Sie sind kleiner: Wie gefährlich ist vegane Ernährung für Kinder?
Diese Aussage stammt nicht etwa aus einer Milchwerbung, sondern ist das Resultat einer gross angelegten Meta-Studie. Ist vegan für Kinder schädlich?

Das Wichtigste in Kürze
- Eine neue Metastudie belegt, dass vegan ernährte Kinder im Schnitt kleiner sind.
- Sollte deshalb von einer pflanzlichen Ernährung für Kinder abgeraten werden?
- Die Studie liefert auch weitere Angaben zu Vitaminen, Cholesterinwert und Herz-Kreislauf.
Vegane Kinder sind im Schnitt kleiner als Allesesser. Das sagt ausnahmsweise nicht die Milchlobby, um ihren Dauerslogan «Milch für starke Knochen» zu bewerben.
Nein, diese Aussage stammt aus einer Metastudie zur veganen und vegetarischen Ernährung bei Kindern und Jugendlichen, die diesen Monat publiziert wurde. Analysiert wurden die Daten von rund 48’000 Kindern aus 18 Ländern.
Das Resultat klingt erst einmal nach einem Volltreffer für alle, die pflanzliche Ernährung ohnehin für eine modische Zumutung halten.
Man hört die Triumphfanfaren bereits von Weitem: Wussten wir es doch! Kinder brauchen Milch und Fleisch für gesundes Wachstum!

Muss ich nervös werden?
Also schnell wieder Pausenmilch und Wurstbrot ins Znünitäschli, mittags viel Käse über den Fenchel geben, damit das Gemüse nicht weiter auffällt, und abends ein Wienerli im Schlafrock ganz ohne schlechtes Gewissen auftischen.
Endlich bestätigt sich auch der leise Verdacht: Die Kinder der veganen Nachbarin sehen tatsächlich etwas kleiner, bleicher und schmächtiger aus. Irgendetwas muss da doch dran sein.
Muss ich als vegane Kolumnistin jetzt nervös werden?
War’s das mit der veganen Ernährung?
Zu früh gefreut! Denn wer die Studie weiterliest, merkt schnell: Kinder, die mit Mischkost ernährt werden, sind zwar im Schnitt etwas grösser.
Gleichzeitig haben sie schlechtere Cholesterinwerte, ein ungünstigeres Herz-Kreislauf-Profil und sind im Durchschnitt schwerer als vegane Kinder.
Grössenunterschieden im Millimeterbereich
Und wer jetzt denkt, ein Kind mit nicht ganz idealen Cholesterinwerten sei immer noch besser als ein zu kurz geratener Knopf, den muss ich enttäuschen. Wir sprechen hier von Grössenunterschieden im Millimeterbereich, nicht von verpassten Basketballkarrieren.
Die Abweichungen sind so gering, dass sie im Alltag kaum auffallen würden. Nicht mal dem Kinderarzt würde das auffallen. Für Schlagzeilen ist dieser Befund hingegen umso dankbarer.

Und es kommt noch besser. Vegetarisch und vegan ernährte Kinder nehmen laut Studie mehr Ballaststoffe, Folsäure, Vitamin C, Magnesium und Eisen zu sich.
Jawohl, sogar Eisen, obwohl Veganern selbst von Ärzten reflexartig ein Eisenmangel unterstellt wird. Die Blässe der veganen Nachbarskinder erklärt sich also wohl eher dadurch, dass Winter ist, als durch fehlendes Fleisch.
Aber ganz so einfach ist es doch nicht
Was heisst das nun für besorgte Eltern? Alle Tierprodukte aus dem Kühlschrank werfen und die Kinder ab morgen vegan ernähren?
Nein, natürlich nicht. Auch bei der veganen Ernährung ist nicht alles automatisch im grünen Bereich, nur weil so viel Grünzeug auf dem Teller liegt.
Kalzium, Jod und Zink liegen bei vegan ernährten Kindern oft am unteren Rand, Vitamin B12 muss zwingend supplementiert werden. Wer das ignoriert, handelt fahrlässig.

Gleichzeitig zeigt die Auswertung der Studiendaten klar: Eine komplett vegane Kinderernährung ist gesundheitlich absolut vertretbar.
Idealerweise holen sich Eltern fachliche Unterstützung, damit alle Nährstoffe zuverlässig abgedeckt sind.
Das gilt allerdings genauso für die Mischkost. Auch dort schadet ein Mindestmass an Ernährungswissen nicht.
Pouletnuggets, Salami und Spaghetti Bolognese gelten auch nicht gerade als Vitaminbomben. Nur wird bei der Mischkost selten jedes Lebensmittel mit der Lupe geprüft.
Grundsätzlich gilt deshalb: Egal, wie sich Eltern entscheiden, informiert zu sein, ist nie falsch. Und dann kann man auch ganz entspannt ein paar vegane Tage mit den Kindern einlegen.
Wäre das nicht ein ziemlich passabler Neujahrsvorsatz? Bislang ist zumindest nichts darüber bekannt, dass davon Kinder geschrumpft wären.
*Erwähnte Studie: Lacto-ovo-vegetarische und vegane Ernährungsweisen bei Kindern und Jugendlichen: Eine systematische Übersicht und Meta-Analyse der ernährungs- und gesundheitsbezogenen Ergebnisse.
Zur Person:
Mirjam Walser (39) schreibt auf Nau.ch regelmässig zu Veganismus, Ernährung und gesellschaftlichem Wandel. Als Coach und Gründerin der Vegan Business School unterstützt sie Menschen dabei, ihr eigenes veganes Unternehmen zu starten.








