Im Kanton Bern wurde von Madeleine Amstutz ein Vorstoss zur Leinenpflicht während Brutzeit lanciert: Jungtiere sollen besser vor Hunden geschützt werden.
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Madeleine Amstutz, Grossrätin des Kantons Bern. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Kanton Bern soll eine Motion zur Leinenpflicht im Wald aufgenommen werden.
  • Die Motionärin Madeleine Amstutz sieht Bedarf nach einem besseren Schutz von Jungtieren.
  • In der Brutzeit sollen Hunde in Waldgebieten an der Leine geführt werden.

Die von der Grossrätin Madeleine Amstutz lancierte Motion zum Thema Leinenpflicht im Kanton Bern soll an der Herbstsession als Postulat aufgenommen werden. In der Brutzeit – von Mitte April bis Ende Juli – sollen Hunde in den Wäldern und in der Nähe von Wäldern an der Leine geführt werden müssen.

Auch der Regierungsrat sieht Handlungsbedarf und geht mit seiner Empfehlung noch weiter. Er setzt sich für einen Leinenzwang im Wald von Anfang April bis Ende Juli aus. Ausserdem empfiehlt die Regierung 200 Meter Abstand vom Wald. Die Motionärin forderte lediglich 50 Meter Abstand.

Umsetzung sei ohne grosse Probleme möglich

Die Interessensgemeinschaft kynologischer Organisationen im Kanton Bern und angrenzenden Gebieten (IGKO) setzt sich dafür ein, dass keine weitere Gesetzesregelung zur Hundehaltung im Kanton Bern notwendig wird. Nau.ch hat mit der Präsidentin der IGKO, Petra Sommer, bereits gesprochen.

Doch laut Motionärin Madeleine Amstutz soll die Umsetzung einer solchen Regelung ohne grosse Probleme möglich sein. Nachfolgend in einem Gespräch mit Nau.ch betont Frau Amstutz, wie Jungtiere zu einer bestimmten Zeit auch vor Hunden besser geschützt werden können.

Nau.ch: In vielen Kantonen, beispielsweise Freiburg und Solothurn, gilt für Hundebesitzer während der Brut- und Setzzeit von Wildtieren vom 15. April bis zum 31. Juli eine Leinenpflicht. Zeigt dieses Modell einen besseren Wildtierschutz?

Madeleine Amstutz: Gemäss Aussagen von dem zuständigen kantonalen Jagdinspektorat zeigen die Massnahmen im umliegenden Kanton ihre Wirkung. An den Kantonsgrenzen soll es nicht weiter einen sogenannten Hundeausflugstourismus geben, weil nicht in allen Kantonen dieselben Regeln gelten. Der Kanton würde künftig dasselbe machen, was umliegende Kantone bereits länger tun. Die Umsetzung soll nicht zu grosser Bürokratie führen. Eigenverantwortung ist wichtig und andere Kantone zeigen, dass die Umsetzung ohne grosse Probleme möglich ist.

Nau.ch: Warum ist die Leinenpflicht für freilaufende Hunde im Kanton Bern jetzt nötig?

Madeleine Amstutz: Die frisch geborenen Wildtiere haben Anrecht auf ein Leben wie die Hunde ebenfalls. Es ist keine generelle Leinenpflicht für freilaufende Hunde im Kanton Bern, wie aus der Frage zu entnehmen ist. Es geht um einen befristeten Zeitraum, in dem junge Wildtiere bei Hundeangriffen im Wald keine Überlebenschance haben.

Wenn in der Zeit von etwa Mitte April bis Ende Juli im Durchschnitt bis zu drei Jungtiere pro Woche im Kanton Bern getötet werden und viele weitere Jungtiere in ihrer Ruhe gestört werden, ist das zu viel und wir benötigen Massnahmen. Sehr viele Hundehalterinnen und Hundehalter geben sich bereits Mühe mit den Leinen und beachten, dass ihre Hunde frisch geborene Wildtiere, besonders Kitze und Jungvögel, nicht stören und nicht zu Tode beissen.

Für alle, die sich bereits daran halten, ändert sich nichts. Ich mag Hunde, aber die neugeborenen Jungtiere brauchen besonderen Schutz. Auf dem Spielplatz nehmen die grösseren Kinder Rücksicht auf die Kleineren. Das gleiche sollte im Walt gelten – dass die Stärkeren auf die Schwächeren Rücksicht nehmen.

Nau.ch: Das Recht der Hunde auf freie Bewegung ist durch die Tierverordnung festgeschrieben. Wieso reicht die Kontrolle der Hundehalter beim Laufenlassen von Hunden nicht?

Madeleine Amstutz: Einzig während der Zeit der frisch geborenen Wildtiere, insbesondere Kitze und Jungvögel, sollen diese im Wald von lebensbedrohlichen Hundeangriffen und vor Störung geschützt werden. Das widerspricht dem Recht der Hunde auf freie Bewegung nicht.

Wenn die Kontrolle aller Hundehalter beim Laufenlassen der Hunde ohne Leine seine Wirkung zeigen würde, wären die Statistiken der zu Tode gebissenen Jungtiere tiefer. Dieser Vorstoss ist ein weiterer Schritt zu meinem ersten Vorstoss, der im Jahr 2021 vom Grossrat überwiesen wurde und bis Ende des Jahres 2023 umgesetzt wird. Hier ging es darum, bauliche Massnahmen zu ergreifen, sodass Fallwildzahlen beim Strassen- und Schienenverkehr reduziert werden.

Die Kosten der Massnahmen werden durch tiefere Kosten beim Fallwild beglichen. Auch hier ist der Kanton Bern später dran als andere Kantone. Die Hundehalter sollen ihren Beitrag dazu leisten, dass Jungtiere überleben dürfen und in den ersten Wochen nicht gestört werden.

Nau.ch: Hundeschulen und -vereine sensibilisieren die Hundehalter im Kanton Bern auf die Thematik «Schutz junger Wildtiere». Reicht die Eigenverantwortung der Besitzer nicht?

Madeleine Amstutz: Die Statistiken zeigen, dass ein Problem besteht und sensibilisieren allein reicht nicht. Dies wird ebenfalls in der Antwort der Regierung aufgezeigt. Einzig während der Zeit der frisch geborenen Wildtiere sollen diese von lebensbedrohlichen Hundeangriffen und von Störungen geschützt werden.

Der Wald wird von vielen verschiedenen Gruppen genutzt, da braucht es Rücksichtnahme aller Beteiligten. Jungtiere haben in den ersten Wochen keine Überlebenschance bei Hundeangriffen. Wenn im Frühling im Schnitt 51 Rehe durch Hunde gerissen werden – das sind bis zu drei pro Woche! – dann ist das zu viel. Aber auch die Störung der Ruhe der Wildtiere hat Auswirkungen. Bei Hasen führt Ruhestörung beispielsweise zu einer Abnahme im Tierbestand.

Wichtig ist zu erwähnen, dass Hunde, welche für die Arbeit in der Landwirtschaft eingesetzt werden, oder Assistenzhunde wie zum Beispiel Blindenhunde, von den Massnahmen nicht betroffen sein sollen. Im Wildschutzgebiet gilt bereits die Leinenpflicht für Hunde. Davon ausgenommen ist der Einsatz von Diensthunden, Herdenschutz- und Treibhunden sowie Hunden auf Nachsuche. Es ist davon auszugehen, dass dieselbe Regelung auch für die Zeit der Leinenpflicht während der Brutzeit der Wildtiere gelten wird. Die Details dazu regelt der Regierungsrat.

Nau.ch: In der Motion fordern Sie 50 Meter Abstand vom Wald bei Leinenführung. Der Regierungsrat empfiehlt jedoch 200 Meter Abstand. Geben Sie der Regierung hier recht?

Madeleine Amstutz: Dass effektiv ein Problem besteht, zeigt die Antwort der Regierung, die noch weiter den Abstand von 50 Meter von Wäldern auf 200 Meter erweitern und die Zeitdauer vom 15. April auf den 1. April vorverlegen will und dies als Postulat zur Annahme empfiehlt.

Ich will so wenig Einschränkungen wie möglich und so viele wie notwendig. Die 50 Meter Abstand reichen aus meiner Sicht und die weiterführenden Massnahmen der Regierung unterstütze ich nicht. Mein Anliegen unterstützen nicht einzig Naturschützer, die das Leben der Jungtiere gewährleisten und das Leid der Elterntiere vermeiden wollen. Ich habe Rückmeldungen erhalten: Auch vielen Hundehalterinnen und Hundehaltern liegt der Schutz der Wildtiere am Herzen.

Zur Person

Madeleine Amstutz ist Dipl. Betriebswirtschafterin, ledig und wohnt in Sigriswil. Ihre Hobbys sind Reisen, Natur und Sport.

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