1969: Vor 50 Jahren brachten Neil Young und die US-Band Crazy Horse ihr Debüt heraus. Auf «Colorado» beeindrucken vier in Ehren ergraute Recken nun wieder mit grandiosem Gitarrenrock - und klarer Öko-Botschaft.
Lust am Krach und idealistischer Furor: Neil Young. Foto: Nils Meilvang/epa/dpa
Lust am Krach und idealistischer Furor: Neil Young. Foto: Nils Meilvang/epa/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Vier Männer zwischen 68 und 76, insgesamt 293 Jahre Lebenserfahrung.

Doch Neil Young & Crazy Horse rocken auf dem neuen Album «Colorado» drauflos wie einst im Mai, als sie ihr Band-Debüt «Everybody Knows This Is Nowhere» (1969) veröffentlichten.

Fünf Jahrzehnte ist das jetzt her - ein Musikjubiläum, das neben Woodstock und «Abbey Road» von den Beatles zuletzt etwas unterging.

Heute bilden der längst legendäre Kanadier Young und seine drei US-Begleiter eine der ältesten aktiven Bands neben den Rolling Stones und The Who. Aber weder Müdigkeit noch Altersmilde sind zu spüren in diesen Späthippie-Songs und dem typisch rohen Sound, der auch nach 50 Jahren noch klingt, als käme er direkt aus einer mit staubigen Verstärkern und Instrumenten vollgestopften Garage.

Zwar bietet «Colorado» keine hypnotischen Rock-Bretter von 27 Minuten wie das letzte gemeinsame Album von Neil Young & Crazy Horse, ihr tolles «Psychedelic Pill» (2012). Das längste Stück «She Showed Me Love» dauert diesmal «nur» gut 13 Minuten (und franst am Ende etwas ziellos aus), die anderen neun sind deutlich kürzer. Aber das heisst nicht, dass «Colorado» die Lust am Krach und idealistischen Furor vermissen liesse.

«Du könntest sagen, dass ich ein alter weisser Kerl bin/und ja, ich bin ein alter weisser Kerl...», singt Woodstock-Veteran Neil Young, während sich der seit Jahrzehnten wohlbekannte, aber immer noch innig geliebte struppige Crazy-Horse-Gitarrengroove hinter ihm aufbaut. Beklagt sich ein alter weisser Mann da gleich trotzig über angebliche Zumutungen der #MeToo-Bewegung? Man erinnert sich, dass der heute politisch links stehende Young durchaus störrisch-reaktionäre Phasen hatte.

Aber weit gefehlt: Bevor Hörer von «She Showed Me Love» auf die Idee kommen könnten, dass sich Young (73), Bassist Billy Talbot (76), Schlagzeuger Ralph Molina (76) und der zweite Gitarrist Nils Lofgren (68) männerbündisch wehleidig im Ton vergreifen, biegt die Band in Richtung Öko-Protest ab: «Ich habe viele weisse Typen gesehen/die versucht haben, Mutter Natur zu ermorden...»

Der vielfach für den Umweltschutz engagierte Songwriter Young ist also bei seinem derzeitigen Lieblingsthema angelangt. Und auch andere «Colorado»-Textzeilen dürften jugendlichen Aktivisten von «Fridays for Future» ebenso gefallen wie altgedienten Rockfans.

Etwa die Pianoballade «Green Is Blue» über Politiker-Lügen zum Klimawandel und die Versäumnisse der eigenen älteren Generation («We watched the oceans rise...»). Oder das so wütende wie hoffnungsvolle «Shut It Down». In Liedern wie «Eternity», «Milky Way» oder «I Do» widmet sich Young - auch das kennt man von ihm - dem sentimentalen Blick in den Rückspiegel. Seine in ihrer Zerbrechlichkeit sehr anrührende Fistelstimme verfehlt ihre Wirkung dabei nicht.

So pendelt das Album zwischen politischen und persönlichen Texten, zwischen rauen E-Gitarren-Songs wie einst im Young-Klassiker «Like A Hurricane» und zarten Akustikstücken im Stil seines Superhits «Heart Of Gold». Fazit nach gut 50 «Colorado»-Minuten: Bei allem Respekt für die viel jüngere Begleitband Promise Of The Real sind die knorrigen Veteranen von Crazy Horse wohl nach wie vor Neil Youngs ideale Ergänzung.

Diese Kombination hat mit Meisterwerken wie «Zuma» (1975), «Rust Never Sleeps» (1979) oder «Ragged Glory» (1990) Rockgeschichte geschrieben. Und sie fügt noch im weit fortgeschrittenen Alter ein künstlerisch relevantes Kapitel hinzu - Chapeau!

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