Dieses Wochenende gehen wir wieder zurück zur Winterzeit. Im Interview erklärt Psychologe Jürg Siegfried, wie der Körper auf die Zeitumstellung reagiert.
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Am Samstag stellen wir unsere Uhren wieder um eine Stunde zurück. (Symbolbild) - KEYSTONE/Christian Beutler
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Am Samstag heisst es für uns alle wieder: «Uhren um eine Stunde zurückstellen». Während der Wechsel zurück auf die Winterzeit den einen weniger Mühe bereitet, brauchen andere länger, sich wieder umzugewöhnen. Nebst den gesundheitlichen Aspekten steht das Thema auch im gesellschaftlichen sowie politischen Diskurs immer wieder im Fokus.

Jürg Siegfried, Psychologe und Geschäftsführer des Medizinischen Zentrums Geissberg in Kloten, erklärt, welche Auswirkungen die Zeitumstellung auf uns hat und wie wir uns besser umgewöhnen können.

Nau.ch: Welchen Einfluss hat die Zeitumstellung auf unseren Körper und unseren Gemütszustand?

Jürg Siegfried: Unsere biologische Uhr reagiert sehr sensibel auf Licht. Dieses hat auf das Schlafhormon Melatonin einen Einfluss und bestimmt damit den Schlaf-wach-Rhythmus. Ein unregelmässiger Tagesrhythmus wie bei der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit wird den sogenannten circadianen Rhythmus verändern. Das ist zwar viel weniger der Fall als beispielswese bei regelmässiger Schichtarbeit wie etwa im Flugbetrieb, im Polizei- oder Notfalldienst.

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Jürg Siegfried ist Psychologe und Geschäftsführer des Medizinischen Zentrums Geissberg in Kloten. - ZVG

Die Unregelmässigkeit der Zeitumstellung führt wissenschaftlich erwiesenermassen ebenfalls zu einem erhöhten Risiko von Adipositas, Diabetes, Herzinfarkten und Leistungsminderung. Das zeigen verschiedene Studien aus Schweden und den USA. Eine Gruppe der schweren Depressionen hängt mit Störungen des Schlaf-wach-Zyklus zusammen.

Nau.ch: Dann sollte man besser auf die Zeitumstellung verzichten?

Gemäss einer Umfrage 2019 in Deutschland lehnen heute 80 Prozent der Menschen die Sommerzeit ab. Warum? Als Erstes entpuppten sich die Ideen der Energieersparnis als politischer Irrtum.

Dieser Irrtum wurde in Krisenzeiten in der Geschichte des 20. Jahrhunderts immer wieder verbreitet und Sommerzeiten daher von vielen Staaten eingeführt und dann wieder gestoppt.

Zum Zweiten führt die Verlängerung der Lichtzeit am Abend zu einer Verlängerung der Dunkelheit am Morgen in der Sommerzeit. Das bedeutet, dass Kinder länger in der Dunkelheit zur Schule müssen und damit auch müder sind.

Zum Dritten entspricht die Sommerzeit nicht dem circadianen Rhythmus. Die Zunahme an Müdigkeit betrifft alle, die früher als vor Beginn des Tageslichtes aktiv sein müssen.

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Die Zeitumstellung ist schon seit der Einführung immer wieder Teil öffentlicher Diskussionen. - KEYSTONE/Steffen Schmidt

1919 wurde die Sommerzeit in Deutschland nach drei Jahren wieder abgeschafft, in Frankreich 1922 nach sechs Jahren, 1923 aber wieder eingeführt, in Griechenland nach 2 Monaten 1932 mit einigem Hin und Her danach. Eine einheitliche Sommerzeitregelung existiert in der EU seit 1996, in der Schweiz seit 1981. Man war – Natur sei Dank – mit den künstlichen Zeitverschiebungen nie so recht glücklich.

Nau.ch: Gibt es Tipps, wie man diese künstlichen Zeitverschiebungen besser meistern kann?

Wichtig vor jeder Umstellung der noch vorhandenen aber politisch umstrittenen Sommerzeit ist eine graduelle Angewöhnung des Körpers. Es ist daher auch bei Umstellung zur Winterzeit ratsam, bereits ein paar Tage davor 10 Minuten später ins Bett zu gehen, damit der Wechsel von der Stunde Umstellung nicht zu abrupt ist. Ansonsten kehren wir im Winter aber zum Normalzustand des natürlichen biologischen Rhythmus zurück und können uns entspannen.

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