Meret Schneider: Pflanzlich Essen ist kein politisches Statement

Meret Schneider
Meret Schneider

Stäfa,

Nach vier Jahren veganer Küche serviert der Schweizer Koch Daniel Humm im New Yorker Sternerestaurant wieder Fleisch. Kein Rückschritt, sagt Meret Schneider.

Meret Schneider Vegan
Nationalrätin Meret Schneider schreibt regelmässig Kolumnen für Nau.ch. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Nationalrätin Meret Schneider schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
  • Heute schreibt sie über die Beliebtheit veganer Gerichte.
  • Als Beispiel nimmt sie den Zürcher Sternekoch Daniel Humm, der in New York kocht.

Das erste vegane Drei-Sterne-Restaurant serviert wieder Fleisch. Daniel Humm, der mit seinem Restaurant «Eleven Madison Park» in New York als erster Koch mit einem veganen Konzept drei Sterne erkochte, schreibt nun wieder Fleischgerichte auf die Speisekarte.

Klar ist das eine Schlagzeile wert. Klar überschlagen sich da hämische Kommentare. Gastrokritiker mit der süffisanten Überheblichkeit («Schon-immer-gewusst-haben») überbieten sich in ihren gesellschaftlichen Analysen und esskulturell tradierten Gewissheiten.

Klar, komme auch ich nicht darum, dem Ganzen zumindest eine Antithese entgegenzustellen.

Daniel Humm: Kochen kann der Mann

Daniel Humm, aufgewachsen in Zürich, hat eine Weltkarriere gemacht: Im Jahr 2005 übernimmt der heute 48-Jährige die Art-Déco-Brasserie «Eleven Madison Park». Er erkocht sich in kurzer Zeit drei Sterne. Humm erreichte 2017 den Spitzenplatz im Ranking der «World’s 50 Best Restaurants». Kochen kann der Mann also.

starkoch daniel humm vegan
Daniel Humm wurde 2017 zum «besten Koch der Welt» ernannt. - Instagram/@danielhumm

Nach den Lockdowns im Jahr 2020 eröffnet Humm das Restaurant mit einem neuen Konzept wieder, um ausschliesslich Gerichte auf pflanzlicher Basis zu servieren.

Auch die veganen Gerichte werden vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet. Seine Fonds aus Koji, Morchelbutter aus Sonnenblumenkernen und weitere Kreationen. Seine lokalen Produkte (und ohne die klassischen «Ersatzteile») überzeugen auf ganzer Linie – und sorgen für ausgebuchte Abende.

Was bestellst du im Restaurant?

Schwellenangst der Menschen unterschätzt

Heute nun, nach viereinhalb Jahren, stehen vereinzelt wieder Fleischgerichte auf seiner Speisekarte: Muscheln, Hummer, oder seine berühmte lackierte Ente.

80 Prozent der Gerichte sind jedoch weiterhin Vegan. Oder pflanzenbasiert, wie man heute zu sagen pflegt. Und damit sind wir beim Kernpunkt angelangt: Er habe, meinte Daniel Humm, die Schwellenangst der Menschen unterschätzt, ein veganes Restaurant zu betreten.

Denn: Viele schliessen einen Besuch in einem hochpreisigen Restaurant ohne tierische Produkte im Vornherein aus. Was auch eine verpasste Chance darstellt, den Fleischverfechtern den Genuss eines rein pflanzlichen Gerichts zu ermöglichen.

Fleisch starkoch daniel humm
Daniel Humm erkochte sich als Erster drei Michelinsterne mit rein pflanzenbasierter Küche. Nun soll es wieder Fleisch bei ihm geben. - Instagram/@danielhumm

Daher habe er sich entschieden, wieder einige ausgewählte tierische Produkte auf die Karte zu schreiben, die Gemüsegerichte aber Vegan zu belassen. Und das Menu zu 80 Prozent pflanzlich zu gestalten.

Ist dies ein Backlash für die pflanzenbasierte Küche? Ist es der Beweis, dass vegane Gerichte in der gehobenen Gastronomie nicht funktionieren? Oder ist es gar ein Zeichen für die Rückkehr zu klassischen Fleischgerichten – und die Abkehr von Themen wie Tierwohl oder Nachhaltigkeit? Mitnichten.

Vielmehr zeugt es für mich von einer Normalisierung der pflanzenbasierten Küche, wie es sich auch mit der vegetarischen vollzog.

Vegane Gerichte erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit

Nach einem ersten Hype, den die vegane Küche erfuhr und der zahlreiche vegane Restaurants, Alternativprodukte und Pop-ups aus dem Boden schiessen liess, wird Pflanzenbasiertes zur Normalität, die man im Restaurant (immer öfter gleichberechtigt) neben tierischen Gerichten erhält.

Der Hype, der viele Probierfreudige in vegane Restaurants lockte (und diesen ausgebuchten Abenden bescherte), flachte ab. Doch: Vegane Gerichte erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit – nur nicht in der stringenten Konsequenz der Veganerinnen und Veganer.

Burger Vegan
Veganer Burger und Käse auf dem Grill statt tierische Produkte? Ja, gerne, aber nur wenn es günstig ist. - Unsplash

Immer mehr Menschen essen gern öfter pflanzlich. Sie kaufen Alternativprodukte zu Milch und Burger, sagen aber auch zu einem Stück Fleisch ab und zu nicht nein.

Pflanzlich zu essen wird zur Selbstverständlichkeit, statt zum politischen Statement, das mit Buttons, Stickern und T-Shirts ostentativ zur Schau getragen werden muss.

Man geht in gemischten Gruppen in Restaurants, in denen alle auf ihre Kosten kommen. Und im Idealfall auch überzeugte Fleischesser von der Schmackhaftigkeit pflanzlicher Gerichte überzeugt werden.

Das ist weder eine Rückkehr zum Tier, noch ein Armutszeugnis für die vegane Küche. Sondern schlicht eine Abkehr vom kulturkämpferischen «Fleisch gegen Pflanzen», das nur zu Reaktanz und wütenden Onlinekommentaren führt.

Ein Konzept für die Zukunft

Je vehementer für den Veganismus gekämpft wird, desto aggressiver die Gegenbewegung.

Mittlerweile gibt es mit «Carna Libertas» sogar einen Verein, der sich für den Konsum von Fleisch einsetzt – und in pflanzlichen Erzeugnissen offenbar eine Bedrohung sieht.

Das 80-Prozent-Vegan-Konzept von Daniel Humm ist meines Erachtens kein Rückschritt, sondern ein Konzept für die Zukunft.

Ohne Bevormundung. Und ohne das Gefühl, belehrt oder angeleitet zu werden, essen Menschen so in einer Selbstverständlichkeit viel mehr pflanzlich, als sie es sonst tun würden. Und zwar mit Genuss.

Das ist die Richtung, in die sich unser Angebot bewegen muss. Sei es im Supermarkt oder im Restaurant: Pflanzen als Basis, Tierprodukte als fakultatives Supplement.

Damit wäre schon viel mehr getan, als mit dem gefühlt 150. veganen Burger, der schlicht wieder die Antifraktion auf den Plan treibt, die irgendwelche Bezeichnungen einklagt – oder Vereine gründet.

Zur Person: Meret Schneider (32) ist Mitglied des Schweizer Nationalrats. Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.

Kommentare

User #1222 (nicht angemeldet)

Genau um das geht es die Vielfalt nicht bekämpfen sondern ermöglichen

User #1912 (nicht angemeldet)

Ich esse gerne Fleisch und bin froh das es veganer gibt niemand sollte gegen sein gewissen handeln.

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