Mit dem Anti-Terror-Gesetz setze die Schweiz ihre rechtsstaatlichen Errungenschaften aufs Spiel. Ein Gastbeitrag von Sanija Ameti von der Operation Libero.
Operation Libero Terrorgesetz
Gastautorin Sanija Ameti plädiert beim Anti-Terror-Gesetz für ein klares Nein. (Symbolbild) - zvg/Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am 13. Juni 2021 wird unter anderem über das Anti-Terror-Gesetz abgestimmt.
  • Gemäss Gastautorin Sanija Ameti erreiche das Gesetz genau das Gegenteil.
  • So spiele das PMT Terroristen in die Hände, erklärt die Vertreterin von Operation Libero.

I han es Zündhölzli azündt... Gottseidank dass i's vom Teppich wider furt ha gno! Was bei Mani Matter grad nochmals gut gegangen ist, geht beim PMT-Gesetz, dem «Gesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus» leider schief.

Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach am 13. Juni angenommen.

Es ist Fünf vor Zwölf und das Zündhölzli brennt: Wenn wir jetzt nicht handeln, wird das gefährlichste Gesetz der Schweiz einfach so durchgewunken. Ohne grosse Diskussionen. Ohne, dass man sich den gravierenden Konsequenzen bewusst gewesen wäre. Deshalb schlagen wir Alarm, denn das PMT will Elemente eines Polizeistaates einführen.

Wir setzen unsere rechtsstaatlichen Errungenschaften aufs Spiel und machen den Terroristen ein Geschenk

Beim PMT ist es wie mit dem Teppich und dem Zündhölzli: Es fängt ganz harmlos an. Aber hat der Teppich erstmal Feuer gefangen, kommt es zum Flächenbrand. So wie beim Fichenskandal: Es fing damals auch armlos an, mit der «Kommunismus-Bekämpfung», doch die Behörden haben ihre Macht missbraucht.

Sie haben bis in die 90er-Jahre über 900’000 Bürger fichiert und bespitzelt – als Gefährder. Das PMT funktioniert nach derselben Logik: Die Polizei wird immer mehr Personen auf die Gefährderlisten nehmen.

Fichenskandal
Das PMT ende wie das Fichenskandal. Hier im Bild versammeln sich am 3. März 1990 Tausende in Bern, um gegen die ausufernde staatliche Überwachung in der Schweiz zu demonstrieren. (Archivbild) - Keystone

Aufgrund der uferlosen Gefährder-Definition kann das PMT gegen fast jede politisch aktive Person angewendet werden, wenn diese die «staatliche Ordnung» verändern möchte. Also beispielsweise auch auf Klimastreikende. Wir dürfen nicht vergessen: Ein solch willkürlicher Machtmissbrauch ist in der Schweiz schon vor 30 Jahren passiert. Und es wird wieder passieren.

Wird das PMT angenommen, können ohne Tatverdacht und rechtliches Strafverfahren drastische Zwangsmassnahmen wie Fussfesseln oder Hausarrest angeordnet werden. Es handelt sich um präventive Repression – ohne Straftat, ohne Prozess und ohne die Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen.

Die Unschuldsvermutung läuft einfach ins Leere, denn niemand kann sich je vom Vorwurf befreien, er oder sie wäre in der Zukunft mal Täter geworden. Es ist kein Wunder, dass dieser Schritt zur «vorhersagenden Polizeiarbeit» der Protoyp des dystopischen Science Fiction Stoffes ist, wie etwa in «Minority Report»– oder Sibylle Bergs «GRM-Brainfuck».

«GRM-Brainfuck»
Die Autorin zieht Vergleiche mit dem dystopischen Roman «GRM-Brainfuck» von Sibylle Berg. - Keystone

Und es wird schwierig, das Feuer zu löschen. Denn Bundesrat und Parlament haben die Feuerlöscher vergessen – die Gerichte, die für rechtliche Sicherungen und die Einhaltung der Gewaltenteilung sorgen. Trotz entfesselter staatlicher Repression wurde die gerichtliche Kontrolle der Macht auf das absolute Minimum reduziert.

Bundesrat und Parlament haben bei diesem Gesetz gepfuscht und übertrieben.

Bundesrat und Parlament sind in die Falle des Terrorismus getappt

Politiker profitieren von ihrer Panikmache, doch das PMT nützt auch den Terroristen. Jene, die die unsere liberale Grundordnung hassen und sie am liebsten zerstören wollen. Sie, die ursprünglich das Ziel des Gesetzes waren. Denn das PMT greift genau das an, was der Terrorismus auch angreifen will: den Rechtsstaat, die Freiheit, die Menschenrechte.

Das PMT nimmt ihnen also die Arbeit ab. Es ist diese verfehlte Anti-Terrorismus-Politik, nicht der Terrorismus selbst, die für unsere zentralen Errungenschaften zu einer ernsthaften Gefahr werden.

Antiterrorgesetz
Das Anti-Terror-Gesetz nehme den Terroristen die Arbeit ab. (Symbolbild) - Keystone

Mit dem PMT geben wir also auf, was uns stark macht. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats hat die Schweiz ausdrücklich davor gewarnt, dass das Gesetz «das Risiko eines übermässigen und willkürlichen Eingriffs in die Menschenrechte birgt». Die Schweiz ist dabei, das härteste Terrorismusgesetz Westeuropas einzuführen. Und das ganz ohne Not, wie wir später noch sehen werden.

Das PMT wird die Radikalisierung befeuern

Das PMT wird mit grosser Sicherheit zu offensichtlich ungerechten und übertriebenen Anwendungsfällen führen. So wird unser Staat überhaupt erst attraktiv für Terroristen: Das PMT wird Fälle schaffen, die in einem auf Radikalisierung anfälligen Milieu gezielt genutzt werden können, um die Verwerflichkeit und Rücksichtslosigkeit des Staates zu propagieren.

Damit wird auch terroristische Gewalt in den Augen einiger gerechtfertigt erscheinen. Viele werden das für übertrieben halten, aber einige wenige werden das plausibel finden. Sie werden das Milieu bilden, das Terrorismus braucht, um den Grad seiner Organisation ausbauen zu können.

Anti-Terror-Gesetz: Der Staat kann schon heute frühzeitig eingreifen

Die PMT-Befürworter heben hervor, dass man doch schon etwas unternehmen soll, bevor Menschen zu Schaden kommen. Doch in Tat und Wahrheit kann der Staat heute schon einschreiten, lange bevor Menschen zu Schaden kommen, besonders im Umgang mit terroristischen Gefahren. Der Staat hat innerhalb des Strafrechts hierfür sogenannte Vorbereitungsdelikte geschaffen. Diese sind dazu da, präventiv terroristische Handlungen zu verhindern.

Es ist schon heute eine Straftat, ein WhatsApp mit terroristischem Inhalt zu senden oder für terroristische Vereinigungen zu werben. Es ist verboten, zu Hass und Straftaten aufzurufen. Es ist sogar schon eine Straftat, mit terroristischen Gewalttaten zu drohen.

WhatsApp
Der Staat könne schon heute frühzeitig bei Verdacht auf Terrorismus eingreifen. So ist es etwa verboten, Nachrichten mit terroristischem Inhalt via WhatsApp zu versenden. - Keystone

Es ist strafbar, eine Reise in ein terroristisches Gebiet anzutreten: Die Terroristin von Lugano könnte man also ohne PMT in Haft nehmen. Es ist verboten, auf Social Media terroristische Inhalte zu teilen.

Der 19-Jährige Miran S. wurde schliesslich verhaftet, nachdem er auf Social Media ein Attentat angedroht hat. Er kam in eine Anstalt für Deliktprävention.

Überall, wo jemand unter dem Verdacht steht, eine schwere Straftat ausführen zu wollen, kann er oder sie heute schon in Haft genommen oder in Haft behalten werden. Doch das Verschweigen die PMT-Befürworter, denn wenn Sie es sagen würden, könnten sie sich keine «Lücke» herbeireden. Und diese Lücke brauchten sie, um das PMT heraufzubeschwören.

Das PMT ist die wahre Gefahr für uns

Es ist also diese verfehlte Anti-Terrorismus-Politik, nicht der Terrorismus, die für die fundamentalen Bestandteile der schweizerischen Demokratie – den Rechtsstaat, die Freiheit und die Menschenrechte – zu einer ernsthaften Gefahr geworden sind. Mit dem PMT gibt der Staat durch die Kraft eigener, schlechter Politik genau das preis, was er als erstes schützen sollte.

Wir müssen das Gesetz korrigieren, das Feuer löschen – bevor es zu spät ist. Wir haben es jetzt in der Hand und stimmen deshalb am 13. Juni Nein zum PMT.

Zur Autorin:

Sanija Ameti
Sanija Ameti ist in der Parteileitung der GLP Kanton Zürich. - zVg

Sanija Ameti ist im Vorstand von Operation Libero und in der Parteileitung der GLP Kanton Zürich. Sie ist Juristin und dissertiert im Bereich Cybersecurity. Als Beraterin bei ICT4Peace engagiert sie sich für die Stärkung des Internationalen Rechts im Cyberspace.

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