Im Kanton Aargau sollen Mitarbeitende von Sozialbehörden jeden Verdacht auf Missbrauch von Sozialhilfe bei der Staatsanwaltschaft melden. Der Grosse Rat hat am Dienstag die entsprechende Forderung aus den Reihen von FDP, SVP und CVP überwiesen.
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Das Aargauer Parlament. - Keystone
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Das Parlament überwies das Postulat mit 70 zu 58 Stimmen. Die Forderung war ursprünglich als verbindlichere Motion eingereicht worden. FDP, SVP und CVP wollen den Regierungsrat dazu verpflichten, eine neue Gesetzesgrundlage auszuarbeiten.

Die Mitarbeitenden der Sozialdienste von Kanton und Gemeinden sollten bei Verdacht auf Sozialhilfemissbrauch einer umfassenden Strafanzeigepflicht unterstellt werden, lautet die Forderung. Sie sollten auch ihrer Schweigepflicht gegenüber den Strafbehörden entbunden werden.

Gegen den Vorstoss sprachen sich SP, GLP, Grüne und EVP-BDP aus. Auch die CVP äusserte sich kritisch. Die Sozialbehörden seien bereits heute in der Lage, Fälle von Missbrauch zu ahnden. Es solle keine Rechtsungleichheit gegenüber Steuersündern geschaffen werden, hiess es.

Die Anzeigepflicht führe zu einer Misstrauenskultur und zerstöre die Zusammenarbeit, führten die Gegner der Forderung weiter ins Feld. Es dürfe keine «juristische Überwachungskultur» aufgebaut werden. Arme Menschen dürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Jeder Sozialdienst verfüge bereits über Sicherheitsmechanismen. Der Druck auf die Sozialmitarbeiter dürfe nicht gesteigert werden; es brauche mehr Mitarbeitende, argumentierten die Gegner weiter.

Der Regierungsrat sprach sich gegen die Forderung aus. Eine Sonderregelung ausschliesslich bezogen auf den Sozialhilfebereich werde ablehnt. Das Anliegen lasse sich mit kommunalen Arbeitsweisen bereits heute und ohne generelle Meldepflicht erfüllen.

Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP) sagte, eine Ausdehnung der Meldepflicht würde wohl kaum zu einer grösseren Aufklärungsquote führen. Eine Anzeige sei auch möglich ohne eine Pflicht.

Eine allgemeine Meldepflicht würde gemäss Regierungsrat zusätzlich das Ermessen der Gemeinden beschränken und administrativen Mehraufwand seitens der Gemeinden und der Strafverfolgungsbehörden ohne entsprechenden Nutzen verursachen.

Im Aargau schreibt das Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung vor, dass Mitarbeitende des Kantons und der Gemeinden verpflichtet sind, Verbrechen und schwere Vergehen, von denen sie in ihrer amtlichen Stellung Kenntnis erhalten, der Staatsanwaltschaft zu melden.

Dabei handelt es sich um eine Melde- und keine Anzeigepflicht. Mit der Meldepflicht sollen der Staatsanwaltschaft Informationen zukommen, damit diese prüfen kann, ob ein Strafverfahren zu eröffnen ist, wie der Regierungsrat in seiner Stellungnahme erläuterte.

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