Ein Viertel der Bevölkerung in der Schweiz ist von politischen Rechten ausgeschlossen. Die Demokratie-Initiative möchte helfen, das zu ändern. Ein Gastbeitrag.
Barbara Keller Demoverbot
Barbara Keller, Fraktionspräsidentin der SP im Berner Stadtrat, ist gegen das Demoverbot. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Viertel der Bevölkerung in der Schweiz ist von politischen Rechten ausgeschlossen.
  • Betroffen sind Personen ohne Schweizer Pass – egal wie lange sie schon im Land leben.
  • Deshalb möchte die Demokratie-Initiative die Einbürgerungs-Mindestbestimmungen lockern.
  • Ein Gastbeitrag der Berner Stadträtin Barbara Keller.

«Und warum sollen die hier bitte abstimmen können? » Eine Frage, welche ich häufig höre, wenn ich Unterschriften für die Demokratie-Initiative sammle. Die Antwort auf diese Frage fällt mir leicht: «Obwohl diese Menschen häufig seit Jahrzehnten in der Schweiz arbeiten, wohnen und leben, sind sie von den Politischen Rechten ausgeschlossen. Das kann doch nicht sein. Wer hier lebt, soll das Recht auf Einbürgerung haben, mit objektiven Kriterien.»

Nach kurzer weiterer Diskussion bekomme ich dann eine hart verdiente Unterschrift. Viele der angesprochenen Leute auf der Strasse kennen das Initiativprojekt noch nicht und haben kaum davon gehört. Dieser Gastbeitrag soll helfen, dies zu ändern.

Was will die Demokratie-Initiative?

In der Schweiz, einem Land, das für seine demokratischen Prinzipien bekannt ist, ist heute rund ein Viertel der Bevölkerung von den politischen Rechten ausgeschlossen, nämlich jene Menschen ohne Schweizer Pass. Diesem Viertel der Bevölkerung fehlt die Möglichkeit, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft zu beteiligen. Dieses Ungleichgewicht in der demokratischen Teilhabe ist nicht nur ungerecht, sondern auch ein Schlag gegen die Grundwerte, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist.

Werden Sie die Demokratie-Initiative unterstützen?

Das will die «Demokratie-Initiative» ändern. Wer hier lebt, soll das Recht auf Einbürgerung haben, mit objektiven Kriterien. Konkret heisst das: Wer seit fünf Jahren in der Schweiz lebt, nicht zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet und Grundkenntnisse einer der Landessprachen besitzt, hat Anspruch auf die Erteilung des Bürger*innenrechts.

Warum heisst die Initiative «Demokratie-Initiative»?

Politische Partizipation zählt zu den Grundpfeilern der Demokratie: Wer Gesetzen unterworfen ist, soll über diese mitbestimmen können. In der Schweiz wird dieses Recht einem Viertel der Bevölkerung verwehrt, obschon diese Menschen täglich zum wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben beitragen. Indem wir Menschen von der demokratischen Teilhabe ausschliessen, schmälern wir nicht nur ihre Rechte, sondern gefährden auch die Integrität unserer Demokratie selbst.

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Vor dem Bundeshaus in Bern wurde die Demokratie-Initiative lanciert.
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Es wurden fleissig Unterschriften gesammelt.
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Die Demokratie-Initiative will lockerere Mindestbestimmungen für die Einbürgerung.
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Der Unterschriftenbogen für die Demokratie-Initiative.

Ein vereinfachter und rascher Zugang zur Staatsbürgerschaft ermöglicht Teilhabe für alle und schafft so die Voraussetzung für eine lebendige und moderne Demokratie. Die Demokratie-Initiative erinnert uns daran, dass wir eine Gesellschaft schaffen können, in der jeder eine Stimme hat und in den politischen Entscheidungen auf faire und gerechte Weise getroffen werden.

Wer unterstützt die Initiative?

Hinter der Demokratie-Initiative stecken keine grossen Organisationen oder Parteien, sondern die «Aktion Vierviertel», eine zivilgesellschaftliche Bewegung. Die Aktivist*innen organisieren sich in Lokalkomitees. Besonders beeindruckend: Viele Leute, welche sich engagieren, haben selbst erst seit kurzem, oder noch gar keinen Schweizerpass. Weshalb ist Ihnen das Anliegen dennoch so wichtig? Zwei Mitglieder des Lokalkomitees Bern berichten:

Nikola (42): Ich wurde 1981 in Jugoslawien geboren, genauer gesagt in Bosnien und Herzegowina, und verbrachte 13 Jahre in Serbien, bevor ich die Staatsbürgerschaft erhielt. Jetzt lebe ich seit fast 7 Jahren in der Schweiz und bin mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Bezeichnungen wie Flüchtlinge oder Einwanderer verschleiern oft unsere Menschlichkeit. Ich sehne mich danach, als eine Stimme wahrgenommen zu werden, die etwas zu sagen und einen Beitrag zu leisten hat.

Als Umweltingenieur habe ich unzählige Projekte zur Eindämmung des Klimawandels vorangetrieben. Inmitten der derzeitigen Hitzewellen klingen in mir die Worte von M. L. King nach: «Wir mögen alle mit verschiedenen Schiffen gekommen sein, aber wir sitzen jetzt im selben Boot.» Ich möchte mich aktiv an der Politik beteiligen und nicht nur Steuern zahlen. Ich möchte einen Beitrag zu meiner Gemeinschaft und Gesellschaft leisten.

Jakub (18): Als ich 2015 mit meinen Eltern in die Schweiz kam, hatte ich dreifaches Glück. Erstens kam ich aus Polen, einem EU-Land, zweitens war ich auch erst zehn Jahre alt und drittens hatte meine Gemeinde keine zusätzlichen Verschärfungen. Dies ermöglichte mir, bereits 2023 eingebürgert zu werden.

Es darf jedoch nicht sein, dass es so stark vom Glück abhängt, wie der Einbürgerungsprozess bei einer Person aussieht. Es braucht ein standardisiertes Verfahren in der Schweiz, sowie auch lockerere Mindestbestimmungen, denn die heutigen Verfahren machen verständlicherweise vielen Menschen Angst vor der Einbürgerung.

Zur Autorin: Barbara Keller ist Fraktionspräsidentin der SP/JUSO-Fraktion im Berner Stadtrat und engagiert sich bei der Koordinationsgruppe des Lokalkomitees Bern der Demokratie-Initiative.

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