Porno Filme führen bei Buben zu verwirrtem Männerbild
Das Wichtigste in Kürze
- 53 Minderjährige wurden im vergangenen Jahr wegen Vergewaltigung angezeigt.
- Der Gerichtspsychiater Josef Sachs sieht die Ursache im Porno-Konsum der Jugendlichen.
- Sexualpädagoge Adrian Stumm: «Jugendliche schauen Pornos auch um Sex zu verstehen.»
Die Kriminalstatistik zeigt: Immer mehr Jugendliche werden wegen Sexualdelikten angezeigt. 727 Fälle wurden im letzten Jahr registriert. In 53 Fällen sind Minderjährige wegen Vergewaltigung angezeigt.
«Die Zahl hat mich nicht direkt schockiert», sagt Sexualpädagoge Adrian Stumm. Er betont, dass es sich bei den 53 Vergewaltigungs-Fällen erst um Anzeigen handelt. «Mir fällt auf, dass es Erwachsene oft dramatisieren, wenn sich Kinder mit Genitalien beschäftigen.»
Etwa wenn ein Kind den Penis oder die Scheide eines anderen sehen wolle, werde das mit Pornografie in Verbindung gebracht. «Dabei gehört das zur normalen Entwicklung! Auch dass die Gspönli mit einbezogen werden», so Stumm.
Aber: «Ich will nicht sagen, dass hinter den 53 Anzeigen nur Doktorspiele stecken.» Die Fälle müssten genau angeschaut werden.
Ein Porno macht noch keinen Vergewaltiger
Der Porno-Konsum würde bei Jugendlichen die Hemmschwelle senken, sagte der renommierte Gerichtspsychiater Josef Sachs gegenüber der «Sonntagszeitung». Schlussendlich führe dies bei einigen Jugendlichen dazu, dass sie selbst sexuelle Gewalt anwenden.
Adrian Stumm gibt hier zu bedenken, dass es mehr als ein paar falsche Pornos brauche, bis jemand sexuelle Gewalt anwende. «Vor allem wie das Kind aufgewachsen ist und wie es Zuneigung von zuhause aus kennengelernt hat, ist wichtig.»
Als Sexualpädagoge ist Stumm oft in Schulen unterwegs. «Kinder der 5./6. Klasse schauen sich Porno Filme beispielsweise vor allem an, weil sie wissen wollen wie Sex funktioniert.»
Erwachsene würden dies oft falsch verstehen. «Sie denken dann schnell, oh der interessiert sich für Pornos und wird übermorgen jemand vergewaltigen. Das ist völlig absurd.»
Kinder in dem Alter würden das Thema Sex sehr interessant finden. Sie seien aber nicht daran interessiert, selbst schon Sex zu haben.
Der Freundeskreis hat grossen Einfluss
Manche Kinder seien von den «Sexfilmli» regelrecht fasziniert, erklärt Adrian Stumm. Andere würden sich gar nicht dafür interessieren. «Und Mädchen finden es meistens interessant, weil sie nicht verstehen was die Buben so interessant daran finden.»
Pornos seien für die Kinder einerseits total spannend, andererseits aber auch sehr verwirrend, erklärt Stumm. «Im Film sehen sie diesen dominanten Macho-Typ. In der Schule wird aber die softe Variante vermittelt, wo man zuhören und aufeinander eingehen muss. Das führt zu einem verwirrten Männerbild, die Buben wissen nicht recht, wie sie sich verhalten sollen.»
Der Zugang zu pornografischen Inhalten ist für Minderjährige recht einfach. «Sie finden es im Internet oder sie schicken sich die Bilder und Videos per Whatsapp zu». Laut Stumm spielt betreffend Porno-Konsum der Freundeskreis eine entscheidende Rolle.
«Sobald zwei oder drei Pornofans in einem Freundeskreis auftauchen, ziehen sie die anderen mit». Der Austausch von aufregenden Videos biete auch die Möglichkeit eines Aufstiegs in der Hierarchie unter den Jungs. «Vor allem Buben, die schlechte Noten schreiben oder sonst nicht so gut ankommen, können hier punkten.»