Meret Schneider: Kleingeistiger Wirbel um «Planted Chicken»

Meret Schneider
Meret Schneider

Effretikon,

Ein Bundesgerichtsurteil im Fall des Schweizer KMU «Planted» sorgt für Wirbel. Unsere Kolumnistin Meret Schneider hat eine klare Meinung dazu.

Meret Schneider
Nationalrätin Meret Schneider schreibt regelmässig Kolumnen für Nau.ch. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Vegane Produkte wie «Planted Chicken» dürfen künftig keine Tierarten im Namen tragen.
  • Das Gericht sah in der Verpackung von 2021 eine Täuschung der Konsumenten.
  • Eine Kolumne von Nationalrätin Meret Schneider.

Das Bundesgerichtsurteil im Fall des Schweizer KMU «Planted» hat medial hohe Wellen geschlagen. Und wurde von der Fleisch-Fraktion und allen, die beim Anblick einer Tofuwurst Schnappatmung kriegen, als grossen Siegeszug gefeiert.

«Planted», ein ehemaliges Start-up aus Kemptthal, das sich mittlerweile aufgrund des Erfolgs seiner Produkte KMU nennen darf, produziert pflanzliche Alternativen zu Pouletgeschnetzeltem, Spiessen und Steaks.

Ein Grund zum Gratulieren, oder?

Diese erfreuen sich derart grosser Beliebtheit, dass Sternekoch Tim Raue und Schwingerkönig Christian Stucki dafür werben. Und man in der legendären Kronenhalle in Zürich das nicht minder berühmte Zürcher Geschnetzelte mit Rösti auch als vegane Alternative mit «Planted»-Geschnetzeltem erhält.

Kannst du den Wirbel um den «Planted»-Namen nachvollziehen?

Der Proof of concept ist also erbracht: Die Alternative zu Geschnetzeltem aller Art bewährt sich in Alltag und Spitzenküche – und «Planted» kann mittlerweile bereits in relevantem Ausmass exportieren. Eigentlich ein Grund zum Gratulieren!

Bund reicht Klage ein

Nicht aber für den Bund. Dieser hat tatsächlich nichts Besseres zu tun, als Klage einzureichen gegen die Bezeichnung «Chicken», die notabene klein unter der grossen Aufschrift «Planted» zu lesen ist.

Ein Dorn im Auge von Proviande und dem Eidgenössischen Departement des Innern, das die Klage bis vor Bundesgericht weiterzog. Dies mit der Begründung, es handle sich um «Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten».

planted chicken
Der Fleischersatz «Planted Chicken» darf keine Tiernamen mehr haben. - Screenshot eatplanted.com

Getäuscht über den Inhalt des Produktes

Die Behörden hatten moniert, dass die Bezeichnung trotz des Hinweises «auf Erbsenproteinbasis» und der Kennzeichnung «100 % pflanzenbasiert» irreführend sei. Eine Einschätzung, die nun das Bundesgericht in letzter Instanz bestätigt hat.

In einer öffentlichen Beratung hat das Bundesgericht entschieden, dass die Verwendung von Tierbezeichnungen für vegane Produkte auf der Basis von Erbsenproteinen nicht zulässig sei. Die Konsumenten würden damit über den Inhalt des Produkts getäuscht, wie die Mehrheit des Richtergremiums befand.

Eine durchexerzierte Kleingeistigkeit

Es ist nicht nur der gesunde Menschenverstand, der ob dieser Argumentation den Kopf schüttelt. Nein, es ist auch ein Urteil der durchexerzierten Kleingeistigkeit, wie sie nur einem sehr pedantischen Erbsenzähler entspringen kann. Oder eben einer sehr einflussreichen Lobby.

Unabhängig davon, ob man nun vegane Ersatzprodukte für sinnvoll erachtet oder nicht: Es kann doch niemand allen Ernstes behaupten, das gross mit «Planted» und unten klein mit «Chicken» beschriftete Produkt (gekennzeichnet mit einem leuchtenden Vegan-Label) würde mit dem fleischlichen Pendant verwechselt.

Alternative zu Pouletfleisch

Eine Irreführung der Konsumierenden liegt hier so wenig vor wie bei den «Steaks» und «Würsten», die weiterhin diese Namen tragen dürfen.

Die Antwort auf die berechtigte Frage, warum überhaupt eine Bezeichnung wie «Chicken» gewählt wurde, ist so einleuchtend wie banal: Wer mit dem Produkt nicht vertraut ist, weiss so genau, wie es zuzubereiten und einzusetzen ist: nämlich als Alternative zu Pouletfleisch.

Konsumieren Sie Fleischersatzprodukte?

Abgesehen davon, dass es sich auch optisch stark von Poulet unterscheidet und mit Sicherheit nicht verwechselt werden dürfte, bietet die Vehemenz, mit der die Klage weitergezogen wurde, Anlass zu einem kritischen Blick auf die Motivation.

Die genannte Irreführung der Konsumierenden steht nämlich in anderen Fällen gar nicht so weit oben auf der Agenda des Eidgenössisches Departement des Innern. So dürfen beispielsweise die beliebten «Kellogg's Smacks» als Frühstückscerealien mit «knuspriger Weizen mit Vitaminen und Eisen» beworben werden, wodurch ein gesundheitlicher Mehrwert suggeriert wird. Dies trotz eines beeindruckenden Zuckergehalts von 34 Gramm pro 100 Gramm.

Irreführung der Konsumierenden? Offenbar nicht relevant genug. Und es gäbe unzählige Beispiele anzufügen.

planted fleisch
Planted bietet auch andere Fleischalternativen an. - keystone

Markteintritt soll erschwert werden

Es bleibt also nur zu vermuten, dass dem Bestreben, tierische Bezeichnungen für pflanzliche Alternativen zu verbieten, einzig die Motivation zugrunde liegt, diesen den Markteintritt und die Etablierung zu erschweren.

Fleischkäse ist schliesslich auch kein Käse. Teewurst enthält keinen Tee. Und das Salatblatt im Fleischsalat sucht man vergeblich.

Nicht aktiv am Lobbying beteiligt?

Für diese These spricht auch, dass sich Philippe Haeberli, Kommunikationschef des Verbands der Schweizer Fleischwirtschaft, gegenüber dem SRF mehr als positiv über das Urteil äussert. Er sagt: «Wir haben mit Freude und Genugtuung von diesem Urteil Kenntnis genommen. Und wir finden es auch richtig, dass jetzt Klarheit herrscht und die Produkte wirklich so bezeichnet werden, wie sie der Konsument auch konsumieren und kaufen will.»

Weiter meint Haeberli: «Wir haben ein Interesse, dass das umbenannt wird. Weil wir finden, dass es falsch ist. Wir sind aber nicht aktiv am Lobbying beteiligt.»

Was «nicht aktiv am Lobbying beteiligt» in diesem Kontext heissen mag, bleibt zu hinterfragen.

Meret Schneider.
Nau.ch-Kolumnistin Meret Schneider. - zVg

Aber mal ehrlich: Genugtuung? Echt jetzt? Es verschafft Genugtuung wie nach einem Siegeszug (wogegen eigentlich?), dass ein Schweizer KMU nun mit Mehrkosten konfrontiert ist, weil es sämtliche Produktbezeichnungen auf Verpackungen ändern muss?

Ich wähle selten drastische Worte, aber ein bisschen armseelig ist das schon.

Wenigstens hat dieser Bundesgerichtsentscheid massgeblich zur Bekanntheit von «Planted» beigetragen. Im Prinzip ist es eine Marketingaktion mit gepfefferten Nebenkosten. Also ein kleiner Lichtblick für das Unternehmen.

Mozavella und Mascarvone

Und ein weiterer Lichtblick in nächster Nähe ist tatsächlich die Schweizer Käserei Züger, die zeigt, dass es auch anders geht.

Statt Symbolgefechte um Bezeichnungen auszutragen, nutzt die Käserei (die primär Milchprodukte produziert) ihr Know-how und damit das Potenzial pflanzlicher Alternativen einfach für sich.

So gibt es bei Züger jetzt auch Mozavella, Mascarvone, Cottage Drops (Alternative zu Cottage Cheese) und weitere Alternativen aus Soja aus der EU und biologischer Landwirtschaft im Angebot.

In weiser Voraussicht hat Züger bereits unverwechselbare Bezeichnungen gewählt, um allfällige Miesmacher*innen und andere komische Vögel von Klagen abzuhalten.

Mit der Zeit gehen heisst eben, Innovation zu nutzen. Und sich neue Kundensegmente zu erschliessen und qualitativ hochwertige Produkte herzustellen, die nachgefragt werden.

Und wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Zur Person: Meret Schneider (32) ist Mitglied des Schweizer Nationalrats. Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.

Kommentare

User #9500 (nicht angemeldet)

Dieser hype um "Fleischersatz" ist ein reiner Marketingtrick und Geldmacherei. Diese Produkte werden hochverarbeitet und es müssen diverse Zusatzstoffe verwendet werden um die fleischähndliche Konsistenz, aussehen und Geschmack zu erreichen. Mit diesem Aufwand sind die Produkte definitiv nicht Umweltfreundlicher als echtes Fleisch. zudem so hoch verarbeitetes Zeugs und dann noch zum Teil Zusatzstoffe sind definitiv nicht Gesund.

User #7353 (nicht angemeldet)

Klimakleber ist auch das falsche Wort. Denn schliesslich sind es Strassenbesetzer. Mit Klima haben diese von US Milliardären bezahlten Personen nichts zu tun.

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