Bundesregierung schiebt Missständen in der Fleischindustrie Riegel vor
Die Bundesregierung schiebt den Missständen in der Fleischindustrie einen Riegel vor: Das Kabinett billigte am Mittwoch den Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), mit dem der Einsatz von Werkvertrags- und Leiharbeitnehmern in der Fleischindustrie künftig verboten sein soll.

Das Wichtigste in Kürze
- Kabinett beschliesst Verbot von Werkverträgen und Leiharbeitern ab 2021.
Heil sprach nach dem Kabinettsbeschluss von einem «guten Tag für den Arbeitsschutz».
Laut Gesetzesentwurf sollen künftig in Unternehmen ab 50 Beschäftigten nur noch direkt dort Angestellte Tiere schlachten und zerlegen dürfen. Der Einsatz von Werkvertragsarbeitern soll ab Januar 2021 verboten sein, der von Leiharbeitnehmern ab April.
Zudem will Heil Mindestanforderungen für die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften auch ausserhalb des Geländes eines Unternehmens festschreiben - und zwar nicht allein für die Fleischindustrie, sondern branchenübergreifend. «Niemand soll in verschimmelten oder überbelegten Zimmern leben müssen», betonte der Minister.
Um die Einhaltung des Mindestlohns besser überprüfen zu können, sieht das Gesetz eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung in der Fleischindustrie vor. Der entsprechende Rahmen für Bussgelder wird von 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt. Generell soll es künftig in den Betrieben mehr Kontrollen geben.
Die Fleischindustrie ist in der Corona-Krise in die Kritik geraten, weil zahlreiche Mitarbeiter auf Schlachthöfen positiv getestet wurden, die oft nicht direkt bei den Firmen, sondern bei Subunternehmern angestellt waren. Mit Blick auf die Gründung von Tochterunternehmen durch das besonders betroffene Unternehmen Tönnies kündigte das Arbeitsministerium an, die Vorschriften genau auf mögliche Schlupflöcher hin zu prüfen.
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte, mit der Ausnahme für kleinere Betriebe werde das regionale Fleischhandwerk gestärkt. Auch Heil betonte: «Die Fleischerei auf dem Lande ist nicht das Problem.»
Dass Verbot der Werkverträge werde dafür sorgen, dass es in der Fleischindustrie «wieder einen fairen Wettbewerb gibt», lobte der CDU-Sozialpolitiker Uwe Schummer. Kritik kam dagegen vom Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. Er forderte Entlastungen für Unternehmen «statt immer neuen Eingriffen in die unternehmerische Freiheit».
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) begrüsste die Neuregelung als «historisch». Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG) dagegen kritisierte den Kabinettsbeschluss scharf. Die Regierung setze die Fleischproduktion in Deutschland aufs Spiel, sagte ZDG-Präsident Otto Ripke der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Auch sei nun mit steigenden Fleischpreisen zu rechnen.
Die SPD drängte auf ein rasches Verfahren zur Beratung des Gesetzes. «Die SPD-Bundestagsfraktion ist fest entschlossen, den Gesetzentwurf schnell Gesetz werden zu lassen», erklärte Vize-Fraktionschefin Katja Mast.
«Werkverträge sind Ausbeutung» betonte Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Deren Verbot forderte er auch für die Logistikbranche und für Paketzusteller.
Der vorliegende Gesetzentwurf dürfe «auf keinen Fall durch Lobby-Einfluss verwässert werden», warnten die Grünen-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Friedrich Ostendorff. Auch der Grünen-Wirtschaftsexperte Dieter Janecek mahnte in der «Augsburger Allgemeinen», «dass wir auch andere Branchen in den Blick nehmen».
Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach hingegen von einem «weiteren Schritt in Richtung staatliche Wirtschaftslenkung». Vor «verheerenden Folgen» für «die heimische Viehhaltung und die Schlachtbranche» durch die neuen Vorschriften warnte der AfD-Politiker Stephan Protschka.