Unser Kolumnist muss sich 2021 neue Freunde suchen, und neue Feinde. Das alte Jahr hat alles durcheinandergewirbelt.
Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.

Das Jahr 2020 hat vieles verändert. Nachhaltig. Und es hat damit die Spur fürs 2021 vorgegeben. Wer wird Freund, wer wird Feind? Und wer ist inzwischen irrelevant? Mit wem arbeitet man zusammen und wem steht man auf die Zehen?

Mein Freundeskreis hat sich in den letzten 12 Monaten tiefgreifend verändert. Alle Covidioten, Wissenschaftsallergiker und Wirtschaftsfetischisten, die lieber Risikopersonen wie meine Schwiegermutter oder meinen Göttibuben sterben lassen, als auf ihren Skiplausch zu verzichten, flogen raus. Egal ob links oder rechts. Das Pandemiejahr hat die innersten Werte der Menschen um mich herum sichtbar gemacht, und an denen werden sie in Zukunft gemessen. Das hat Platz geschaffen, um neue Freundschaften und neue Geschäftsverbindungen einzugehen. Darunter lustigerweise auch mit Leuten, mit denen ich vor einem Jahr noch keinen Kontakt gesucht hätte. Dafür fliegen Menschen raus, die ich eigentlich zu meinem Lager zählte, bevor sie ihre wahre Persönlichkeit im Angesicht der Krise gezeigt haben.

CORONAVIRUS
Die Skifahrer könnten am Wochenende in Scharen in die Skigebiete strömen - je nach Wetter. - Keystone

Aber auch bei meinen Feinden muss ich über die Bücher. Hab ich mich doch dieses Jahr erwischt, wie ich mit Natalie Rickli gegen die beiden Fehrs argumentiert habe. Die alten Gegner halten auch nicht mehr, was sie versprechen. Einige Rechtbürgerliche zeigen plötzlich Gemeinsinn, während Linke in Verleugnungsgeschwurbel aufgehen.

Meine Lieblingsgegner, die Rechtspopulisten, sind ja jetzt auch keine echte Herausforderung mehr. Trump endet als unappetitliche Fussnote der Geschichte, Boris Johnson hat gerade den Brexit verloren und alle, wirklich alle rechten Galionsfiguren wie Bolsonaro oder Orban wurden von Corona so richtig in den Hintern getreten. Die üblichen Grossmäuler der Schweizer Rechten, also Köppel und Freunde, waren schon Anfang 2020 auf dem absteigenden Ast und haben sich in dem Jahr als Wissenschaftsleugner geoutet. Und wo das beim Klimawandel noch keine so nachhaltigen Folgen bei ihren Anhängern zeigte, ist das bei Corona eine ganz andere Sache. Hier ist ihre Stammwählerschaft, also Leute über 60, direkt betroffen. Sie zahlen 2021 sicher den politischen Preis dafür.

Wenn also in der nächsten Woche die Toten als Folge Corona-Poltik der letzten 2 Wochen reinkicken, wenn die Zahlen so hochgehen, dass man sie nicht mehr schönschwätzen kann, wird das auch politische Folgen haben.

Die Rechtspopulisten sind also keine ernstzunehmenden Gegner mehr. Bye, bye. Wer bleibt dann noch?

Unser Autor ist bereit für 2021 - zvg

Die Gewinner im Jahr 2020 waren klar die Lobbys. Ob beim Skiplausch mit Leichen in der Coronapolitik oder bei Geld aus Sklavenarbeit bei der Konzernverantwortung, sie haben uns 2020 vor Augen geführt, wer in Bern und in den Kantonsregierungen wirklich das Sagen hat. Gerade bei den Corona-Entscheidungen, die nachweislich gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung liefen, ist es klar, dass die Lobbys der Gschäftlimacher sich durchgesetzt haben, in erster Linie die Seilbahn-Vertreter. Leute, die meinten, man müsse sich halt an die Pandemie (und an die Toten) gewöhnen, damit das Geschäft weiterläuft.

Aber auch bei anderen Themen zeigt sich der Schwachpunkt unserer sonst vorbildlichen direkten Demokratie. Sehen wir mal davon ab, dass der Gegenvorschlag für die Konzernverantwortung bis auf zwei, drei Sätze nicht von Karin Keller Sutter, sondern nachweislich von Juristen der economiesuisse geschrieben wurde, war diese Abstimmung ein Augenöffner. Es ging nicht mehr darum, die Bevölkerung zu informieren und dann zu befragen, es ging den Gegnern nur noch darum, die kleinen Kantone zu gewinnen, um gegen das Volksmehr zu bestehen. Dazu wurden korrupte Politiker eingeflogen, Lügen erzählt und Medien manipuliert.

Da dieser Machtmissbrauch des Wirtschaftsfilzes nicht mehr so reibungslos lief wie früher, und die Abstimmung vom Volk angenommen wurde und nur an den Ständen scheiterte, will Bundesrat Cassis die Kirchen, die NGOs und andere Player gleich zensieren und ihnen ein absolutes Politverbot während Abstimmungen geben. Damit soll die Zivilgesellschaft, die diese Organisationen vertreten, gefälligst zum Schweigen gebracht werden. Wo käme man hin, wenn die Macht der Lobbys plötzlich aus der Bevölkerung heraus gebrochen würde?

Es wird lustig, wenn den rechten Unterstützern dieses Maulkorbes dann plötzlich aufgeht, dass sich damit auch Opferschutzorganisationen nicht mehr für härtere Strafen einsetzen, Kinderschutzorganisationen nicht mehr zu Verwahrung von Pädophilen und Tierschutzorganisationen nicht mehr zu rechtlichen Konsequenzen für Tierquäler etc. etc. etc. äussern dürfen. Bin gespannt auf die Reaktionen.

Wie gesagt, 2020 hat die Politlandschaft für das kommende Jahr richtig gut durchgepflügt und Boden für neue, spannende Allianzen und Gegner geschaffen. Ich werde wohl mit überraschenden Verbündeten zusammenarbeiten.

Ich werde auf jeden Fall da sein und mein Maul aufreissen.

Zum Autor: Reda El Arbi ist 51-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und mehreren Hunden in Stein am Rhein SH.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Boris JohnsonBrexitKlimawandelDonald TrumpCoronavirusAbstimmungBundesrat