Den Frauenverein Bolligen gibt es seit über 90 Jahren. Langweilig, verstaubt und altmodisch ist das Vereinsleben aber nicht. Präsidentin Anita Alagia erzählt.
Frauenverein Bolligen
Anita Alagia ist seit acht Jahren Präsidentin des Frauenvereins, der auch das Buchcafé déjà lu veranstaltet. - zvg
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«Die ehemalige Präsidentin vom Frauenverein kam auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht in den Vorstand möchte. Und mein erster Gedanke war «Nein». Ich dachte mir, beim Frauenverein lismet man nur.» Das erzählt Anita Alagia. Sie lacht.

Das Gespräch mit der Präsidentin hat Alagia vor rund zehn Jahren geführt. Und – man glaubt es kaum – heute ist Alagia seit acht Jahren selbst Präsidentin des Frauenvereins. Die 55-Jährige wohnt in Bolligen und führt eine Gesundheits- und Massagepraxis.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich beim Frauenverein mitmachen soll», sagt Alagia. «Aber ich bin sehr dankbar, dass ich dann doch Vorstandsmitglied wurde.» Im Verein ginge es eben nicht nur um Schiff- und Carfahrten und ums Lisme. «Wir veranstalten Kurse aller Art, Ausflüge, das Café Frauenzimmer oder das Buchcafé déjà lu», sagt Alagia.

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Anita Alagia (links) und die Künstler Selina Maria Batliner und Jean-François Simon an einem Konzert organisiert vom Frauenverein. - zvg

Für die Frau, die Familie und die Gemeinde

Erst letztes Jahr hat der Frauenverein Bolligen sein 90-Jahr-Jubiläum gefeiert. Anita Alagia hat einen Blick in die Protokolle von früher geworfen und war schwer beeindruckt. «Die Frauen haben über die Jahre extrem viel geleistet», sagt sie. «1930 haben sie mit dem Märit, den sie selbst organisiert haben, 6000 Franken eingenommen. Zu dieser Zeit eine unvorstellbare Summe!»

Auch die Protokolle der Nachkriegszeit hinterliessen Eindruck auf Alagia: «Der Frauenverein hat die Kriegszeit überstanden – und blieb dabei politisch und religiös neutral. Der Verein stand für die Sache der Frau, der Familie und der Gemeinde ein. Das finde ich sehr schön.»

«Das Image weiter entstauben»

Der Frauenverein Bolligen hat 450 Mitglieder, ein Grossteil sind Passivmitglieder. «Wir sind gut aufgestellt», sagt Präsidentin Alagia. «Wir suchen aber eine Nachfolgerin fürs Präsidium. Aber wenn sich niemand findet, mache ich sehr gerne nochmals vier Jahre.»

Ihr Ziel für den Frauenverein Bolligen ist, das Image weiter zu entstauben und junge Frauen mit ins Boot zu holen. «Es wäre sehr traurig, wenn das Vermächtnis des Frauenvereins kaputtgeht. Unser Vermächtnis ist nicht nur die Emanzipation, sondern hauptsächlich das «Füreinander da sein», sagt Alagia. «Wir sind eine friedliche, aktive und engagierte Frauenbewegung. Es fäggt eifach!»

Frauenverein Bolligen
Die Jubiläumsfeier vom Buchcafé déjà lu im Spritzenhaus beim Reberhaus Bolligen. - zvg

Ein Notfalltelefon während der Coronakrise

Während des Lockdowns mussten alle Veranstaltungen und Kurse des Frauenvereins abgesagt werden. Stillstand herrschte jedoch nicht. Schon früh im März, als das Händeschütteln verboten wurde, hatte Alagia ein komisches Gefühl in der Magengrube.

«Irgendwie habe ich gespürt, dass noch einschneidendere Massnahmen folgen werden», sagt sie. Sie und der Vorstand entwarfen also einen Flyer und starteten ein Notfalltelefon, das noch bis Ende Mai aktiv ist. «Unter dieser Nummer nehmen wir allerlei Anfragen von Hilfesuchenden entgegen. Sei es für Hilfe beim Einkaufen, beim Kinder hüten oder bei Angst – wir sind für alles da.»

Aufruf des Frauenvereins Bolligen.
Aufruf des Frauenvereins Bolligen. - Screenshot

Über 200 Mal Hilfe geleistet

Mit der Unterstützung von 40 freiwilligen Helferinnen und Helfern konnte der Frauenverein über 200 Mal Hilfe anbieten. «Für ein Dorf wie Bolligen ist das genial», sagt Alagia. Sie nennt ein paar Beispiele: «An einem Samstagabend, kurz nach halb zehn, hat eine Frau mit trauriger Stimme angerufen. Sie müsse am nächsten Tag arbeiten, aber weil das Grosi jetzt nicht mehr auf die Kinder aufpassen kann, braucht sie Unterstützung. Wir haben ruckzuck ein paar Gymnasiastinnen gefunden, die dann auf die Kinder geschaut haben.»

Es haben auch Seniorinnen und Senioren angerufen, die Angst hatten. Angst davor, raus zu gehen, und beschimpft zu werden. «Solche Fragen haben wir dann meist an das Pfarrerteam weitergeleitet», sagt Alagia.

Mittwochsmärit in Bolligen am 13. Mai

Anita Alagia hat zum Ziel, das Hilfsangebot auch nach der Coronakrise weiterzuführen. Wie genau und in welchem Umfang, weiss sie aber noch nicht. Jetzt freut sie sich zuerst über den Mittwochsmärit in Bolligen, der vom Frauenverein gegründet ist und am 13. Mai wieder stattfinden kann.

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