Konzert

Konzert in Bern: Chris von Rohr im grossen BärnerBär-Interview

Reinhold Hönle
Reinhold Hönle

Bern,

Chris von Rohr (74) spricht anlässlich des Konzerts in der Berner Festhalle über den dritten Frühling von Krokus, seine Beziehung zu Gotthard und Kreta.

Heavy Metal
Krokus und Gotthard rocken im Dezember in der Festhalle gemeinsam auf der Bühne. - Ueli Frey

BärnerBär: Nach dem Krokus-Auftritt im Heavy-Metal-Mekka Wacken hast du dir eine Auszeit in Griechenland gegönnt. Was bedeuten dir das Laute und das Leise?

Chris von Rohr: Schon zum dritten Mal und vor 85'000 Zuschauern in Wacken auftreten zu können, war für alle in der Band der Wahnsinn!

Danach zog es mich einmal mehr in den Süden Kretas, wo es rundherum nur Olivenbäume, Schafe, Meer, wenig Menschen, zwei Tavernen und sehr viel Ruhe gibt.

Die vier Wochen waren wie eine Waschmaschine, die den ganzen Alltagsstress und die ewige Geschäftigkeit von dir abwäscht. Da kann ich wirklich runterfahren.

BärnerBär: Du hast sogar Deinen Computer zu Hause gelassen?

Von Rohr: Nein, ich schreibe Kolumnen und Essays, das behalt ich auch auf der Insel bei. Aber ich habe ihn auch mal zwei Wochen nicht angerührt. Und nicht vermisst.

Meine Tochter Jewel und ihr Partner besuchten uns. Ein paar Freunde, darunter auch Gölä, schauten vorbei. Obwohl die Leidenschaft und die Energie noch voll da sind, werden mir solche Breaks immer wichtiger.

BärnerBär: Wie ist Kreta zu Deiner zweiten Heimat geworden?

Von Rohr: Vor bald zwanzig Jahren lernte ich im Süden der Insel einen Seemann und Musikfan kennen, der mir sagte, dass er ein Stück Land und ein bescheidenes Haus besässe.

Ich könne damit machen, was ich möchte, er würde mir einen lebenslänglichen Mietvertrag geben. Da konnte ich nicht nein sagen, denn dieser Ort ist magisch.

Du spürst die Natur auf eine andere Art, kannst komplett mit ihr verschmelzen.

BärnerBär: Wie sieht bei dir ein typischer Kreta-Tag aus?

Von Rohr: Um den Sonnenaufgang nicht zu verpassen, stehe ich früh auf, mache meistens etwas Qigong und ein paar Stretching-Übungen, springe vielleicht kurz noch aufs Trampolin, oder mache einen Spaziergang.

In wenigen Minuten bin ich am Strand, mache einen Morgenschwumm oder trinke in der herrlichen Bar mit den orangen Stühlen einen Cappuccino.

BärnerBär: Gibts auch einen Chris, der am Strand sitzt und bei Sonnenuntergang auf der akustischen Gitarre spielt?

Von Rohr: Die akustische Gitarre habe ich immer dabei und spiele sie auch immer; das totale Kitsch-Klischee ist jedoch nicht mein Ding. Ich geniesse entweder den Sonnenuntergang oder spiele ganz bewusst Gitarre.

Chris von Rohr
Kreta ist für Chris von Rohr zur zweiten Heimat geworden. - keystone

BärnerBär: Es gab schon viele Frauen in Deinem Leben. Weshalb hast Du bisher noch von niemandem so geschwärmt wie von Patricia?

Von Rohr: Abgesehen davon, dass sie einfach ein herrlicher Mensch ist, hatte ich noch nie eine Partnerin, die mich so verstanden und erkannt hat und mich so gut nehmen konnte wie sie.

Wir lachen auch viel. Das ist wichtig, damit die Liebe lebendig bleibt. Ausserdem lassen wir uns genügend Freiheiten, um uns nicht auf den Geist zu gehen. Wir waren jedoch in den fünf Jahren noch nie länger als zwei Wochen getrennt.

BärnerBär: Du hast in einem Interview gesagt, Patricia wäre trotz ihres jüngeren Jahrgangs reifer als du und erlaube dir so, das Kind in dir auszuleben.

Von Rohr: Sie ist wohl definitiv die ältere Seele als ich mit meiner kindlichen Verspieltheit, aber sie liebt und feiert meine Verrücktheiten. Wenn ich zu sehr am Hüpfen und Hypern bin, kann sie auch mal die Bremse ziehen und mich etwas grounden.

BärnerBär: Was tut sie, wenn du mit den Jungs spielen gehst?

Von Rohr: Sie findet es mega, dass wir noch rocken und ist von der Band und meinem ganzen übrigen Umfeld super aufgenommen worden.

Pat kommt hin und wieder an die Konzerte, wenn sie Lust und Zeit hat. Sie arbeitet ja noch und liebt es auch mal Zeit alleine zu verbringen.

Konzert in der Berner Festhalle

BärnerBär: Krokus und Gotthard geben kurz vor Weihnachten Doppelkonzerte in Bern und Zürich. Wie kam es dazu?

Von Rohr: Wir haben das vor ein paar Jahren schon einmal gemacht und dachten, es wäre cool, die Idee wieder aufleben zu lassen. Unser Manager und die Veranstalter waren begeistert.

Zwischen unseren Bands passt es einfach. Da gibt es unter uns keine «Schnäbi-Vermessereien» oder Konflikte. Beide Seiten sagten sofort: Auf geht’s, let’s rock!

BärnerBär: Wie laufen diese Abende genau ab?

Von Rohr: Den Anfang macht Bluedög, ein befreundeter Blueser. Dann spielen wir und Gotthard jeweils 70-minütige Sets und zum Schluss geben beide Bands gemeinsam vier Songs als Zugabe.

Bei der diesjährigen Premiere in Basel war das so geil, dass sogar Tränen im Publikum flossen.

BärnerBär: Hält sich die Rivalität in Grenzen, weil die Bands ihre grössten Erfolge zu unterschiedlichen Zeiten, in anderen Ländern und mit unterschiedlichem Rock hatten?

Von Rohr: Tatsächlich waren Krokus Pioniere, die sogar in England und Nordamerika tourten.

Während wir auf die Album-Charts zielten und als einzige Schweizer Band Gold und Platin in den USA schafften, wurden Gotthard in der Schweiz und Deutschland auch im Radio gespielt und landeten da mehr Single- und Album-Hits als Krokus.

BärnerBär: Was verbindet Euch?

Von Rohr: Nun, sicher meine elfjährige Zusammenarbeit mit Gotthard. Die Liebe zur Musik und unser Drummer Flavio Mezzodi, der seit 2019 auch Schlagzeuger von Gotthard ist.

Er hatte schon vor 15 Jahren bei unserem Comeback viel Drive reingebracht und einen wesentlichen Anteil daran, dass wir mit vier Nr. 1-Alben in den Schweizer Charts und live sogar erfolgreicher sind als in den Achtzigerjahren.

Sicher nicht zuletzt, weil unser Sänger Marc Storace im Gegensatz zu Altersgenossen wie Ian Gillan (Deep Purple), Axl Rose (Guns N’ Roses) oder Brian Johnson (AC/DC) stimmlich immer noch voll abliefert. Manchmal frage ich mich selbst, wie das alles noch möglich ist.

Persönlich

Bassist, Songschreiber und Produzent Chris von Rohr, der am 24. Oktober 1951 in Solothurn geboren wurde, gründete Krokus 1975. Zusammen mit Gitarrist Fernando von Arb und Sänger Marc Storace bildet er die Achse der Band.

Mit ihrem vierten Album «Metal Rendez-Vous» gelang der internationale Durchbruch. 1983 erreichten die Hardrocker sogar in den USA Platin-Status. Von Rohr, der eine 24-jährige Tochter hat, ist auch als Gotthard-Produzent, «Musicstar»-Juror mit dem Slogan «Meh Dräck», SI-Kolumnist und Autobiograf bekannt.

Seit dem ersten Comeback 2008 sind Krokus wieder regelmässig in den Charts und – nur kurz unterbrochen durch das Abschiedskonzert im Hallenstadion 2019 und Corona – erfolgreich auf Tournee.

BärnerBär: Und wie lautet Deine Antwort?

Von Rohr: Es ist die Gelassenheit einer Band, die sich nichts mehr beweisen muss, aber noch voller Leidenschaft ist. Wir sind von einer grossen Dankbarkeit erfüllt, dass wir einen Weg gefunden haben, das so erleben zu können.

Früher war es ein Kampf, wir hetzten von Platte zu Platte und Konzert zu Konzert – nicht mal im Tourbus blieb Zeit, um Meinungsverschiedenheiten zu besprechen. Ständig brannte irgendwo ein Feuer.

Chris von Rohr
Chris von Rohr: «Publikumsmässig wird 2025 als unser erfolgreichstes Jahr in die Krokus-Geschichte eingehen.» - keystone

BärnerBär: Schliesslich bist Du 1983 aus der Band gedrängt worden. Aus heutiger Sicht ein Glücksfall?

Von Rohr: Absolut. Zuerst war ich schon schockiert. Ich war der Gründer dieser Band und hatte das Gefühl, unser damaliger Manager Butch Stone hätte mir durch seine Intrigen mein Baby weggenommen.

Dann realisierte ich jedoch, dass ich mir – wie viele Menschen, die etwas so Drastisches erleben – überlegen muss, welche Chancen das birgt. So konnte ich endlich niederschreiben, was einst in diesem trümmligen, nebligen Solothurn begonnen hat.

Vor allem den Aufstieg und Fall wollte ich unbedingt beleuchten und verarbeiten und zwar mit ehrlichem, witzigem Klartext, was es damals im Rockbereich so noch nicht gab.

BärnerBär: «Hunde wollt ihr ewig rocken» wurde ein Bestseller.

Von Rohr: Ein Erfolg, der alle Erwartungen übertroffen hat, auch in Deutschland. Danach kamen immer mehr Leute zu mir und sagten, «Du musst schreiben, in deutscher Sprache. Das ist dein grösstes Talent.»

Mittlerweile habe ich mit «Meh Glück!» bereits mein sechstes Buch veröffentlicht und es mit der umfassenden Autobiografie «Himmel, Hölle, Rock’n’Roll» als bisher einziger Musiker auf Platz eins der Sachbuch-Bestseller-Liste gebracht.

BärnerBär: Wie würdest Du Deine Rolle bei Gotthard beschreiben?

Von Rohr: Ich war der Mentor, Vorwärtsreisser und Hitparaden-Platzierer. Unser Manager Jan Bayati sagte einmal, «Ohne dich hätte es Gotthard so nicht gegeben». Punkt. Ende.

BärnerBär: Welches war die Essenz aus Deinen eigenen Erfahrungen, die Du der Band auf den Weg geben wolltest?

Von Rohr: Mein Wahlspruch für eine Band ist «Es gibt nichts Stärkeres als einen starken Song». Da bin ich ein Trüffelschwein.

Wenn ich ihn im Songmaterial für eine neue Scheibe nicht höre, heisst es, «Freunde, ihr müsst nochmals über die Bücher gehen». Das habe ich bei Gotthard und allen anderen Acts, die ich produziert habe, durchgezogen. Schonungslos. Es ist aber auch gut gelungen.

Mit Steve konnte ich mich an meinen Flügel setzen, zwei, drei Akkorde drücken und innerhalb einer halben Stunde hatten wir etwas beieinander, auf das sich bauen liess.

So entstand auch der Oberhit «Heaven». Er steht heute nicht nur in jedem Singbuch, sondern ist ihre und meine dritte Säule! (Lacht)

Chris von Rohr
Chris von Rohr gründete Krokus 1975. - zVg

BärnerBär: Weshalb kam es trotzdem zur Trennung?

Von Rohr: Wir waren unterschiedlicher Ansicht über die musikalische Ausrichtung. Ich sah Gotthard weiterhin als klassische, melodiöse Rockband und nicht als Hardrock-Band.

Sie haben sich jedoch anders orientiert, vor allem nach dem Tod von Steve Lee, was ich nachvollziehen kann, da ein solcher Weltklassesänger nicht zu ersetzen war und Nachfolger Nic Mäder sich mit den neuen Songs emanzipieren, aber zugleich den früheren Hits gerecht werden musste.

BärnerBär: Haben die Meinungsverschiedenheiten keine Wunden hinterlassen?

Von Rohr: Nein, das waren nur musikalische Streitereien, auf der persönlichen Ebene haben sich alle lieb und respektieren sich.

BärnerBär: Worauf liegt der Fokus bei Krokus?

Von Rohr: Unser Sound ist härter und dreckiger. Die Riffs kommen von Fernando und von mir oft die Textidee.

Wir achten zwar mit Marc zusammen auf Gesangslinien, schrieben unsere Songs aber nie fürs Radio, sondern für unsere Alben und Liveshows.

Publikumsmässig wird 2025 als unser erfolgreichstes Jahr in die Krokus-Geschichte eingehen. Es ist mittlerweile ein einziges Erntedankfest.

Magst du Heavy-Metal-Musik?

BärnerBär: Wie entstand «Liverpool», das ihr bei den Doppelkonzerten als Zugabe spielen werdet?

Von Rohr: Als Gotthard ihre letzte Platte machten, spürte ich, dass sie sich freuen, wenn ich zum Gelingen etwas beitragen würde. So fuhr ich mit der Refrain-Melodie und dem Titel zu den Boys ins Tessin, wo wir den Song innert zwei Tagen aufnahmen.

Da ich mit dieser Albumversion noch nicht ganz zufrieden war, kam die Idee auf, wir könnten ihn noch als Duett mit Marc Storace aufnehmen und als Single veröffentlichen.

BärnerBär: Was hat Dich zum Titel inspiriert?

Von Rohr: Ich wollte etwas zum Ort schreiben, der mir wegen den Beatles und dem Fussball besonders nahesteht.

Danach checkte ich «Liverpool» wie jeden anderen Songtitel bei Spotify ab und war erstaunt, dass es ihn noch nicht gab. Das war die Vorlage. Den Rest erarbeiteten wir zusammen.

BärnerBär: Was wünscht Du Dir zum neuen Jahr?

Von Rohr: Möge mein spannendes Leben einfach so weitergehen – dazu: Gesundheit, Frieden und Rock n’ Roll. Danke Universum! (lacht)

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