Frauenrundgang KONTAKT Hünenberg feiert 50-Jahr-Jubiläum
Drei Hünenbergerinnen erzählten am Frauenrundgang des Vereins KONTAKT Hünenberg Anfang September 2021 den langen Weg zur Gleichberechtigung.

Das «Hünenberg vor 50 Jahren» lehnte das Frauenstimmrecht noch konsequent ab. Wie die Frauen danach den langen Weg zur Gleichberechtigung erlebten, erzählten drei Hünenbergerinnen am Frauenrundgang des Vereins KONTAKT Hünenberg Anfang September 2021.
«Das System, in das wir kamen, war männlich», erinnerte sich Anna Meyer-Meier in ihrem ehemaligen Klassenzimmer im Schulhaus Ehret A sitzend. Als eine von drei Frauen blickte die heute 80-jährige am Frauenrundgang des Vereins KONTAKT zum 50-Jahr-Jubiläumdes Frauenstimmrechtes in die Zeit zurück, als die Gleichberechtigung noch ein Fremdwort war.
Keine Mitbestimmung für Frauen
1959, zwei Jahre vor ihrem Antritt als Lehrerin, hatten die Hünenberger das Frauenstimmrecht haushoch mit 254 zu 29 Stimmen abgelehnt. Und selbst 1971 gönnten die Hünenberger den Frauen noch keine Mitbestimmung.
So durften Mädchen 1961 nicht turnen und der Pfarrer von Cham, damals Schulpräsident von Hünenberg, wurde angewiesen, er möge doch dem «Fräulein Meier melden, dass das Tragen von Hosen als ungeziemt erachtet werde».
Der Pfarrer hatte das nie ausgerichtet und Anna Meyer passte sich nicht an; vielmehr «veränderte» sie ihre Umgebung: Sie führte das Turnen für Mädchen ein, nahm Buben ins Handarbeiten auf und Mädchen mit ins Blauringlager, wie sie im subtil geführten Gespräch mit Moderatorin Nadja Gisler erzählte.
Und nicht zuletzt setzte sie sich für die Gründung des Frauenvereins KONTAKT im Jahre 1975 ein.
Sich anpassen, um nicht ausgegrenzt zu werden
Ähnliches erlebte Rosemarie Hegglin, erklärte Franziska Roos, welche der heute 78-Jährigen Fragen zu ihrer bewegenden Lebensgeschichte stellte. Als einziges Mädchen der Klasse im Schulhaus Matten musste sich Rosemarie in der Buben-Welt der 50er-Jahre durchsetzen und vor allem anpassen.
Um nicht als «braves Mädchen» ausgegrenzt zu werden, liess sie ab und zu extra etwas fallen, damit sie wie die Buben auch ein paar «Tatzen» bekam. Doch bei der Berufswahl hörte die Gleichberechtigung auf. Damals war klar: Jungs lernen einen Beruf, Mädchen werden Bäuerinnen oder machen die Haushaltsschule.
Dank ihrer fortschrittlichen Mutter durfte sie aber die Pflegeschule in der Ostschweiz besuchen und später in Tansania arbeiten. Als ihre Mutter starb, kam sie zurück in die Schweiz und arbeitete mit dem Vater auf dem Bauernhof. Nach eineinhalb Jahren bewarb sie sich am Kantonsspital für eine Teilzeitstelle in der Pflege.
Doch wegen Personalmangels wurden nurVollpensen vergeben. So startete sie – nebst der Führung des Bauernhaushaltes – mit einem Pensum von 100 %. Später konnte sie eine Kaderausbildung machen und wurde Leiterin des Pflegedienstes am Kantonsspital Zug.
Keine Unterschriftberechtigung für Frauen
Wie einschneidend die Ungleichbehandlung noch in den 80er-Jahren war, erfuhr Ruth Odermatt, die erste Gemeinderätin von Hünenberg (1987-1994). Sie konnte den Übernahmevertrag eines Grundstückes von ihrem Vater nicht unterzeichnen, denn bis zur Einführung des neuen Eherechtes 1988 galt.
Der Mann ist das Oberhaupt in der Familie. Einzig dank einer vormundschaftlichen Genehmigung durfte sie mitunterzeichnen; im Grundbuch eingetragen wurde aber nur ihr Ehemann.
Selbstverständlich habe man ihr als Gemeinderätin Respekt entgegengebracht, erzählte die spätere Leiterin der Klubschule Migros der Moderatorin und KONTAKT-Co-Präsidentin Petra Kohler. Doch als sie als Bauchefin für die Baukommission eine zweite Frau mit juristischer Ausbildung suchte, hätten ihre Gemeinderatskollegen gemeint: «Ei Frau tuets.».
Schliesslich setzte sie sich erfolgreich durch und holte Iris Studer-Milz, die spätere Obergerichtspräsidentin, in die Kommission. Ruth Odermatt ist es auch zu verdanken, dass Hünenberg heute bunt erblüht.
Ihre Idee war es, etwas Farbe in die Rabatten zu bringen – trotz Widerstand ihrer Kollegen: «Nur weil wir eine Frau im Gemeinderat haben, müssen wir nicht überall Blumen haben.»
Lebhafte Diskussionen
Die mal heiteren, mal nachdenklich stimmenden Anekdoten am Frauenrundgang hinterliessen bei den über 50 Besucherinnen tiefe Eindrücke, wie die lebhaften Diskussionen beim anschliessenden Apéro zeigten.
Viele fanden in den Lebensgeschichten der Protagonistinnen ihre eigene wieder, tauschten angeregt selbst erlebte Frustrationen und Freuden aus – ein gelungener KONTAKT-Anlass.