Martin Jucker: «Lieber keine Hecke als eine nicht perfekte»
«Wir waren gezwungen, frisch gepflanzte Sträucher sofort wieder zu roden, damit sie nicht mehr als Hecke galten», schreibt Martin Jucker in seiner Kolumne.

Das Wichtigste in Kürze
- Martin Jucker betreibt die bekannte «Jucker Farm» in Seegräben ZH.
- Auf Nau.ch schreibt Jucker regelmässig Kolumnen.
- Heute schreibt Jucker über den Schweizer Hecken-Konflikt.
Die Biodiversität in der Schweiz stagniert. Das Monitoring des Bundes zeigt, dass es gelungen ist, den Abwärtstrend zu stoppen – oder zumindest zu bremsen.
Ist jetzt alles gut? Nein, das ist es sicher nicht.
Damit wir als Menschen eine gute Zukunft auf der Erde haben, brauchen wir eine reichhaltige Biodiversität. Denn: Wir sind nur ein kleiner Teil eines hochkomplexen Ökosystems.
Aktuell sind wir zwar die stärkste Spezies auf dem Planeten. Wir neigen aber auch dazu, auf Kosten anderer zu leben.
Elefanten und Käfer – alle sind wichtig
Dabei sollte mittlerweile allen klar sein, dass wir ohne die anderen Lebewesen nicht existieren können. Alle – vom Elefanten über Käfer und Regenwürmer bis zu Viren, Bakterien und Pilzen – sind für unsere Existenz und unseren Planeten wichtig.
Angesichts dieser Tatsache ist man schnell geneigt, in die Bürokratiefalle zu tappen.
Es wäre doch das Einfachste, wenn das Parlament dafür sorgen würde, dass die Biodiversitätsflächen ausgeweitet werden und so alles gut wird.
Warum die Betrachtung der Biodiversität gegen Nahrungsmittelproduktion nicht aufgeht, habe ich schon in einer Kolumne beschrieben.
Hecken sind wichtig
Aber wie der Bericht des Bundes zeigt, hat sich die Biodiversität in der Kulturlandschaft nicht entwickelt. Was also könnte helfen?
Ein wichtiges Instrument sind Hecken. Sie bieten Lebensraum für ganz viele Arten. Nicht umsonst hatte es früher viel mehr davon.

Der Gesetzgeber hat das erkannt und schon vor einiger Zeit einen guten Schutz für Hecken eingeführt. Dabei wurden alle Aspekte einer perfekten Hecke berücksichtigt und reguliert. Gleichzeitig wurden alle Hecken erfasst und stehen heute unter Schutz.
In einer ersten Phase hat das zu einer Verbesserung der Artenvielfalt geführt. Viele bereits bestehende Hecken wurden optimiert und der Lebensraum für Nager, Insekten und Vögel hat sich dadurch verbessert. Es wurden auch Pufferzonen, sogenannte Krautsäume, eingerichtet.
Die Schweiz hat also jetzt die perfekten Hecken. Trotzdem ist nicht viel passiert. Die Bürokratiefalle hat zugeschnappt.
Jeder Bauer und jede Bäuerin weiss jetzt, was es bedeutet, eine Hecke auf dem Feld zu haben. Einmal dort, wird sie sofort geschützt. Eine Fülle von Auflagen tritt in Kraft und es wird nie mehr möglich sein, sich davon zu lösen.
Nur perfekte Hecke erlaubt
Zudem gibt es viele Stellen, an denen eine kleine Hecke oder ein Gebüsch Platz hätte, ohne dass es die Bewirtschaftung einschränkt.
Der Platz reicht aber nicht aus, um alle Auflagen der gesetzlich vorgeschriebenen Hecke umzusetzen. Darum wird nichts gepflanzt. Die Minihecke darf es in der Schweiz nicht geben. Nur die perfekte Hecke ist erlaubt.
Mit Direktzahlungsabzug bestraft
Wir haben das bei der «Jucker Farm» am eigenen Leib erfahren. An einer aus Bewirtschaftungssicht absolut nutzlosen Böschung haben wir ein paar Sträucher gepflanzt.
Oberhalb dieser Böschung grenzt bereits die Parzelle des Nachbarbauern an. Kaum gepflanzt, war eine Routinekontrolle bei ihm fällig.
Er wurde sogleich mit Direktzahlungsabzug bestraft, weil es keinen Krautsaum von unserer Hecke auf seinem Land gab.

So waren wir gezwungen, die frisch gepflanzten Sträucher sofort wieder zu roden, damit sie nicht mehr als Hecke galten.
Wäre die Kontrolle zuerst bei uns gewesen, wäre es zu spät gewesen und wir hätten über Kompensationszahlungen gestritten. Dank Bürokratie fiel auch bei uns der Entscheid: Lieber keine Hecke als eine nicht perfekte.
Kein Einzelfall
Sie mögen jetzt denken, das sei ein Einzelfall. Leider ist dem nicht so. Überall und immer wieder, wenn wir Bauern und Bäuerinnen unter uns sind, höre ich von ähnlichen Geschichten.
Eine gute Idee, etwas zu pflanzen, wird kundgetan und sofort sagt jemand: «Achtung! Es darf keine Hecke werden.»
Wie wärs, wenn das Parlament beschliessen würde, dass Landwirtschaftsbetriebe für verbesserte Biodiversität in der Kulturlandschaft entschädigt werden?
Oder wie wärs, wenn die Expertinnen und Experten sich damit befassen würden, was effektiv geleistet wird – statt beinahe im Tagesrhythmus neue Regulierungen für den Alltag der Bäuerinnen und Bauern zu erlassen?
Zur Person: Martin Jucker ist gelernter Obstbauer und hat sich mit der «Jucker Farm» in Seegräben ZH über die Landesgrenzen hinweg einen Namen gemacht. Er steht für innovative, nachhaltige und unabhängige Landwirtschaft. 2014 wurde er zusammen mit seinem Bruder Beat, als bisher einziger Bauer, zum Schweizer Unternehmer des Jahres gewählt.